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Zoonosegefahr wird immer noch unterschätzt

Wurmfrei

Toxocara canis ist hierzulande der häufigste Rundwurm des Hundes und in einer Untersuchung von 29.400 Proben in Deutschland mit 15,7% der positiven Proben vertreten (Elze et al., 2014). Die Infektion des Hundes kann ­direkt über die Aufnahme embryonierter Eier aus der Umwelt, transplazentar, galaktogen oder indirekt über die Aufnahme paratenischer Wirte erfolgen.

Eine Besonderheit von Spulwürmern ist die Fähigkeit zur ­Hypobiose, die es den Larven ermöglicht, über Jahre im Endwirt lebensfähig zu bleiben. Diese Larven sind dafür verantwortlich, dass Hündin­nen in bis zu drei nacheinander folgenden Trächtigkeiten ihre kompletten Würfe infi­zieren können. Beachtenswert erscheint, dass trotz ESCCAP-Richtlinien und wirksamen und verträglichen Anthelminthika die ­Toxocaraprävalenz seit Jahren stabil ist und darüber hinaus die Prävalenzen anderer Parasiten wie beispielsweise Angiostrongylus vasorum zunehmen (Barutzki und Scharper, 2003, Barutzki und Scharper 2011). Eine Marktumfrage kam zu dem Ergebnis, dass nur 50% der Halter 1,7 Entwurmungen jährlich durchführen (Produkt+Markt, 2013). Dies lässt den Schluss zu, dass die derzeit praktizierten Entwurmungen nicht ausreichend sind, um den Infektionsdruck zu senken. Strube et al., 2013 notieren, dass in Fällen, in denen das individuelle Risiko eines Hundes nicht abgeschätzt werden kann, aus Gründen der Hygiene und Konta­minationsprophylaxe mindestens vier Behandlungen pro Jahr erfolgen sollten, weil andernfalls keine sig­nifikante Reduktion patenter Infek­tion zu erwarten ist. Auch in den ESCCAP-Richtlinien wird darauf verwiesen, dass ein- bis zweimalige Behandlun­gen pro Jahr in epidemiologischen Studien keine ausreichende Wirkung ge­zeigt haben.

Bei der Bewertung von durchgeführten Kot­untersuchungen sollte beachtet werden, dass nur dann ein aussagekräftiges Ergebnis erzielt werden kann, wenn Sammel­proben, die über drei aufeinanderfolgende Tage gewonnen wurden, zur Untersuchung gelangen. Darüber hinaus schließt ein negatives Ergebnis das Vorhandensein einer (präpatenten) Infektion nicht aus. Die Sensitivität der Flotation ist von vielen Einflussfaktoren wie dem spezifischen Gewicht der Flotationslösung, der Ausscheidungsintensität, der verwendeten Kotmenge und dem methodischem Vorgehen abhängig und liegt bei ca. 70–90%. Die Kontamination öffentlicher Plätze mit Toxocara-Eiern liegt in ­Europa bei etwa 10–30%, und embryonierte Eier können über Jahre infektiös bleiben. Dies ist insofern bedenklich, als dass Toxocara canis als Zoonoseerreger bedeutsam ist. Menschen können sich durch die versehentliche orale Aufnahme embryonierter Eier aus kontaminiertem ­Boden (Gärten, Spielplätze, Parks, Strände) oder über ungewaschene Hände oder rohes Gemüse infizieren. Auch die Infek­tion über die Aufnahme von Larven aus rohem Fleisch oder Gewebe von Hühnern, Wiederkäuern oder Schweinen oder selten durch direkten Tierkontakt wurden beschrieben. (Overgaauw, van Knapen, 2013) Toxocara canis kann beim Menschen die Larva migrans viceralis, die Larva migrans ocularis, Neurotoxocarose und die covert Toxocarosis hervorrufen. Die Larva migrans visceralis kann abdominale und respiratorische Beschwerden hervorrufen, wohingegen die Larva migrans ocularis Sehstörungen bis hin zur Blindheit auslösen kann. Die covert Toxocarosis geht mit unspezifischer Symptomatik einher, wohingegen die Neurotoxocarose mit Meningitiden und Enzephalitiden, aber auch mit Epilepsie in Verbindung gebracht wird (Quattrocchi et al., 2012). Darüber hinaus mehren sich die Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen positiver Toxocara canis-Serologie und Allergie oder Asthma (Cabzaru et al., 2012, Overgauuw, van Knapen, 2013). Dies sind nicht nur Probleme tropischer Länder: In einer österreichischen Studie unter asymptomatischen Patienten lag die Prävalenz der toxocara-seropositiven Menschen bei 6,3% (Poeppl et al., 2013). In den Niederlanden wurden Prävalenzen bei Menschen unter 30 Jahren von 4–15% und bei Menschen über 30 Jahren von 30% gefunden (De Melker et al., 1995, zitiert aus Overgaauw, van Knapen, 2013)

Aufklären und Behandeln

Im Sinne des One-Health-Konzeptes liegt es in der Verantwortung des behandelnden Tierarztes, Hundebesitzer über Risiken durch Toxocara-infizierte Tiere und die Notwendigkeit regelmäßiger anthelminthischer ­Behandlungen zum Schutz der eigenen ­Familie und der öffentlichen Gesundheit aufzuklären (Strube et al., 2013). Hier kann beispielsweise ein Kombinationspräparat mit den Wirkstoffen Spinosad und Milbemycinoxim hilfreich sein, das unter dem Handelsnamen Trifexis® erhältlich ist. Bowmann et al. (2014) belegten, dass eine minimale Dosis von 0,75mg/kg Milben­mycinoxim bei der Behandlung unreifer Stadien von Toxocara canis und Ancylostoma caninum des Hundes hocheffektiv wirkt. Die Fähigkeit, unreife Stadien dieser Parasiten zu töten, bevor sie patent werden, nützt Hunden, Haltern und der Öffentlichkeit durch die effektivere Reduktion der Exposition ihnen gegenüber. Trifexis® ist das einzige milbemycinhaltige Präparat mit der Zulassung gegen unreife Stadien von Toxocara canis und Ancylostoma caninum. Böhm et al., 2014 konnten darüber hinaus zeigen, dass die Einmalbehandlung mit ­einer Kombination aus Milbemycinoxim und Spinosad eine präventive Wirksamkeit von 98,8% gegen die Entwicklung von ­Infektionen mit adulten Angiostrongylus vasorum hat.

Spinosad ist ein Fermentationsprodukt des Bodenbakteriums Saccharopolyspora spinosa und tötet Flöhe mit einer Effekti­vität von 100% bereits vier Stunden nach Eingabe bei Hunden ab. Dadurch wird auch bei Superinfestation mit 600 Flöhen/Hund die Floheiproduktion um >99,8% gesenkt (Blagburn et al., 2010). Die überlegene Wirkung von Spinosad gegen Flöhe wurde in mehreren vergleichenden Feldstudien belegt, welche Praxisbedingungen deutlich besser abbilden, als dies Laborstudien vermögen. So zeigten Dryden et al., 2013 an Hunden in privater Haltung mit drei aufeinanderfolgenden Behandlungen entweder mit oralem Spinosad oder mit ­topischem Fipronil/(S)- Methopren, dass am Tag 90 95% der Spinosad- und 38% der Fipronil/(S)-Methopren-Gruppe flohfrei waren. Dies bestätigen auch die Untersuchungen von Wolken et al., 2012, wonach der Anteil flohfreier Hunde an Tag 90 in der Spinosad- Gruppe 85% und in der Selamectin- Gruppe 67,1% betrug. Laut einer Markt­untersuchung wird von 70% der Tierbesitzer 4,9-mal im Jahr gegen Ektoparasiten behandelt, weil diese sichtbar sind und somit eher als Problem wahrgenommen werden als die unsichtbaren Endoparasiten. Die große Zufriedenheit der Besitzer mit dem Wirkstoff Spinosad kann dazu beitragen, die Entwurmungsfrequenz mithilfe der Kombination aus Milbemycinoxim und Spinosad zu erhöhen, um so zu einer Reduktion der Umweltkontamination beizutragen. Darüber hinaus sollten Tierhalter über die Zoonosegefahr durch Toxocara canis und geeignete Hygienemaßnahmen informiert werden.

take home

Toxocara canis ist der häufigste Nematode des Hundes. Die Zoonosegefahr wird immer noch unterschätzt. Die bisher praktizierte Entwurmungs- und Hygienepraxis hat die Prävalenz nicht verringert. Eine Kombination aus Milbemycinoxim und Spinosad bietet eine neue Möglichkeit, um die Entwurmungsfrequenz zu erhöhen und so zum Schutz der eigenen Familie und der öffentlichen Gesundheit beizutragen.

Foto: © istockphoto.com| Nancy Nehring

Stichwörter:
Toxocara canis, Hypobiose, Angiostrongylus vasorum, Marktumfrage, patenter Infek­tion, Konta­minationsprophylaxe, epidemiologischen Studien, Neurotoxocarose, Meningitiden, Enzephalitiden, toxocara-seropositiven, One-Health-Konzeptes, Spinosad, Milbemycinoxim, Fermentationsprodukt, Bodenbakteriums Saccharopolyspora spinosa, Toxocara canis,

HKP 6 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2014.
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„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.