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Was Kälber, Lämmer und Ferkel krank macht

Parasiten in der Kinderstube

Das Überleben und die Vermehrung von Parasiten im Wirts­organismus hängen zu einem wesentlichen Teil davon ab, ob und wie erfolgreich sie vom Immunsystem attackiert werden. Unspezifische angeborene Mechanismen und v.a. die durch vorherigen Erregerkontakt erworbene Immunabwehr sind dabei von Bedeutung. Ein Schutz durch erworbene Immunreaktionen wird naturgemäß erst nach Überstehen einer Infektion aufgebaut.

In neugeborenen Tieren ist das Repertoire der Abwehrmöglichkeiten also noch begrenzt und es dauert eine Weile, bis das Arsenal immunologischer Optionen so weit scharfgemacht ist, dass es auch wirksam eingesetzt werden kann. Der passive Schutz durch Antikörper und Immunzellen aus dem mütterlichen Kolostrum genügt oftmals nicht, um eine Erkrankung zu verhindern, wenn der Infektionsdruck eine kritische Grenze überschreitet, und für manche Parasiten ist die Muttermilch sogar ein bevorzugter Übertragungsweg. In jedem Fall wirkt sich eine mangelhafte Versorgung mit Kolostrum in der Jungtieraufzucht negativ auf die Kontrolle von Endoparasitosen aus. Dazu trägt auch bei, dass sich Parasitosen und andere Infek­tionskrankheiten der Jungtiere gegenseitig aufschaukeln können. Jungtiere sind also peripartal mehr oder weniger der ersten ­Attacke durch Endoparasiten wehrlos ausgeliefert, und sie reagieren empfindlich auf alle Umstände, die sich zusätzlich belas­tend auswirken. Dazu gehören bspw. ein ungünstiges Mikroklima und mangelhafte Hygiene im Stall, Schlechtwetterlagen auf der Weide, Stress oder Mängel in der Fütterung vom Muttertier getrennter oder von der Milch abgesetzter Tiere. Die Waagschale in der kraftzehrenden Auseinandersetzung zwischen Wirt und Parasit wird sich umso mehr zu Gunsten des Parasiten neigen, ­desto schlechter die allgemeine Kondition des Jungtiers ist. Klinische Erkrankungen, manchmal Todesfälle oder auch subklinische Erkrankungen, die sich in einer schlechten oder verzögerten Entwicklung der Jungtiere äußern, werden dann die Folgen sein. Eine gänzlich parasitenfreie Haltung von Jungtieren ist kaum erreichbar und mit Blick auf die Immunisierung auch nicht in jedem Fall anzustreben, umso mehr ist es aber wichtig, die Infektionsexposition und anderweitigen Belastungen in der peripartalen Gefahrenperiode auf ein akzeptables Maß zu begrenzen.

Protozoen

In der peripartalen Phase sind es v.a. protozoäre Enteritiserreger, die häufig nachweisbar sind und die bisweilen zu schweren Erkrankungen führen. Cryptosporidium parvum ist v.a. bei Kälbern und Lämmern als Ursache von Diarrhö bekannt, diese Art ist aber wenig wirtsspezifisch und kann zahlreiche Wirbeltierspezies, darunter auch den Menschen, befallen. Die mit ca. 5µm sehr kleinen und über Wochen bis Monate in der Umwelt überlebensfähigen Infek­tionsstadien (Oozysten) führen nach oraler Aufnahme zu einer Besiedlung und in der Folge Zerstörung von Bürstensaum im Dünndarm. Hinzu kommen degenerative Veränderungen wie Zottenatrophie und - fusion. Der dadurch verursachte Durchfall ist typischerweise wässriger Natur und dauert einige Tage an, gelegentlich auch länger. Die Erkrankungsschwere kann zwischen Tieren und Beständen erheblich variieren, wobei Virulenzunterschiede des Erregers, aber auch die Begleitflora und ­virale Keime eine Rolle spielen könnten. Von Bedeutung ist die Kryptosporidiose besonders in der Kälberaufzucht. Erkrankungen werden oft in der 1. bis zur 3. Lebenswoche gesehen. Die spezifischen Bekämpfungsoptionen begrenzen sich auf eine mehrtägige Gabe von Halofuginon, die in Problembetrieben bereits am 1. Lebens­tag einsetzen sollte. Für andere Tierarten gibt es keine zugelassenen Präparate.

Kokzidien der Gattung Eimeria werden regelmäßig im Kot junger Wiederkäuer nachgewiesen. Die verschiedenen Arten sind sehr eng an ihre jeweilige Wirtstierspezies angepasst, sodass wechselseitige Infektionen, anders als bei C. parvum, ausgeschlossen sind. Eimeria-Arten unterscheiden sich in ihrer Pathogenität, und eine diagnostische Bewertung des Nachweises von Oozysten ist ohne Speziesdifferenzierung nicht möglich. Diese erfolgt aufgrund der Oozystenmorphologie und setzt entsprechend trainiertes Laborpersonal voraus.

Beim Rind sind E. bovis und E. zuerni weit verbreitete pathogene Spezies, die besonders im Stall oder auch auf der Weide katarrhalische bis hämorrhagische und manchmal letale Enteritis verursachen können. Bei Zicklein gelten E. ninakohlyakimovae und E arloingi als pathogenste Spezies, aber auch andere Arten wie E. alijevi, E. christenseni und E. caprina wurden als Durchfallerreger eingeschätzt. Schaflämmer können vor allem erkranken, wenn sie mit E. ovinoidalis oder E. crandallis infiziert sind. Die Epidemiologie der Kokzidiose kann recht variabel sein und hängt wesentlich von der Haltungsform ab. Sie tritt besonders dann auf, wenn viele Jungtiere auf begrenztem Raum und feuchtem, kotverschmutztem Untergrund gehaltenen werden. Aufgrund der relativ langen Präpatenz wird Kokzidiose bei Kälbern, Lämmern oder Zicklein meistens ab der 4. Lebenswoche gesehen. Der Zeitpunkt, zu dem die Kokzidiose als Erkrankung auffällig wird, ist für den jeweiligen Bestand verhältnismäßig konstant. Neben einer Optimierung der hygienischen Bedingungen sollte in Problembeständen mit einem wirksamen Antikokzidium aus der Gruppe der Triazinone (Toltrazuril, Diclazuril) ca. eine Woche vor erwartetem Krankheitsausbruch behandelt werden. Dies erlaubt die Entwicklung einer protektiven Immunität, verhindert aber klinische Erkrankung und die erneute Kontamination mit Oozysten. Ein Sonderfall ist E. alabamensis, eine experimentell wenig pathogene Spezies, die in nördlichen Regionen bei Kälbern wenige Tage nach Frühjahrsaustrieb dennoch als Durchfallerreger berichtet wurde. Hier kann eine Behandlung bereits beim Austrieb sinnvoll sein.

Junge Ferkel

Auch beim Schwein kommen Infektionen mit Eimerien vor, allerdings werden diese bei jungen Ferkeln nicht gesehen und sind meistens apathogen. Dagegen ist Isospora suis eine Kokzidienart, die bei Saugferkeln insbesondere in der 2. ­Lebenswoche pastösen bis wässrigen Durchfall und Ent­wicklungs­störungen verursacht. Sauen scheiden recht selten und dann in geringer Zahl Oozysten von I. suis aus, und so sind es offensichtlich die Ferkel selbst, die die Abferkelboxen kontaminieren und damit Wurfgeschwister einem steigenden Infektionsdruck aussetzen. Ausgelöst werden kann diese Situation durch wenige Oozysten, die auch bei guter Reinigung im Abferkelbereich verbleiben und kurz nach der Geburt zu einer ersten subklinischen Runde der Infektion in einzelnen Ferkeln führen, die gegen Ende der 1. Lebenswoche massiv Oozysten ausscheiden. Der nun kritische Infek­tionsdruck löst die Erkrankung nach Ablauf des nächsten Repro­duktions­zyklus in der 2. oder 3. Lebenswoche aus. Das einzige für diese Indikation zugelassene Antikok­zidium ist das Toltrazuril, das bei frühzeitiger Applikation die Erregervermehrung und damit die kritische Kontamination unterbindet.

Giardien sind als kommensale Darmbesiedler bei Jungtieren, aber auch bei Adulten nicht selten anzutreffen. Ob sie bei Wiederkäuern und Schweinen ein pathogenes Potenzial haben, ist aber noch nicht endgültig zu bewerten. Die mit dem Kot abgesetzten Zysten sind gegen Trockenheit empfindlich, können allerdings in Wasser Tage bis Wochen überdauern. Aktuell gibt es keine Möglichkeit einer gezielten ­medikamentellen Intervention. Unabhängig von Erreger und Tierart muss zur sinnvollen Bekämpfung protozoärer Enteritis eine Anreicherung der von infizierten Tieren in großer Zahl ausgeschiedenen Infektionsstadien durch eine gute Hygiene einschließlich Desinfektion durch Hitze oder chemische Präparate (www.dvg.net) verhindert werden. Werden schwere Erkrankungen festgestellt, so ist die Substitution von Wasser, Elektrolyten und Energie wichtiger als die therapeutische Anwendung von Antiprotozoika. Nicht erkrankte Jungtiere sollten unbedingt gezielt behandelt werden, eine gut geplante Metaphylaxe sollte für die Zukunft in Betracht gezogen werden.

Helminthen

Infektionen mit Würmern kommen v.a. bei Weidehaltung häufig vor, wobei erstsömmrige Tiere mangels Immunität besonders gefährdet sind. Die meisten Wurmarten (Nematoden, Bandwürmer) besiedeln den Magen oder Abschnitte des Darms und verursachen damit Verdauungs- und Entwicklungs­störungen. Daneben können Lungenwürmer beim Kalb schwere Pneumonien auslösen, und auch Leberegel bereiten bei Wiederkäuern in manchen Regionen erhebliche und teils zunehmende Probleme. Im peripartalen Zeitraum sind solche Infektionen grundsätzlich auch möglich, allerdings sind Jungtiere in den ersten Lebens­wochen häufig im Stall unter­gebracht, in dem die meisten Wurmarten keine geeigneten Lebensräume und Übertragungs­bedingungen finden. Spulwürmer produzieren sehr resistente Eier, die in jeder Umgebung lange überdauern können. Infektionen von Ferkeln sind auf diesem Weg häufig, verursachen allerdings nur selten eine auffallende Erkrankung und erlangen v.a. dadurch Bedeutung, dass sie später im Maststall als Störfaktor betrachtet werden.

Bemerkenswert ist der Über­tragungsweg von Toxocara vitulorum, einem Spulwurm, der bei Rindern, Schafen und Ziegen vorkommen kann, in Mitteleuropa aber äußerst selten ist. Die Jungtiere werden ausschließlich über die Milch infiziert und scheiden nach Ansiedlung der Würmer im Dünndarm Eier aus, während in älteren Tieren nach Aufnahme von Toxocara-Eiern keine geschlechtsreifen Würmer, wohl aber hypobiotische Gewebelarven entstehen. Diese werden in der Laktation aktiv und dann galaktogen übertragen. Damit ist in Milch erzeugenden Betrieben der Übertragungszyklus zwangsläufig unterbrochen, anders als in Haltungsformen, in denen die Jungtiere längere Zeit bei den Müttern bleiben. So kann T. vitulorum-Befall in Mutterkuhherden eingeschleppt werden, die latent infizierte Kühe aus einem Endemiegebiet zukaufen.

Ebenfalls auf galaktogenem Weg auf das Jungtier werden Zwergfadenwürmer der Gattung Strongyloides übertragen. Allerdings kann Strongyloides auch perkutan oder nach oraler Aufnahme infizieren und eine frei lebende Generation bilden. Beim Kalb, bei Lamm und Zicklein parasitiert S. papillosus, beim Ferkel S. ransomi. Im Allgemeinen spielt dieser Wurm keine herausragende Rolle, er kann aber bei starkem Befall durchaus zu schweren Erkrankungen führen. Diese können sich in Hautaffektionen, Pneumonie und, nach Ansiedlung der parthenogenetischen Weibchen in der Dünndarmmukosa, Enteritis äußern. Die Präpatenz ist nach galaktogener Übertragung kurz und kann bei Kälbern, Lämmern oder Zicklein nach kolostraler Übertragung bereits am 6. Lebenstag abgeschlossen sein. Bei Ferkeln wurden schon am 3. Lebenstag Eier im Kot nachgewiesen. Benzimidazole und makrozyklische Laktone eignen sich für die Entwurmung, müssen aber vor Ablauf der Präpatenz ein­gesetzt werden, wenn eine ­Eiaus­scheidung unterbunden werden soll. Bekämpfung von Strongylidose muss immer hygienische Maßnahmen beinhalten. Insbesondere ist eine trockene Umgebung im Stall notwendig, um einem bedenklichen Infektions­druck entgegen zu wirken.

take home

Jungtiere sind aufgrund ihres immunologisch naiven Status bevorzugte Wirte insbesondere von Durchfall erregenden Protozoen, während Helminthen peripartal eine geringere Rolle spielen. Eine wirksame Vermeidungsstrategie setzt eine gute Diagnostik sowie Kenntnis der Parasitenbiologie und Übertragungswege voraus. In Betrieben mit einer aktuellen Durchfallproblematik ist neben einer symptomatischen Therapie eine an die epidemiologische Situation im Betrieb angepasste medikamentelle Prävention ein wesentlicher Beitrag zur Problemlösung. Diese sollte immer von einer kritischen Analyse und, so weit möglich, Verbesserung der Tierhaltung mit dem, Ziel perspektivisch auf die Metaphylaxe verzichten zu können, begleitet werden.

Foto: © istockphoto.com, JMichl

Stichwörter:
Parasiten, Infek­tionskrankheiten, Protozoen, Diarrhö, fusion, Kokzidien, Pathogenität, Oozystenmorphologie, Enteritis, Darmbesiedler, Zysten, Helminthen, Übertragung, Spulwurm, Strongylidose

HKP 8 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2013.
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