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„Fallstricke“ bei der koproskopischen Diagnostik

Pseudoparasiten auf der Spur

Je genauer die Diagnose gestellt werden kann, umso bessere Voraussetzungen ergeben sich für eine erfolgreiche Behandlung eines Parasitenbefalls. Mit der koproskopischen Diagnostik (Koproskopie) stehen dem Tierarzt einige Nachweisverfahren zur Verfügung, die sich mit relativ wenig Material- und Geräte­aufwand realisieren lassen.

Abb.2 Koniferenpollen mit „ohrenähnlichen“ Luftsäcken als Flugeinrichtung

Bei der Interpretation der nachgewiesenen Parasitenstadien gibt es aber einige „Fallstricke“, die bei unerfahrenen Untersuchern schnell zu Fehldiagnosen führen können. Vor jeder Therapie steht die Diag­nose. Dieser Grundsatz tierärztlichen Handelns gilt auch für die Behandlung eines Befalls mit Endoparasiten. Erst nach der Diag­nosestellung erfolgen gegebenenfalls die Aufstellung einer Bekämpfungsstrategie und die ge­zielte Auswahl der geeigneten Medikamente. Das Unterlassen einer parasitologischen Kotuntersuchung vor der Behandlung mit einem Antipara­sitikum widerspricht den Grundzügen der Evidence Based Medicine [1]. Eine koproskopische Untersuchung ist aber natürlich auch sinnvoll, um den Erfolg einer solchen Behandlung zu kontrollieren. Auch zur Beantwortung von epidemiologischen Fragestellungen, zur Überwachung von Tierbeständen, bei internationalen Tiertransporten, bei Abgabe oder Neuerwerb eines Tieres oder während der Quarantäne kann die Koproskopie notwendig werden. Besonders beim Auftreten der „Leitsymptome“ Durchfall und Abmagerung liegt die Untersuchung einer Kotprobe zum Nachweis eines möglichen Parasitenbefalls nahe.

Durch eine koproskopische Untersuchung kann mit einfachen und wenig aufwändigen Verfahren ein solcher Endoparasitenbefall festgestellt werden. Die dafür einzusetzenden Verfahren sind in der Regel ohne größeren Material- und Geräteaufwand durchführbar und können von jedem praktizierenden Tierarzt ausgeführt werden. Die Anwendung dieser einfachen Methoden bedeutet aber nicht zwangsläufig auch, dass die Interpretation der Ergebnisse einer solchen Koproskopie immer leicht ist. Im Gegenteil, oft sind für die eindeutige Bestimmung der nachgewiesenen Entwicklungsstadien tierischer Parasiten umfangreiche Kenntnisse notwendig und die Auswertung der Ergebnisse erfordert viel Erfahrung. Besonders „Pseudoparasiten“ können einen unerfahrenen Untersucher vor erhebliche Probleme stellen und zu Fehldiagnosen führen.

Pseudoparasiten – was sind das?

Bei der koproskopischen Untersuchung können zahlreiche „Strukturen“ im mikroskopischen Bild auftreten, die Parasiten oder deren Entwicklungsstadien sehr ähneln. Einige kann man leicht erkennen, andere lassen sich nicht sicher von echten Parasiten unterscheiden. Solche „Pseudoparasiten“ können auf verschiedenen Wegen in die Kotprobe gelangen und einen tatsächlichen Parasitenbefall vortäuschen. Mögliche „Pseudoparasiten“ sind z.B.:

// Pflanzen- und Futterbestandteile, Pollenkörner, Pilze, die den Entwicklungsstadien der Parasiten ähneln.

// Larven frei lebender Nematodenarten (Erdnematoden), die den Larvenstadien von Parasiten ähneln und z. B. einen Lungenwurmbefall vortäuschen.

// Darmpassanten: Eier von Parasiten der Futtertiere, die beim Verdauungsprozess im Beutegreifer freigesetzt werden oder Eier, die durch Aufnahme von Kot anderer Tierarten in die Kotprobe gelangen und den Wirt unverändert passieren.

Anhand von häufig auftretenden Beispielen sollen solche „Fallstricke“ bei der koproskopischen Diagnostik vorgestellt werden.

Pollenkörner

Besonders in Kotproben von Pflanzenfressern werden häufig Pollenkörner gefunden, die aufgrund ihrer Größe und Form leicht mit Wurmeiern oder Kokzidienoozysten verwechselt werden können. Bei vielen Pollenarten ist der Inhalt wenig strukturiert oder sie besitzen an der Oberfläche Dornen, Leisten oder ähnliche Strukturen und können so leicht von Parasitenstadien abgegrenzt werden (Abb.1). Sehr häufig sind Pollen, die über den Wind verbreitet werden und die dafür mit „Flugeinrichtungen“ versehen sind, z.B. Koniferenpollen mit zwei randständigen „ohrenähnlichen“ Luftsäcken (Abb.2). Andere besitzen einen strukturierten Inhalt und eine eischalenähnliche Hülle. Diese Pollen sind schon schwieriger als Pseudoparasiten zu erkennen. Manchmal ist es hilfreich, wenn man die Probe in einer mit einer flachen Wasserschicht gefüllten Schale bei Raumtemperatur einige Tage stehen lässt und dann erneut untersucht. Bei vielen Pollenarten tritt dann oft an einem Pol ein mehr oder ­weniger langer Keimschlauch aus der Hülle aus, der dem Pollen dann ein tennisschlägerartiges Aussehen verleiht (Abb.3), während sich bei Eiern Furchungskugeln oder eine Larve im Inneren entwickelt bzw. bei Kokzidienoozysten die Sporulation einsetzt (Abb.4).


Abb.1 Verschiedene Pollenformen


Abb.3 Pollen mit Keimschlauch („tennisschlägerartig“)


Abb.4 Sporulierte Kokzidienoozysten (Eimeria maxima, Huhn)

Erdnematoden

An Pflanzen, im Wasser und besonders häufig im Bodengrund lebt eine große ­Anzahl nicht pathogener Nematodenarten, die auch als Erd- oder Bodennematoden bezeichnet werden. Solche Nematoden ­gelangen über die Futter- oder Wasseraufnahme, besonders wenn diese aus Pfützen oder unbefestigten Tränken erfolgt oder wenn das Futter sehr stark mit Erde verschmutzt ist, in das Tier und könne bei der Koproskopie in der Kotprobe dann gefunden werden. Die häufigste Ursache für den Nachweis von Erdnematoden sind jedoch Kotproben, die vom Boden aufgesammelt werden und zur Unter­suchung gelangen, besonders wenn sie dort schon längere Zeit gelegen haben. Hier können Erdnematoden in großer Zahl einwandern und zu erheblichen diagnostischen Problemen führen, weil sie leicht mit Lungenwurm­larven oder bereits geschlüpften Larven von Magen-Darm-Strongyliden verwechselt werden können. ­Hinweise für das Auftreten solcher Erdnematoden in der Kotprobe können das gleichzeitige Auffinden von verschiedenen Entwicklungsstadien der Nematoden (z.B. adulter Würmer mit Eiern im Körperin­neren, Larvenstadien, dünnschalige Nematodeneier mit gefurchtem Eiinhalt), von unterschiedlich großen Larvenstadien oder von Larvenstadien mit einem deutlich rhabditiform geformten Ösophagus mit Präbulbus am Corpusende, kräftigen Kauleisten im Bulbus oder einer ausgeprägten chitinisierten Mundkapsel sein (Abb.5). Lungenwurmlarven besitzen einen filariformen (fadenförmigen) Ösophagus (Abb.6). ­Minimieren lassen sich solche Probleme durch die Untersuchung von rektal entnommenen oder frisch abgesetzten Kotproben.


Abb.5 Erdnematoden (unterschiedliche Größe; rhabditiformer Ösophagus mit Präbulbus, Pfeil)


Abb.6 Lungenwurmlarve (Dictyocaulus vivi­parus, Rind) mit filariformen Ösophagus (Pfeil)

Darmpassanten

Darmpassanten können Parasitenstadien sein, die zwar bei der Koproskopie in der Kotprobe gefunden werden, aber nicht zu diesem Wirt gehören. Manche Hunde fressen den Kot von anderen Tierarten, z.B. Kot von frei lebenden Enten. Im Entenkot sind häufig die Eier von entenspezifischen Trematoden enthalten, die dann den Verdauungstrakt des Hundes passieren und wieder ausgeschieden werden und dann beim Hund einen Leberegelbefall vortäuschen. Hier können die unterschiedlichen Größen der verschiedenen Trematodenarten bei der Diagnose eventuell helfen. Die Eier der häufig bei Enten parasi­tierenden Trematoden der Gattung Echinostoma (Abb.7) sind z.B. deutlich kleiner (80–120µm) als die Fasciola-Eier (130–150µm). Manche Hütehunde fressen gern Schafkot – die darin häufig enthaltenen Magen-Darm-Strongyliden-Eier werden dann als Hakenwurmbefall bei den Hunden interpretiert. Bei der richtigen Diagnose­findung kann hier ein Gespräch mit dem Besitzer über die Hundegewohnheiten sehr hilfreich sein.


Abb.7 Trematoden-Ei (Echinostoma sp., Ente) als Darmpassant bei einem Hund, der Entenkot gefressen hat

Häufig werden auch Eier von Schad­nagerparasiten als Darmpassanten gefunden. Mäuse und Ratten, gelegentlich auch Katzen – für welche die Futterkammern wegen der Mäuse sehr anziehend sind – koten in der Futterkammer in das Futter und auf diesem Weg gelangen deren Parasiteneier in Pferde- oder Wiederkäuerkotproben. So lassen sich z.B. die Funde von Trichuris-Eiern in Pferdekotproben erklären, da beim Pferd diese Wurmart nicht vorkommt (Abb.8).


Abb.8 Trichuris-Ei aus Pferdekotprobe (Darmpassant).

Mit Leberegeln befallene Lebern können bei Fleischfressern einen Leberegelbefall, der bei Hund und Katze nur selten tatsächlich vorkommt, vortäuschen, wenn diese befallenen Lebern verfüttert werden und dann die Eier von ­Leberegeln in der Fleischfresserprobe gefunden werden (Abb.9). Nach dem Fressen von Regenwürmern werden oft Gre­garinenzysten – Protozoen, die bei Regenwürmern und Insekten häufig vorkommen – im Kot anderer Tierarten als Darmpassanten gefunden, die mit Wurmeiern oder Kokzidien verwechselt werden können. Hier helfen die dann oft gleichzeitig zu findenden glasigen, wie das Integralzeichen geformten Borsten der Regenwürmer bei der korrekten Diagnose (Abb.10). Schon fast „klassisch“, weil sehr häufig vorkommend, sind die in Schlangenkotproben gefundenen langgestreckten Parasiteneier, die mit Wurmeiern verwechselt werden, bei denen es sich aber um Eier von bei Futtermäusen sehr häufig als Ektoparasiten auftretenden Milben der Gattung Myobia handelt (Abb.11). Bei der koproskopischen Diag­nostik gilt es bei der Beurteilung der gefundenen Entwicklungsstadien also stets an mögliche Pseudoparasiten zu denken, damit die richtige Diagnose gestellt werden kann, die zu einer erfolgreichen Therapie führt.


Abb.9 Eier vom Kleinen Leberegel (Dicrocoelium dendriticum) in einer Hunde­kotprobe nach Verfüttern einer mit Leberegeln befallenen Leber


Abb.10 Gregarinenzyste von einem Regenwurm (roter Pfeil) und „integralzeichen­förmige“ Borste eines Regenwurms (grüner Pfeil) als Darmpassanten


Abb.11 Milbenei (Myobia sp.) einer Futtermaus als Darmpassant in einer Schlangenkotprobe

take home

Mit den meist ohne großen Material- und Geräteaufwand durchzuführenden Methoden der Koproskopie lässt sich leicht die Forderung nach einer möglichst exakten Diagnose vor einer dann einzuleitenden zielgerichteten Bekämpfung des Parasitenbefalls erfüllen. Bei der Interpretation der Befunde sollte aber immer das mögliche Auftreten von „Pseudoparasiten“ beachtet werden. Solche Pseudoparasiten können z.B. Pollen oder andere Pflanzenteile, Erdnematoden oder Darmpassanten sein, die einen Parasiten­befall vortäuschen und zu einer falschen Diagnose und damit Therapie führen.

Literatur
[1] Kaplan, R.M. & Nielsen, M.K. (2010): An evidence-based approach to equine parasite control: It ain’t the 60s anymore. Equine Vet Education 22, 306–316

Stichwörter:
Pseudoparasiten, Fehldiagnosen, Parasitenbefalls, Endoparasitenbefall, Entwicklungsstadien, Kokzidienoozysten, Darmpassanten, Parasitenstadien, Gregarinenzyste, Koproskopie

HKP 8 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2013.
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