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HKP-3-2012 > Fledertiere

Fledertiere

Vielseitige Charakterköpfe

Die UNEP, die Naturschutzorganisation der Vereinten Nationen, hat 2011 und 2012 zu internationalen Jahren der Fledermäuse ausgerufen. Tatsächlich ist wohl nach wie vor keine andere Wirbeltiergruppe weltweit derart unverstanden sowie mit Vorurteilen und Aberglaube behaftet wie Flughunde und Fledermäuse.

Ob sie nun schön sind, darüber mag man streiten, aber wer sich die Mühe macht, hinzusehen, der schaut in faszinierende Gesichter. Manche sind einfach niedlich, andere zieren zum Teil bizarre Nasenaufsätze, deren Funktion genauso in der Echoortung liegt wie Ohren, teilweise so lang wie der ganze Körper (Abb. 3, 5). Mit 1.116 bekannten Arten sind Fledertiere (Chiroptera) die zweitartenreichste Säugetierordnung. Als einzige Säugetiere beherrschen sie den aktiven Flug. Und beherrschen trifft es gut: Manche Flughunde fliegen auf der Nahrungssuche kilometerweit übers Meer zu entlegenen Inseln. Langflügelfledermäuse eilen mit 70 km/h durch die Nacht, wogegen Langohren und Blumenfledermäuse im Rüttelflug punktgenau in der Luft stehen und Hufeisennasen im Senkrechtflug Hohlräume durchfliegen, die wenig breiter sind als die eigene Spannweite. Doch neben der Flugfähigkeit ist es auch schon weitgehend vorbei mit den Gemeinsamkeiten. Das kleinste Säugetier überhaupt ist die Hummelfledermaus mit einer Kopfrumpflänge um die 3 cm und 1,5 – 3 g Körpermasse. Dagegen wiegen manche Flughunde 1,5 kg und imponieren mit Flügelspannweiten von mehr als 1,5 m. Letztere finden ihren Weg durch die Nacht mit leistungsfähigen Nachttieraugen, die es mit denen jeder Eule aufnehmen können (Abb. 4). Die Echoortung nutzen nur wenige Flughundarten. Sie ist das Metier der Fledermäuse, die mittels des eigenen Ultraschalls in kompletter Dunkelheit noch haarfeinen Drähten ausweichen und selbst Spinnen als Nahrung erkennen, die wenige Zentimeter vor der Vegetation im Netz sitzen.

Spinnen und vor allem die unterschiedlichsten Insekten bilden die Nahrung der meisten Fledermausarten. Aber die Geschmäcker sind durchaus verschieden. Fledermausfutter hat nur eines gemeinsam: Es muss leicht verdaulich und energiereich sein. Klar, Flugbenzin eben. Und diese Grundeigenschaften finden Fledermäuse ja nach Art neben Insekten auch in Wirbeltieren vom Gecko über Kleinvögel bis zum Fisch sowie in zuckerreichen Früchten und Blütennektar.
Fliegen kostet viel Energie – dementsprechend groß ist der Appetit. Jede Nacht etwa die Hälfte des Eigengewichts muss es schon sein. Fledermauskolonien, die Millionen Tiere umfassen können, verzehren Nacht für Nacht Tonnen an Insekten (Abb. 6). Der große Hunger, gepaart mit hoher Mobilität, macht vegetarische Arten zu extrem guten Blütenbestäubern. Viele Wildbananen, Durian und Affenbrotbäume zum Beispiel öffnen deshalb nachts ihre Blüten. Die Fruchtfresser verbreiten ihre Nahrungspflanzen, indem sie ganze Früchte verschleppen und anderswo die Samen fallen lassen. Das funktioniert noch besser, wenn kleine Samen mitgefressen werden und nach Darmpassage wieder zum Vorschein kommen. Fledertiere tragen so maßgeblich zur Wieder bewaldung kahler Tropenflächen bei, denn anders als frugivore Vögel fliegen sie über Freiflächen hinweg und lassen hemmungslos im Flug Ballast ab (Abb. 1). Die evolutionären Wurzeln der Fledertiere liegen weit in der Vergangenheit. Ölschieferplatten der weltberühmten Grube Messel bei Darmstadt bergen Fossilien einer ganzen Fledermausartengruppe, die anatomisch rezenten Arten weitgehend gleicht, obwohl diese Tiere vor 50 Mio. Jahren lebten. Die ältesten Fledermausfossilien waren Zeitgenossen der Dinosaurier. Seitdem haben sie fast die ganze Welt besiedelt.
Die Artenzahl nimmt vom Äquator zu den Polen hin ab. Im tropischen Kolumbien sind 120 Arten bekannt. Ein paar wenige leben noch nördlich des Polarkreises.

Foto: © Dr. med. vet. Martin Straube

HKP 3 / 2012

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