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Mikrosporidien der Warmblüter

Mikrosporidien der Warmblüter

Ein Überblick

Mikrosporidien stellen einen sehr artenreichen Stamm dar, der früher den parasitischen Protozoen, mittlerweile aber den Pilzen zugeordnet wird. Insekten (einschl. Bienen), Fische, Reptilien, Vögel, Säuger- praktisch alle Tierstämme und der Mensch – können von diesen obligat intrazellulären Erregern befallen werden.

Neben der Encephalitozoon cuniculi-Infektion des Kaninchens gerät die Bedeutung von Mikrosporidien auch bei anderen Wirten immer mehr in den Fokus. Je nach Wirtsart und Immunitätslage verläuft dabei eine Infektion asymptomatisch oder resultiert in teils schweren Erkrankungen.
In der Humanmedizin bekamen Mikrosporidien durch die AIDS-Pandemie eine große Bedeutung als opportunistische Krankheitserreger. Die durch die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) verbesserte Abwehr der Patienten führte zwar zu einem Rückgang der durch Mikrosporidien bedingten Erkrankungen bei HIV-infizierten Personen in der westlichen Welt, Mikrosporidien sind aber noch immer gesundheitlich relevant. Weitere Risikogruppen stellen immunsupprimierte Patienten wie z.B. Empfänger von Organtransplantaten sowie Patienten mit Chemotherapie dar. Neben einer anthroponotischen Infektion werden bei vielen Mikrosporidienarten vor allem zoonotische Übertragungen in Betracht gezogen.
Im Folgenden wird ein Überblick zu den besonders für Säuger, Vögel und Reptilien relevanten Gattungen Encephalitozoon und Enterozytozoon gegeben. Danach werden speziell durch E. cuniculi verursachte Erkrankungen der Hausund Heimtiere beschrieben und auf den Zoonoseaspekt dabei eingegangen.
Zur Gattung Encephalitozoon gehören E. cuniculi, E. hellem, E. intestinalis und E. lacertae Dabei ist E. cuniculi am weitesten verbreitet und wurde neben Kaninchen bei zahlreichen weiteren Wirten nachgewiesen. Es sind vier genetisch unterschiedliche Stämme bekannt, die zwar Wirtspräferenzen, aber keine strikte Wirtsspezifität zu haben scheinen. Beispiele von den verschiedenen Wirten dieser Stämme sind in Tabelle 1 aufgeführt. Alle diese Stämme wurden auch schon bei Menschen nachgewiesen. Des Weiteren kommt E. cuniculi bei z.B. Pferden, Rindern, Schafen, Hasen, Robben und Reptilien vor.
E. hellem wurde erstmals bei Menschen als Erreger einer Keratokonjunktivitis beschrieben, im Folgenden aber vor allem bei Vögeln nachgewiesen, wo sie insbesondere bei Wildvögeln in Gefangenschaft unter anderem zu Enteritiden mit teilweiser hoher Mortalität führen können. Auch bei Affen, Hasen, Mäusen und Krokodilen ist E. hellem zu finden. Encephalitozoon intestinalis tritt bei Menschen, aber auch z.B. bei Rindern und Schweinen auf. Während E. intestinalis beim Menschen zu Enteritiden führen kann, verläuft eine Infektion bei Tieren meist asymptomatisch. Encephalitozoon lacertae wurde bisher nur bei Reptilien gefunden.


Enterozytozoon bieneusi ist die häufigste Mikrosporidienart des Menschen und insbesondere als Durchfallerreger bekannt. Mittlerweile zeigten Studien, dass auch zahlreiche Tiere mit diesem Erreger befallen sein können, überwiegend mit asymptomatischem Verlauf. Zwar lässt sich E. bieneusi in verschiedene Genotypen aufteilen, doch auch hier zeigen neuere Studien, dass diese Genotypen keine besonders große Wirtsspezifität haben.
Die generell geringe Wirstsspezifität aller oben beschriebenen Mikrosporidien macht sie als potenzielle Zoonoseerreger relevant.


Encephalitozoonose des Kaninchens

Entwicklungszyklus

Die Infektion erfolgt über die orale oder auch aerogene Aufnahme der Sporen. Zudem ist eine transplazentare Infektion möglich. Im Tier vermehrt sich der Erreger in verschiedenen Organen, hauptsächlich aber in der Niere und zeitlich verzögert im Gehirn. Eine Ausscheidung der Sporen erfolgt ab ca. einem Monat nach Infektion. Dabei werden die Sporen akut in großen, dann nur noch intermittierend in kleinen Mengen über den Urin ausgeschieden. Der Entwicklungszyklus ist in Abbildung 1 dargestellt.

Vorkommen

Kaninchenpopulationen sind weltweit mit E. cuniculi befallen. In einer kürzlich publizierten Prävalenzstudie in Deutschland waren z.B. 43 % aller untersuchten Kaninchen seropositiv. Wildkaninchen hingegen sind im Vergleich dazu erstaunlich selten mit E. cuniculi infiziert und daher wahrscheinlich keine wichtigen Reservoirwirte für diesen Erreger. Eine aktuelle Studie in Europa stellte Seroprävalenzen von durchschnittlich nur 1,42 % der 701 untersuchten Wildkaninchen fest, und viele andere Studien konnten gar keinen Befall feststellen. Infektionen mit E. cuniculi verlaufen überwiegend klinisch inapparent; wahrscheinlich, weil durch das Immunsystem eine Balance zwischen Parasit und Wirt hergestellt wird. Dabei kann die spezifische zelluläre Immunantwort den Erreger kontrollieren, während Antikörper keine protektive Wirkung haben. Immunschwächende Faktoren wie z.B. Stress können den Ausbruch einer Erkrankung triggern. Eine E. cuniculi-Infektion verläuft meist chronisch und es kann Monate bis Jahre dauern, bis Erkrankungen klinisch manifest werden. Die stärksten Läsionen sind in den Nieren und zeitlich etwas verzögert im Gehirn zu finden – mit der Folge einer granulomatösen Nephritis bzw. Encephalitis. Interessanterweise korreliert die Schwere der Läsionen nicht mit dem klinischen Bild. Erfolgt eine intrauterine Infektion, können in weiterer Folge auch okuläre Erkrankungen auftreten. Man nimmt an, dass der Erreger während der Embryonalentwicklung in die Linse der Frucht eingeschlossen wird.


Das typische klinische Bild wird durch neurologische Symptome wie Kopfschiefhaltung, Augenzittern und Kreisbewegungen (Vestibularsyndrom) und – wesentlich seltener – durch andere zentralnervöse Störungen bestimmt. Die chronische interstitielle Nephritis verläuft vielfach latent, nur selten kommt es zu einer Niereninsuffizienz. Ist das Auge betroffen, kann eine phakoklastische Uveitis auftreten.
Da diese Symptome aber nicht pathognomon sind, ist die Diagnose am lebenden Tier oft schwierig. Gleichgewichtsstörungen können z.B. auch in Folge einer Otitis media/interna entstehen. Beim Vorliegen entsprechender Leitsymptome im Zusammenhang mit einem positiven serologischen Befund und dem Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen kann jedoch eine Encephalitozoonose angenommen werden.
Der Erreger kann durch die Gabe von Fenbendazol gut bekämpft werden. Die Anwendung von Glucocorticoiden bei zentralnervösen Störungen wird aufgrund der immunsuppressiven Wirkung kontrovers diskutiert, wir empfehlen dies zurzeit nicht. Im seltenen Fall eines Nierenversagens ist meist keine Therapie mehr möglich, da die Schädigung der Niere zu diesem Zeitpunkt schon zu weit fortgeschritten ist. Bei Auftreten einer phakoklastischen Uveitis ist die Entfernung der Linse durch Phakoemulsifikation die Therapie der Wahl.

Encephalitozoonoseanderer Tiere

E. cuniculi kann Ursache von Katarakten und Uveitiden bei Hauskatzen, seltener auch beim Hund und eventuell auch anderen Tierarten wie z.B. Vögeln sein. Vermutlich erfolgt auch hier eine pränatale Infektion. Das bei Hunden vorwiegend in den USA beschriebene und häufig letal verlaufende, durch E. cuniculi hervorgerufene Encephalitis- Nephritis-Syndrom wurde bereits in Österreich beobachtet und ist bei entsprechenden Symptomen differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen.

Zoonoseaspekt

Insbesondere immungeschwächte Individuen können an einer Mikrosporidieninfektion erkranken. Da die Sporen überwiegend mit dem Urin infizierter Kaninchen ausgeschieden werden, sollte in solch einem Fall der Kontakt mit diesem Substrat vermieden werden. Kaninchen in Haushalten mit immunsupprimierten Personen sollten generell auf Zoonoseerreger untersucht werden. Eine akute Ausscheidung von Sporen mit dem Harn kann molekularbiologisch, eine stattgehabte Infektion serologisch festgestellt werden. Der prophylaktische Einsatz von Fenbendazol ist möglich, doch ist nicht bekannt, ob damit das Ausscheiden von Sporen vollständig verhindert werden kann. Für nicht immunsupprimierte Menschen wird die Gefährdung aber als gering eingeschätzt.

-> barbara.hinney@vetmeduni.ac.at

Foto: © istockphoto.com, GlobalP

HKP 1 / 2016

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2016.
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