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HKP-6-2011 > Ektoparasitenbefall

Ektoparasitenbefall

Sarcoptes und Demodex als Differenzialdiagnosen beim Pruritus des Hundes

Juckreiz ist eine der häufigsten Beschwerden in der dermatologischen Praxis. Neben Allergien und Flohbefall kommen auch Milben als Ursache von Hautveränderungen und Juckreiz infrage. Zwei mikroskopisch kleine Milben, die sich in der Haut aufhalten und den Wirt niemals freiwillig verlassen, sind die Räudemilbe Sarcoptes und die Haarbalgmilbe Demodex. Sie können ganz erhebliche Veränderungen der Haut verursachen. Damit sind die Gemeinsamkeiten der beiden Parasiten jedoch bereits erschöpft. Prof. Dr. Anja Joachim stellt zusammen mit Dr. Nadja Affenzeller beide Milbenformen vor.

Sarcoptes ist der Verursacher der echten Räude der Haustiere und der Krätze des Menschen. Die Erkrankung ist von einem äußerst starken Juckreiz gekennzeichnet und die befallenen Tiere zeigen oft eine entsprechende Unruhe und kratzen sich exzessiv, sodass es zu Hautabschürfungen und Verletzungen kommt. Die Infektion findet durch Körperkontakt statt, sodass sich Welpen beim Säugen an einem infizierten Muttertier anstecken können, ebenso können die Milben etwa beim Spielen mit anderen Hunden übertragen werden. Da Füchse oft mit diesen Milben befallen sind, besteht ein erhöhtes Risiko für Baujagdhunde. Die Räudemilbenweibchen leben in Bohrgängen der oberflächlichen Hautschichten und legen dort ihre Eier ab. Speichel und Kot der Milben verursachen eine allergische Reaktion mit Juckreiz, Haarausfall und – im Verlauf von Wochen und Monaten – eine borkige Verdickung der Haut. Hier sind vor allem der Kopf, die Ohren, Brust und Unterbauch sowie die Beine betroffen. Selbst in geringer Zahl können Sarcoptesmilben bereits eine hochgradige Erkrankung auslösen. Für den Nachweis der Infektion stellt dies oftmals ein Problem dar; prinzipiell sind die Milben zwar in einem Hautgeschabsel am Übergang zwischen verändertem und gesundem Hautgewebe zu finden, aber ein negativer Befund ist aufgrund der geringen Empfindlichkeit der Untersuchung nicht aussagekräftig. Eine Untersuchung auf Serumantikörper im Blut ist empfindlicher, allerdings kann die Bildung von Antikörpern bis zu fünf Wochen dauern. Hautbioptate sind meist nicht geeignet, um eine parasitologisch korrekte Diagnose stellen zu können; gelegentlich kann man jedoch Milbenteile in einem Bioptat finden, die diagnostisch aussagekräftig sind.

Behandlung

Wenn die Sarcoptesräude erst im chronischen Stadium diagnostiziert wird, gestaltet sich die Therapie oft sehr langwierig. Um möglichst schnell eine Besserung des Juckreizes und der Hautentzündungen zu erreichen, ist der Einsatz systemisch wirkender makrozyklischer Laktone wie Moxidectin (2,5 % Moxidectin in Kombination mit 10 % Imidacloprid) oder Selamectin als Spot-on dreimal im Abstand von zwei Wochen zu empfehlen. Auch Ivermectin gilt als gut wirksam, ist aber in dieser Indikation in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht zugelassen. Da die Sarcoptesräude äußerst ansteckend ist, müssen alle mit dem Patienten im selben Haushalt lebenden Hunde nach demselben Schema mitbehandelt werden. Um in der Umgebung befindliche Stadien der Milben abzutöten, sollten Bürsten, Hundebetten, Liegedecken usw. möglichst heiß gewaschen oder alternativ mindestens drei Tage bei –20 °C eingefroren werden. Oberflächen können mit Frontline-Spray behandelt werden.

Haarbalgmilbe Demodex

Demodex, die Haarbalgmilbe, zählt zur normalen Hautfauna des Hundes. Die Infektion findet unmittelbar nach der Geburt durch den engen Körperkontakt der säugenden Welpen mit der (infizierten) Mutter statt. Die Milben verbringen ihr Dasein ausschließlich in den Haarbälgen und überleben abseits ihres Wirtes nicht. In einigen Hunden kommt es zu einer massenhaften Vermehrung der Milben, wodurch die befallenen Haarbälge zerreißen und sich die Milben über den Blutstrom verbreiten. Ob es zu einem Ausbruch der Erkrankung kommt, hängt nach bisherigem Kenntnisstand einerseits von einer genetischen Disposition und andererseits von bestehenden Grunderkrankungen ab. Eine Rassedisposition wird aufgrund der Häufung z.B. von Möpsen als Demodikosepatienten vermutet. Eine klinische Ausprägung wird durch die übermäßige Vermehrung der Milben in den Haarbälgen verursacht, die sich dadurch ausdehnen, was eine Lockerung der Haarfollikel und den typischen Haarausfall zur Folge hat. Die erweiterten Haarbälge sind mit Talg und Zellresten angefüllt, was eine sekundäre Besiedelung der Haut mit Bakterien und Pilzen befördert. Pusteln und Furunkel, ähnlich einer schweren Akne beim Menschen, sind die Folge. Die Demodikose ist im Gegensatz zu anderen Ektoparasitosen nicht von starkem Juckreiz begleitet, jedoch können Sekundärinfektionen verstärkt Juckreiz verursachen. Die Diagnose der Demodikose erfolgt mittels Nachweis der zigarrenförmigen Milben in den Haarbälgen, wofür die Haut an den veränderten Stellen gequetscht und anschließend mithilfe eines tiefen Hautgeschabsels untersucht wird. Sehr zarte Hautpartien (Augenlider) werden durch Auszupfen von Haaren und Nachweis von Milben an der Haarwurzel untersucht. Bei einigen Rassen wie z.B. dem Shar Pei kann der Nachweis mittels Hautbiopsie besser gelingen als mit den vorgenannten Methoden.

Zwei Hauptformen

Man unterscheidet zwei Hauptformen der Demodikose, die lokale und die generalisierte Form, die in Ausprägung, Therapie und Prognose unterschiedlich sind. Je nach Alter des betroffenen Tieres spricht man von einer Jugend- (juvenile Demodikose) und einer Erwachsenenform (adulte Demodikose). Die Jugendform tritt meist lokal auf und ist in der Regel selbstheilend, wohingegen die generalisierte Form, vor allem wenn sie bei erwachsenen Hunden auftritt, einer oft langen und intensiven Behandlung bedarf. Die juvenile lokalisierte Form äußert sich in einigen wenigen haarlosen Stellen meist im Gesicht und an den Vorderbeinen, heilt mit begleitender Therapie, z.B. Waschungen mit einem mild desinfizierenden Shampoo, fast immer spontan ab. Wenn eine Generalisierung entsteht, besteht meist Behandlungsbedarf, wobei junge Hunde auf die Therapie fast immer besser ansprechen als erwachsene Tiere. Die generalisierende adulte Demodikose dagegen ist eine schwer wiegende Hauterkrankung, die unbehandelt tödlich enden kann. Zu Beginn zeigt sich lediglich Haarausfall oder vermehrte Talgbildung (Seborrhö) ohne Heilungstendenz; später kann aufgrund der Besiedelung mit Bakterien eine ausgedehnte und schmerzhafte Hautentzündung entstehen, die sich über den Kopf und die Brust auf den ganzen Körper ausbreitet. Die Heilung ist langwierig und erfordert eine intensive Therapie, die bis zu einem Jahr dauern kann. Betroffene Hunde müssen konsequent bis zur Milbenfreiheit in zwei aufeinander folgenden Untersuchungen (im Abstand von einem Monat) behandelt werden. Rückfälle sind fast immer auf ein zu frühes Ende der Behandlung zurückzuführen. Bei unvollständiger Ausheilung bleiben oft Entzündungen z.B. an den Pfoten zurück, in denen sich noch Milben befinden können. Die generalisierte Demodikose erwachsener Hunde tritt fasst immer im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, z. B. hormonellen Störungen oder Krebsleiden. Bei nicht behandelter Grund erkrankung ist die Aussicht auf eine dauerhafte Heilung der Demodikose schlecht.

Therapie

Zur Therapie der Demodikose eignen sich systemisch wirksame Akarizide, die allerdings wiederholt eingesetzt werden müssen. Neben den makrozyklischen Laktonen ist auch Amitraz als Waschlösung geeignet, jedoch ist das wöchentliche Waschen der Patienten mit einem vergleichsweise hohen Aufwand für den Besitzer verbunden. Moxidectin (in Verbindung mit Imidacloprid; s. Räudebehandlung) ist als spot-on-Lösung einfach zu applizieren und wird alle vier Wochen bis zum Ende der Behandlung angewendet. Milbemycinoxim ist ebenfalls wirksam, muss allerdings in Tablettenform täglich eingegeben werden. Wenn diese Medikamente keine befriedigende Wirkung zeigen, wird in der Praxis oftmals auf das für Hunde in dieser Indikation nicht zugelassene Ivermectin zurückgegriffen. Ivermectin, täglich oral eingegeben, gilt als hoch wirksam und bewirkt oft eine schnellere Besserung als andere Behandlungen, kann aber für Collies, Hütehunde und derenVerwandte toxisch sein. Es wird empfohlen, betroffene Hündinnen von der Zucht auszuschließen, um eine Übertragung auf die Welpen zu verhindern und um die Vererbung der genetisch bedingten Neigung zur Demodikose zu verhindern.

HKP 6 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2011.
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