Tierärzte & Kliniken
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Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns
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Tierschutzaspekte in der Mastputenhaltung
Tierschutzaspekte in der MastputenhaltungAlles Gute für die PutePutenfleisch gilt im Rahmen einer gesunden und bedarfsgerechten Ernährung nach wie vor als kalorienarmes, aber hochwertiges Nahrungsmittel. Anders als beim Masthuhn spielt die Vermarktung ganzer Schlachtkörper bei der Pute nur eine untergeordnete Rolle; überwiegend werden entweder ausgewählte Teilstücke oder Putenfleischprodukte vermarktet. Die gegenwärtig in Mastputenhaltungen dominierenden Puten entsprechen daher vorwiegend dem Zuchtziel der „schweren Zerlegepute“. Gerade bei diesen Mastputentypen, die zum Zeitpunkt der Schlachtung Lebendmassen von ca. 10 kg (Putenhennen, Alter ca. 16 Wochen) bzw. ca. 21 kg (Putenhähne, Alter ca. 21 Wochen) erreichen, sind Erkrankungen verbreitet, die neben anderen Organsystemen insbesondere die Haut und ihre Anhangsorgane betreffen. Rechtliche Aspekte Die Haltung von Mastputen wird generell durch das Tierschutzgesetz sowie die allgemeinen Vorschriften der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung geregelt. Anders als bei Legehennen und Masthühnern enthält diese jedoch keine spezifischen Rechtsvorschriften für die Putenhaltung. Daher wurden unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Jahr 1999 „Bundeseinheitliche Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Jungmasthühnern (Broiler, Masthähnchen) und Mastputen“ erarbeitet, die von Vertretern der Bundesländer und verschiedenen Tierschutzorganisationen sowie Geflügelwirtschaftsverbänden unterzeichnet wurden. Diese zurzeit in Überarbeitung befindlichen Richtlinien enthalten u. a. detaillierte Vorgaben zur tierschutzgerechten Haltung, Betreuung und Versorgung von Puten, den maximal zulässigen Besatzdichten, der Beschaffenheit der Einstreu und dem Umgang mit kranken Tieren sowie zur Sachkunde des Betreuungspersonals. Die Haltungsvereinbarungen sind nach Angaben des Verbands Deutscher Putenerzeuger für alle Mitglieder verbindlich und haben mittlerweile rechtsähnlichen Charakter für die Branche erlangt. Wissen schützt Tiere – Erhebungen zum Status quo Um das Tierschutzniveau im Bereich der Mastputenhaltung weiterhin nachhaltig verbessern zu können, gilt es vorrangig, für das Tierwohl wesentliche Haltungsfaktoren sowie das Bestandsmanagement zu optimieren. Hierzu bedarf es Indikatoren, anhand derer sich die Tiergerechtheit des Haltungssystems und des Haltungsmanagements beurteilen lässt. Dabei gehören Kontaktdermatitiden zu den sowohl aus ökonomischer Sicht als auch unter Tierschutzaspekten relevanten Krankheitsbildern. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen der deutschlandweiten Studie „ Indikatoren einer tiergerechten Mastputenhaltung“ 1 in den Jahren 2007 – 2009 die Prävalenzen von Pododermatitiden und Brusthautveränderungen bei konventionell gehaltenen Mastputen der Herkunft B.U.T. 6 untersucht. Die Dokumentation der Hautveränderungen und ihrer Ausprägungsgrade erfolgte dabei in mehreren Mastdurchgängen sowohl an lebenden Tieren im Bestand als auch im Rahmen der Fleischuntersuchung am Schlachthof. Die dabei erhobenen Befunde waren aufschlussreich, aber auch ernüchternd. Kontaktdermatitiden: „Berufskrankheiten“ von Mastputen?
Im Rahmen von klinischen Untersuchungen in der 6., 11. und 16. Lebenswoche (LW) an insgesamt 11.860 Mastputen (5.740 Hähne, 6.120 Hennen) konnten bei Puten aller 24 involvierten Mastbetriebe Veränderungen der Fußballenhaut festgestellt werden [1]. Der Ausprägungsgrad der Ballenveränderungen war in der Regel in der 16. LW prägnanter als in der 6. und 11. LW, jedoch konnten auch in der 6. LW bereits bei ca. 45 % der Individuen Epithelnekrosen dokumentiert werden. Ulzerationen der Sohlenhaut wurden in der 11. LW bereits mit Prävalenzen von 14,7 % bei Hähnen bzw. 25,7 % bei Hennen nachgewiesen (Abb. 1). Auch in der 16. LW waren weibliche Tiere (60,0 %) häufiger als Hähne (33,8 %) von Ballenentzündungen betroffen (Abb. 2). Bei der Beurteilung von 16.200 Schlachtkörpern (7.800 Hähne, 8.400 Hennen) aus zuvor klinisch untersuchten Herden konnten dann allerdings bei fast allen Individuen Ursachenanalyse Nach gegenwärtigem Kenntnisstand sind die Ursachen für pathologische Hautveränderungen nicht monokausal bedingt. Genetische Dispositionen infolge der Ausrichtung auf schnelle Gewichtszunahme und hohe Körpermasse können im Zusammenspiel mit hohen Besatzdichten und suboptimalen Haltungsbedingungen bei den Puten Bewegungsarmut und lange Liegedauern zur Folge haben. Diese Effekte müssen wiederum als Prädisposition für pathologische Hautveränderungen angesehen werden. Als wesentlicher Faktor für die Entstehung von Kontaktdermatitiden gilt vor allem eine mangelhafte Einstreuqualität, insbesondere eine zu hohe Einstreufeuchtigkeit. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass bereits Teilbereiche der Stallfläche mit hoher Substratfeuchte eine erhöhte Prävalenz von Ballenveränderungen bei Puten provozieren können [3]. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Prävalenzen hochgradiger Ballenveränderungen lassen sich u. a. auf die unterschiedlichen Individuendichten in der Hahnen- bzw. Hennenmast zurückführen. Der Kotanfall pro Flächeneinheit ist unter Zugrundelegung der üblichen Besatzdichten in der gesamten Haltungsphase bei Putenhennen deutlich höher als bei Putenhähnen. Die hieraus potenziell resultierende höhere Einstreufeuchtigkeit muss als eine Ursache für die höhere Prävalenz von Pododermatitiden in Hennenbeständen in Betracht gezogen werden. Pathologische Veränderungen der Brusthaut zeigten sich im Rahmen der Studie hingegen überwiegend bei Putenhähnen. Das höhere Körpergewicht der männlichen Tiere führt insbesondere in der Endphase der Mast zu längeren Liegezeiten und damit verbunden zu einer stärkeren Beanspruchung der Brustregion. „Fehlerfreundliche“ Zuchtausrichtung und Managementoptimierung Wenngleich sich im Rahmen der Studie sowohl zwischen den einzelnen Mastbetrieben als auch zwischen den Mastdurchgängen eines Betriebes teilweise große Unterschiede erkennen ließen, waren die Prävalenzen von Ballen- und Brusthautveränderungen vielfach als sehr hoch einzustufen. Durch den züchterischen Fortschritt in den letzten Jahren erfolgte bei den Tieren ein enormer, seitens der Putenmäster durchaus kritisch betrachteter Zuwachs an Lebendmasse. Neben dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit sind den Putenhaltern damit zumindest teilweise bezüglich einer tierschutzgerechten Haltung heutiger, in Deutschland eingesetzter Mastputenherkünfte auch durch die züchterischen Auswirkungen (hohes Mastendgewicht, unproportional hoher Brustmuskelanteil) deutliche Grenzen gesetzt. Eine Beeinflussung der Zuchtausrichtung auf nationaler Ebene ist andererseits nur indirekt durch das Verbraucherverhalten möglich, da die Mastputenzucht gegenwärtig weitestgehend im Wirkungsbereich ausländischer Tierzuchtunternehmen liegt. Nicht zuletzt stehen deutsche Mastbetriebe auch in starker Konkurrenz zu ausländischen Putenfleischerzeugern, weshalb Verbesserungen des Tierschutzniveaus nicht nur auf nationaler Ebene ansetzen dürfen, sondern auch auf internationaler Ebene erfolgen müssen. Quo vadis?
Eine Verbesserung der aus der Sicht von Tierschutz und Ökonomie problematischen Situation wird nur im Zusammenwirken zwischen der Optimierung von Tierhaltung und Management sowie einer tiergerechten Zuchtausrichtung erreichbar sein. Insbesondere vor dem Hintergrund unerwünschter, aber mit dem Zuchtziel korrelierender Selektionsfolgen ist daher künftig zu analysieren, wie eine Haltung schwerer Putenherkünfte in kommerziell ausgerichteten Betrieben ohne Ballen- und Brusthautveränderungen erreicht werden kann. Ungeachtet dessen gilt es bereits jetzt, Probleme in der Mastputenhaltung zu erkennen sowie Lösungsansätze zu entwickeln, um im Sinne des zum Verfassungsziel erhobenen Tierschutzes tätig zu werden.
Literatur
Fußnote Foto: © Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns |
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