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Wenn Ratten und Mäuse Nutztieren Probleme bereiten

Wenn Ratten und Mäuse Nutztieren Probleme bereiten

Die bei uns heute auftretenden Ratten und Mäuse stammen ursprünglich aus den Steppen Ostasiens. Man vermutet, dass sie mit dem Getreideanbau über Mittel- und Kleinasien sowie Südeuropa nach Mittelund Nordeuropa gelangten. Interessant ist, dass sie, mit wenigen Ausnahmen, unabhängig von ihrem geografischen Standort, meist im menschlichen Umfeld auftreten. Landwirtschaftliche Betriebe, besonders die Nutztierhaltung, bieten Wanderratten, Haus- und Feldmäusen sowohl im Sommer als auch im Winter geradezu ideale Lebens- und Entwicklungsbedingungen. Haben sich Schadnager jedoch erst einmal angesiedelt, wird man ohne Fachkenntnisse, Erfahrung und Konzept keinen nachhaltigen Erfolg bei Prophylaxe und Bekämpfung haben.

Allgemeines und Besonderes über Ratten und Mäuse

Wanderratten und Hausmäuse zählen beide zur Ordnung der Nagetiere (Rodentia) sowie zur Familie der Langschwanzmäuse (Muridae). Doch obwohl sie eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, sind ihre Lebensund Verhaltensweisen sehr unterschiedlich. Wanderratten sind ausgesprochen mobil, haben einen großen Aktionsradius und können mehrere Kilometer vom Bau zur Nahrungsquelle zurücklegen. Ihr sehr ausgeprägter Geruchssinn befähigt sie bei entsprechenden Windverhältnissen Nutztierstallungen selbst über weite Entfernungen zu registrieren. Wanderratten treten damit in erster Linie immer durch den aktiven Zulauf auf. Hausmäuse hingegen sind sehr territorial, haben einen kleinen Aktionsradius und Nest und Nahrungsquelle liegen oft nur wenige Meter voneinander entfernt. Sie treten daher in erster Linie über eine passive Verschleppung auf wie z.B. durch angekaufte Waren (Futtermittel, Saatgut etc.). Wanderratten kommen mit den klimatischen Bedingungen eines Winters auch im Freiland sehr gut zurechet. Hausmäuse gelten mehr oder weniger als domestiziert und sind an warme Bereiche innerhalb von Gebäuden gebunden, womit sie sich im Freiland nur in den warmen Sommermonaten bewegen. Sowohl Ratten als auch Mäuse leben in einem familiären Verbund, der von einem Männchen geführt wird. Während Wanderratten geschlechtsreife Männchen, die sich dem Oberhaupt unterzuordnen haben, in ihrem Rudel dulden, werden männliche Hausmäuse sofort nach Einsetzen der Geschlechtsreife aus dem Familienverbund vertrieben, was dann vielfach zu einer explosionsartigen Ausbreitung führt. Sobald die Wanderratte eine Nahrungsquelle akzeptiert hat, ist sie in der Lage, sich einzig von dieser Nahrungsquelle zu ernähren. Mäuse hingegen haben ein sehr unregelmäßiges Fressverhalten: Sie fressen 18bis 25mal am Tag an bis zu 30 verschiedenen Nahrungsquellen. Wasser ist bei Ratten ein lebenswichtiger Nahrungsbestandteil. Mäuse kommen ohne Wasser aus, solange die Nahrung mindestens 14 % Feuchtigkeit enthält. Die Vermehrungsraten von Wanderratten sind mit ca. 470 Nachkommen pro Weibchen und Jahr schon beachtlich. Von Hausmäusen wird dieses mit ca. 1.000 Nachkommen pro Mäusepaar und Jahr noch übertroffen, sodass ein Befall von Ratten oder Mäusen für einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Regel immer sehr schnell zum Problem wird.

Welche Gefahren gibt es?

Da Ratten und Mäuse in landwirtschaftlichen Betrieben als Nahrungskonkurrenten zu Mensch und Nutztier stehen, ist der durch Fraß bedingte Verlust nicht unerheblich. Tabelle 1 zeigt die Daten der ehemaligen ZMP (Zentrale Marktund Berichtstelle), die die Fraßverluste durch Nager im Jahre 2008 quantitativ beziffert hat. Qualitative Verluste (mangelnde Keimfähigkeit von Saatgut, Abnahme von qualitativen Eigenschaften in Futterund Lebensmitteln etc.) sind bei diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt. Da Nutztiere auf Schadnager, insbesondere bei hoher Populationsdichte, sehr sensibel reagieren, ist eine Verminderung der Ertragsleistung in Nutzund Zuchttierbeständen vorprogrammiert, was letztlich auch einen wirtschaftlichen Verlust darstellt. Speziell Schweine reagieren bei Befall von Schadnagern oft aggressiv und beißen die Schwänze der Artgenossen ab. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass sowohl Ratten als auch Mäuse pathogene Keime in Form von Viren und Bakterien verschleppen, Nutztiere infizieren können und damit auch als Verursacher von Tiererkrankungen wie Salmonellose oder Maulund Klauenseuche gelten. Tabelle 2 bietet einen Überblick zu den an Ratten gefundenen Krankheitskeimen. Auch Mäuse fallen immer wieder bei Salmonelleninfektionen auf. Nur ein winziger Krümel Mäusekot kann bis zu 10.000 Salmonellenerreger enthalten und nur eine einzige Maus scheidet pro Tag ca. 50 Kotkrümel aus. Die Infektionsgefahr darf bei Ratten und Mäusen in Nutztierbeständen keineswegs verharmlost werden, zumal Salmonellenbakterien selbst 140 Tage nach Kotausscheidung noch infektiös sind. In jüngster Vergangenheit sorgte die durch Schadnager auf den Menschen übertragene Hantavirusinfektion für Schlagzeilen. 2010 meldete das RobertKochInstitut (RKI) einen drastischen Anstieg der Infektionen um das 10Fache (2.000 Fälle) gegenüber dem Vorjahr. 2012 wird laut RKI mit einer noch höheren Fallzahl zu rechnen sein. Zwar sind vornehmlich Rötelund Waldmäuse mit dem Virus infiziert, dennoch sollten Ratten, Feld und Hausmäuse im landwirtschaftlichen Umfeld nicht ausgeschlossen werden. Ob und inwieweit eine Übertragung auch auf Nutztiere erfolgen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Daraus resultiert, dass die Ratten- und Mäuseprophylaxe in keiner Nutztierhaltung infrage gestellt werden darf – zumal diese auch vom Gesetzgeber gefordert wird. Die Praxis zeigt, dass die Schädlingsprophylaxe generell im landwirtschaftlichen Bereich, bis auf wenige Ausnahmen, vernachlässigt oder ganz ignoriert wird. Maßnahmen gegen Schädlinge werden meist nur anlassbezogen umgesetzt.

Der beste Schutz gegen Schadnagerbefall

Ein erster wichtiger Schritt in der Prophylaxe ist, Mäusen und Ratten den ungehinderten Zulauf in die Gebäude zu verwehren. Türen und Tore in Ställen, Scheunen sowie sonstigen Wirtschafts- und Wohngebäuden sollten geschlossen sowie nach unten dicht abschließbar sein. Im zweiten Schritt sollte man, soweit machbar, die Nahrungsquellen für die Schadnager eliminieren. Offen gelagertes Futtermittel oder Saatgut stellt für Ratten und Mäuse wichtige Nahrungsquellen dar. Selbst die Reinigung von Futterschalen und -trögen kann das Nahrungsangebot minimieren. Darüber hinaus ist ein wachsames Auge wichtig, denn Ratten und Mäuse verraten ihre Anwesenheit sehr schnell durch Kot, Lauf- und Fraßspuren. Abbildung 4 zeigt Fußspuren von Ratten, während auf Abbildung 5 Kot- und Urinspuren von Mäusen zu sehen sind. In der professionellen Prophylaxe sollte man um die Gebäude herum Rattenköderboxen platzieren und mit Köderblöcken bestücken, die die Fraßspuren deutlich machen. Da Hausmäuse vornehmlich im Innenbereich von Gebäuden auftreten, ist eine Platzierung von Mäuseköderboxen in Scheunen, Ställen etc. sinnvoll. Auch hier wird man wieder über die Fraßspuren den Befall feststellen und lokalisieren können. Diese Köderboxen müssen regelmäßig kontrolliert werden. Ebenso sollte man die Grundstücksgrenzen, insbesondere die zu Nachbarhöfen, regelmäßig auf Laufspuren hin kontrollieren, da Ratten gerne von einem Hof auf den anderen wechseln. Feldmausbauten und -laufwege in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gehöft und/oder Gebäuden sollten kritisch beobachtet werden, denn die Feldmaus betritt zur Nahrungssuche auch gerne das menschliche Umfeld. Wanderratten sind an ihren Eingängen zu ihren unterirdischen Rattenbauten gut zu erkennen.

Die Bekämpfung

Bei der Bekämpfung ist man auf Rattenund Mäuseköder angewiesen, die es in unterschiedlich Wirkstoffen und Darreichungsformen (Parafinblöcke, Pasten- oder Granulatköder) gibt. Ausgelegt werden diese Köder wiederum in Köderboxen, die vor unbefugten Zugriff geschützt sein müssen. Allen am Markt befindlichen Ködern gemein ist, dass sie blutgerinnungshemmende Wirkstoffe (Antikoagulantien) enthalten, die erst um einige Tage verzögert zum Tod führen. Ein ganz bewusst gewählter Mechanismus, denn die alten Akutgifte mit sofort einsetzender Wirkung haben gezeigt, dass die Tiere das Risiko erkannt und den Köder nicht mehr angenommen haben. Ratten sind neuen Nahrungsquellen gegenüber ausgesprochen argwöhnisch, sodass es bis zur Köderannahme dauern kann. Mäuse sind zwar weniger kritisch, dafür aber bei der Nahrungsauswahl ausgesprochen wählerisch, sodass auch hier nicht gleich der erste Köder erfolgreich sein muss. Hinzu kommt, dass Mäuse eine Vielzahl von Nahrungsquellen bevorzugen, was auch bei der Beköderung berücksichtigt werden muss. Einen Köder für alle Fälle gibt es nicht. Im schlechtesten Falle muss man so lange verschiedene Köder anbieten, bis eine Annahme erfolgreich ist. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, welche Ködermengen der verschiedenen Wirkstoffe aufgenommen werden müssen, um eine letale Dosis zu erreichen. Die Tabellen 3 und 4 bieten diesbezüglich einen Überblick. Interessant ist, dass Mäuse für Difenacoum weitaus empfänglicher sind als Ratten. Für die Bekämpfung hilfreich ist, das parallel existierende Nahrungsangebot zu eliminieren. Auf jedem Fall muss das bei Kälbern und Ferkeln eingesetzte Aufzuchtfutter für Ratten und Mäuse unzugänglich sein, da es Vitamin K enthalten kann, das ein natürliches Gegenmittel (Antidot) zu den im Köder enthaltenen Wirkstoffen ist. Silage bereitet ebenso Probleme bei der Bekämpfung von Schadnagern, denn hier wird beim Gärungsprozess ebenfalls Vitamin K gebildet. Auf keinen Fall sollten Mäuseund Rattenköder neben stark riechenden Substanzen wie Herbiziden, Fungiziden, Öl oder Diesel gelagert werden, weil der Köder den für die Nager negativen Geruch annimmt und damit unattraktiv wird. In trockenen Bereichen wie Scheune oder Getreidelager können Köder auf Wasserbasis sinnvoll sein, da sie der Ratte das Wasser bieten, das sie in ihrer täglichen Nahrung benötigt. Bei Mäusen wiederum ist das zwecklos. Zeigt die Bekämpfung Erfolg, kann es durchaus sein, dass man tote Ratten und Mäuse auf dem Hof oder im Umfeld findet. Diese müssen mit Handschuhen in der Mülltonne beseitigt werden. Keinesfalls dürfen sie auf den Misthaufen geworfen werden. Stellt man fest, dass die eigenen Maßnahmen nicht greifen, sollte man nicht lange herumexperimentieren, sondern professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen.

take home

Befall von Ratten und Mäusen führt gerade in der Nutztierhaltung nicht nur zu wirtschaftlichen Verlusten, sondern kann darüber hinaus auch Tierkrankheiten oder Tierseuchen verursachen. Prophylaktische Maßnahmen sind in der Praxis noch die Ausnahme. Wird ein Befall jedoch frühzeitig erkannt, kann größerer Schaden immer verhindert werden, womit die Schadnagerprophylaxe in der Nutztierhaltung gewissermaßen auch der Krankheits- und Seuchenprophylaxe dient. Zur Bekämpfung stehen effizient wirkende Antikoagulantien mit verschiedenen Wirkstoffen zur Verfügung.

HKP 2 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2013.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.