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Vernünftig impfen

Vernünftig impfen

Idealer Schutz für die Katze

Katzen sollten bedacht und vernünftig geimpft werden. Das fordert Frau Prof. Katrin Hartmann, Klinikvorstand der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktorin des Zentrums für Klinische Tiermedizin München. hundkatzepferd sprach mit der renommierten Fachfrau, deren Forschungsschwerpunkte Infektionskrankheiten bei Katze und Hund sind.

Gegen welche Krankheitserreger sollte der Tierarzt Katzen impfen?

Bei vielen Impfungen kommt es darauf an, wie die Katze gehalten wird und wie alt sie ist. Allerdings gibt es drei Krankheitserreger, gegen die jede Katze geimpft werden sollte, unabhängig von Haltung und Alter: das feline Panleukopenievirus, das feline Herpesvirus sowie das feline Calicivirus. Gegen diese sollten also auch reine Wohnungskatzen geschützt sein. Denn die Viren können vom Tierhalter leicht in die Wohnung eingeschleppt werden. Freilaufende Katzen sollten nach gesetzlicher Tollwut-Verordnung zusätzlich einen aktiven Tollwutschutz vorzuweisen haben. Und je nach Lebensumständen, Alter und epidemiologischer Situation kann eine ­Impfung gegen weitere Erreger wie gegen das feline Leukämievirus (FeLV) oder Chlamydia felis sinnvoll sein. Im Impfgespräch ermittelt der Tierarzt, welche Impfungen individuell zu empfehlen sind. Zum einen muss er vom Besitzer erfahren, wie die Katze lebt, zum anderen sollte er die epidemiologische Situation beachten.

Das Calicivirus ist sehr mutationsfähig. Wie kann eine optimale Kreuzimmunität gewährleistet werden?

Eine optimale Immunität gegen Caliciviren wird man nie erreichen. Da die Caliciviren leicht mutieren, gibt es sehr viele verschiedene Virusstämme. Mit der Impfung schützt man immer nur vor einem Teil dieser Stämme. Daher ist es wichtig, dass man einen Impfstoff wählt, der möglichst neue Stämme enthält, die gegen Feldstämme getestet sind und sicherstellen, dass möglichst viele dieser Feldstämme durch das Impfvirus neutralisiert werden. Alte Impfstoffe schützen zum Teil nur vor etwa einem Drittel aller im Feld vorkommenden Stämme.


Katzen sollten beispielweise in die Extremitäten geimpft werden,
nicht zwischen die Schulterblätter

Was bedeutet es, wenn Expertengremien empfehlen, so wenig wie nötig zu impfen?

Potenziell kann jede Impfung Nebenwirkungen haben. Die heutzutage auf dem Markt befindlichen Impfungen haben sehr wenige Nebenwirkungen. Dennoch sollte man ein Tier nicht gegen eine Virusinfektion impfen, die es bereits gehabt hat. Zudem müssen viele Katzen, die als Welpe optimal gegen Katzenseuche geimpft wurden, im Alter nicht mehr unbedingt dagegen geimpft werden. Um das herauszufinden, kann man Antikörper bestimmen und dann entscheiden, ob die Katze in dem Jahr geimpft werden muss oder nicht. Diese Vorgehensweise ist eine Neuerung der modernen Tiermedizin. Gegen die viralen Erreger des Katzenschnupfens ist bei den meisten Katzen, abhängig von der individuellen Situation, eine Impfung, die alle drei Jahre aufgefrischt wird, ausreichend. Mitt­lerweile sind Herpes- und Calicivirus-Impfstoffe mit einer zugelassenen Immunitätsdauer von bis zu drei Jahren verfügbar.

Was beinhaltet eine optimale Impfung als Welpe?

Maternale Antikörper, welche die Welpen passiv durch die Muttermilch in den ersten Lebenstagen erhalten, können eine adäquate Immunantwort auf eine Impfung behindern. Diese Antikörper spielen vor allem bei der Impfung gegen Panleukopenie eine Rolle. In der Länge der Persistenz maternaler Antikörper gibt es große individuelle Unterschiede. Die maternalen Antikörper sind bei vielen Katzenwelpen noch bis über die zwölfte Lebenswoche hinaus vorhanden. Einzelne Welpen sind jedoch bereits ab einem Alter von weniger als acht Wochen nicht mehr ausreichend durch diese passive Immunität geschützt. Um möglichst viele Tiere ausreichend zu schützen, sollte daher eine optimale Grund­immunisierung in der sechsten bis achten Lebenswoche beginnen und im drei- bis vierwöchigen Abstand bis zu einem Alter der Welpen von mindestens 16 Wochen, eventuell sogar bis zur 20. Lebenswoche, wiederholt werden. Eine Grund­immunisierung bis zur 16. Woche wird auch in den Leitlinien der StiKoVet empfohlen. Wie ebenfalls diesen Leitlinien zu entnehmen ist, wird eine korrekte Grundimmunisierung erst nach der erneuten Impfung nach einem Jahr abgeschlossen.

Wohin sollten Impfungen bei der Katze am besten erfolgen?

Wohin geimpft werden sollte, hängt mit einer Nebenwirkung zusammen, die bei der Katze auftreten kann: das so genannte Feline Injection Site Sarcoma, kurz FISS. Dieser Tumor entsteht aus einer Entzündung in der Haut an einer Injektionsstelle. Ein FISS ist ein unangenehmer Tumor, weil er weitläufig unter der Haut wächst und schwer zu operieren ist. Daher sollte die Injektionsstelle bei der Katze so gewählt werden, dass, falls ein FISS entsteht, dieses chirurgisch gut entfernt werden kann. Das bedeutet: Niemals zwischen die Schulterblätter oder in die seitliche Brustwand injizieren! Geeignete Injektionsstellen sind die seitliche untere Bauchwand und vor allem die Extremitäten. Eine neue amerikanische Studie zeigt sogar, dass auch der Schwanz eine potentiell geeignete Injektionsstelle darstellt. Die Katzen in dieser Studie entwickelten eine gute Immunität, wenn sie in den Schwanz geimpft wurden. Allerdings ist die ­Datenlage für eine grundsätzliche Empfehlung noch nicht ausreichend, aber es ist auf alle Fälle ein erster Ansatz, der weiter verfolgt werden sollte – und möglicherweise eine Alternative für die Zukunft.

Wodurch wird ein Fibrosarkom ausgelöst?

Grundsätzlich kann jede Injektion oder auch Verletzung bei der Katze eine Entzündungs­reaktion auslösen, die zur Entstehung eines FISS führen kann. Dabei führen adjuvanshaltige Impfstoffe häufiger zu Entzündung. Adjuvantien lösen gewollt eine Entzündung an der Injek­tionsstelle aus, damit die Erregerbruchstücke in der Impfung vom Körper wahrgenommen werden. Dies ist aber gerade das Dilemma, weil die Entzündung in der Haut später zum Tumor entarten kann. Man braucht einerseits Impfstoffe, die wirken, andererseits führen die Adjuvantien zu Entzündungen, die dann potenziell einen Tumor auslösen können.

Wie häufig tritt das feline Fibrosarkom auf?

Dazu gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Die meisten epidemiologischen Studien besagen bei 1 von 5.000 bis 1 von 10.000 Impfungen. Eine amerikanische Studie hat in Kooperation mit Tierärzten untersucht, welche Ursachen zur Entstehung dieser Tumoren führten. Von etwa 200 Katzen, die diesen Tumor entwickelten, hatte über die Hälfte nachweislich eine Impfung an der betroffenen Stelle erhalten.

Senken adjuvansfreie Impfstoffe das Risiko eines Fibrosarkoms?

Ja, davon geht man aus. Denn adjuvansfreie Impfstoffe lösen eine viel geringere Entzündungsreaktion aus – wie eine englische Studie belegt. Nach einer Impfung mit Adjuvantien wiesen die untersuchten Gewebeproben eine Entzündung sogar noch nach 62 Tagen auf. Das bedeutet: Wann immer der Tierarzt die Wahl hat, sollte er sich bei der Impfung der Katze für einen Impfstoff ohne Adjuvantien entscheiden.

Beeinträchtigt die Adjuvansfreiheit die Wirksamkeit der Impfungen?

Die adjuvansfreien Impfstoffe auf Kanarien­pockenbasis funktionieren sehr gut, wie vergleichende Untersuchungen z.B. zur FeLV-Impfung zeigen. Bei diesen Impfungen bedient man sich eines „Tricks“. So wird die DNA der relevanten Antigene – z.B. das Glykoprotein G des Tollwutvirus – in das Kanarienpocken-Virus eingebaut. Dieses dient als Vektor. Es schleust die DNA des Antigens in die Zelle der Katze. Dort wird dann das Antigen exprimiert und auf der Zelloberfläche dem Immunsystem präsentiert. So wird dem Immunsystem eine Infektion vorgetäuscht. Infolgedessen kommt es einerseits zu einer humoralen und andererseits auch einer zellulären Immunantwort. Auf diese Weise kann auf die Verwendung von Adjuvantien verzichtet werden.

Viele Tierhalter sind verunsichert, ob sie ihre Katze impfen lassen sollen. Wie kann der Tierarzt am besten diese Angst nehmen?

Diese Unsicherheit sollte auf keinen Fall dazu führen, dass die Besitzer ihre Tiere nicht mehr impfen lassen. Denn dann werden wieder viel mehr Tiere an schweren Infektionskrankheiten sterben. Wir können Epidemien nur verhindern, indem wir impfen. Es geht bei der Katze also vor allem darum, genau zu überlegen, welche Impfungen notwendig sind. Der Tierarzt sollte sich Zeit nehmen, um den Tierbesitzer über die notwendigen Impfungen aufzuklären. Er sollte mit ihm gemeinsam besprechen, welche Impfun­gen für das individuelle Tier wirklich notwendig sind. Denn die Überlegung, keine Impfung zu geben gegen eine Krankheit, die tödlich sein kann, ist auf keinen Fall eine Option. Impfen – ja, auf jeden Fall, aber bedacht und vernünftig.

Frau Prof. Dr. Hartmann, vielen Dank für das Gespräch.

take home

Eine gute Grundimmunisierung ist essentiell zum Schutz der Katze vor epidemiologisch bedeutsamen Krankheitserregern. Sowohl der Impfbedarf als auch die folgende Impfhäufigkeit sollten an die indi­viduellen Lebensbedingungen angepasst werden. Dabei gilt es Katzen möglichst gewebeschonend zu impfen.

Foto: © panthermedia.net | pyotr021

HKP 7 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2015.
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„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.