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Cattitude

So lernen Katzen ihren Tierarzt lieben

In den letzten 20 Jahren haben Katzen und Katzenbesitzer im tierärztlichen Alltag stetig an Bedeutung gewonnen. Tierärzte haben verstanden: „Katzen sind keine kleinen Hunde.“ Diese Weisheit bezieht sich nicht nur auf Verhalten und Krankheiten. Dr. Angelika Drensler über die besondere Stressempfindlichkeit der Katze, die den Besuch in der Tierarztpraxis zu einem pathophysiologischen Desaster werden lassen kann.

Angst und Stress weiten nicht nur die Pupillen und lassen Puls, Temperatur und Blutdruck steigen, sondern führen innerhalb weniger Minuten zu Cortisolausschüttung, Blutzuckeranstieg, Leukozytose und Lymphopenie. Diese und weitere Veränderungen haben einen äußerst negativen Einfluss auf die Gesundheit und den Therapieerfolg. In England sind deshalb reine Katzenpraxen Realität und haben großen Erfolg. Auch in Deutschland macht dieses Praxismodell nun Schule. Wenn man soweit nicht gehen will, kann man mit unterschiedlich großem Aufwand viele Schritte unternehmen, um eine katzenfreundliche Praxis zu kreieren.

Anmeldung und Wartezimmer

Die Stressvermeidung beginnt bei der Anmeldung. Eine gut organisierte Terminsprechstunde minimiert die Wartezeiten. Während der Wartezeit können die Stressfaktoren verringert werden. Katzenkörbe, die auf dem Fußboden stehen und Hunde, die daran schnüffeln – eine Szene, in der man keine Katze sein möchte. Kleine Tischchen, Bänke oder Regale, auf die die Katzenkörbe während der Wartezeit gestellt werden können, schaffen Abhilfe. Getrennte Wartezimmer sind der Goldstandard, aber natürlich nicht in jeder Kleintierpraxis zu realisieren. In größeren Wartezimmern bietet die Aufteilung in Katzen- und Hundeecke durch Raumteiler eine Alternative. Es gibt auch das Modell, zeitlich getrennte Katzen- und Hundesprechstunden anzubieten.

Untersuchung und Behandlung

Im Behandlungsraum können kleine Änderungen eine große Wirkung haben. Wenn möglich, sollten klingelnde Telefone aus diesem Zimmer verbannt werden. Scharf riechende Reinigungsmittel sind zu meiden und nach der Desinfektion des Behandlungstisches kann mit klarem Wasser nachgewischt werden. Ein Edelstahltisch sollte mit einer Matte oder einem frischen Handtuch abgedeckt werden. All das vergrößert die Bereitschaft der Katze, neugierig wie sie ist, aus freien Stücken ihren Korb zu verlassen. Diese Zeit lässt man ihr, während man sich mit dem Besitzer über die Anamnese unterhält. Bei jungen Tieren wirken Leckerlies Wunder und können Tierarztakzeptanz für ein ganzes Katzenleben verankern.
Sehr ängstlichen Katzen kann man eine weiche Decke zum Verstecken während der Untersuchung anbieten. Mein persönlicher Tipp ist viel Körperkontakt mit der Katze auf dem Tisch. Sie ist ängstlich und meist dankbar für jede Art von Unterschlupf. Die Untersuchung wird ruhig mit fließenden Bewegungen durchgeführt, kann von Streicheln oder sanfter Massage/Touch begleitet werden und sollte vom fortgeführten Gespräch mit dem Besitzer oder dem Sprechen mit der Katze untermalt sein. Dabei sind hektische Bewegungen und laute Geräusche zu vermeiden. Mitarbeiter sollten sich angewöhnen, leise in die Räume einzutreten. Bei Maßnahmen, die für die Katze unangenehmer sind (Blutentnahme, Blasenpunktion, Röntgenuntersuchung), gibt man ihr Zeit, sich an die veränderte Situation oder Lage zu gewöhnen. Auch hier sind ruhige Bewegungen aller Beteiligten wichtig. Kreisende Massagebewegungen oder sanftes Klopfen mit den Fingerspitzen auf der Stirn der Katze ersetzen den Nackengriff, was einem nicht nur die Katzen, sondern auch ihre Besitzer danken. Bei der Venenpunktion kann man auf den Stauschlauch und das schmerzhafte Einklemmen von Haaren verzichten, indem man die Helferin stauen lässt. Dabei bildet sie für die Katze eine Höhle, in der sie sich geborgen fühlen kann.
Bei länger dauernden Behandlungen auf dem Tisch (z.B. Infusionen) hat sich bei uns ein 30 x 50 cm großer Weidenkorb mit 15 cm hohem Rand bewährt. In diesen steigen die Katzen freiwillig ein und wirken deutlich entspannter als auf dem Tisch. Zum Scheren von Fell ohne Narkose (z.B. zur Ultraschalluntersuchung) benutzen wir kleine, sehr leise Schergeräte, die von den Katzen gut toleriert werden.
Aggressivität einer Katze in der Tierarztpraxis hat nur einen Grund: Angst. Wenn man während der Untersuchung feststellt, dass die Katze trotz aller Vorsicht in Panik verfällt und ohne Zwangsmaßnahmen nicht adäquat zu untersuchen oder zu behandeln ist, ist es sinnvoll, mit dem Besitzer über die Möglichkeit einer Sedierung zu sprechen. Mit Medetomidin haben wir in diesen Fällen die angenehmsten Erfahrungen.

OP und Station

Sowohl in der Einschlaf- als auch in der Aufwachphase sollte man, wenn möglich, alle Faktoren ausschalten, die die Angst des Patienten Katze schüren. Auch hierbei sollten Katzenkörbe weder auf dem Fußboden noch in Sicht- und Hörweite zu Hunden stehen.
Zur stationären Unterbringung sind getrennte Katzen- und Hundestationen wünschenswert. Bei der Einrichtung einer Katzenstation sollte man allerdings beachten, dass diese Patienten auch durch nervöse Artgenossen gestresst werden. Blickkontakt zwischen einzelnen Katzenboxen muss also vermieden werden. Falls einer der Patienten trotz aller Vorsichtsmaßnahmen laut und aggressiv reagiert, muss dieser in einem anderen Raum (z.B. Quarantänestation) untergebracht werden, damit eine „Massenhysterie“ verhindert wird.
Eine Katzenbox hat genügend Raum für ein Klo, einen Liegeplatz mit Höhle und einen Futterplatz. Idealerweise wird ein Teil der Front mit einem Tuch abgehängt, um der Katze eine Intimsphäre zu gewährleisten. Pheromone (z.B. Feliway Dispenser) sind eine sinnvolle Ergänzung unseres Katzen-Wellnessprogramms.
Das Wichtigste bei der stationären Unterbringung einer Katze ist die persönliche Pflege und Zuwendung, die diese durch das Praxis-/Klinikpersonal erfährt. Es gibt sicher in jedem Team Mitarbeiter, die „Katzenmenschen“ sind. Diesen sollte man die Betreuung der Katzenstation übertragen. Katzen müssen häufig zum Fressen im wahrsten Sinne des Wortes überredet werden. Sie benötigen deutlich mehr liebevolle Fürsorge und Streicheleinheiten als Hunde, um mit der Situation zurechtzukommen, sind nach entsprechenden Verwöhneinheiten aber in den meisten Fällen bereit, Futter aufzunehmen.

Tipps für die Besitzer

Eine aggressive Katze in einem Weidenkorb in Höhlenform – jeder von uns hat schon davor gestanden und hilflos mit den Schultern gezuckt. Dieser Katze können wir nicht helfen. Der Besitzer sollte bei der Wahl eines neuen Katzentransportkorbes vom Tierarzt beraten werden. Ideal sind Kunststoffkörbe, bei denen einfach der Deckel geöffnet werden kann.
Diese können schon zuhause durch ein Pheromonspray (Feliway-Transport) attraktiv gestaltet werden. Eine weiche Decke oder ein Handtuch zum Verstecken sollten nicht fehlen. Dass Katzen während der Autofahrt häufig schreien oder jammern, ist normal und sollte auch für den Besitzer kein Grund zur Sorge sein. Katzen, die an lange Autofahrten (z.B. Urlaubsreisen) gewöhnt sind, sind völlig ruhig.
Wenn eine Katze eines Mehrkatzenhaushaltes vom Tierarztbesuch nachhause kommt, kann der Besitzer die Wiedereingliederung erleichtern, indem er alle Katzen abwechselnd besonders im Wangen- und Flankenbereich streichelt, um Heim- und Fremdgerüche zu vermischen.

a.drensler@t-online.de

HKP 1 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2010.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.