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Wie die Darmentzündung beim Hund von der Psyche beeinflusst wird

Vom Kopf in den Bauch

Die Studie, die im März 2013 in der Revue de Médecine Vétérinaire in Frankreich (http://www.revmedvet.com/2013/RMV164_145_149.pdf) erschienen ist, deutet auf neue Ursachen der in den industrialisierten Ländern am häufigsten auftretenden Darmentzündung beim Hund hin. 15% der Hunde werden an der Vetsuisse Fakultät Bern ihretwegen euthanasiert.

Beim Menschen werden Morbus Krohn und die ulzerative Kolitis unterschieden, beim Hund spricht man von IBD, intestinal bowel disease. Genannte Ursachen sind erhöhte Reaktion auf Futterinhaltsstoffe (food responsiv enteropathy FRE), eine erhöhte Darmpermeabilität (protein loosing enteropathy PLE), auf Antibiotika empfindliche Diarrhö (antibiotic responsiv diarrhea) sowie die idiopathische Darmentzündung. Der psychologische Faktor wird erwähnt, doch keine wissenschaftlich fundierte Erklärung konnte bis jetzt geliefert werden – abgesehen davon, dass Stress und Unbehagen die Entwicklung der Erkrankung beim Menschen beeinflussen. Die Behandlung beschränkt sich nach wie vor auf Elimina­tionsdiät, Kortison und Immunosuppressiva.

Die Studie untersuchte, ob Angststörungen (anxiety) beim Hund eine mögliche Ursache oder ein unterstützender Faktor für die Entwicklung einer IBD sein kann. IBD wurde als idiopathische, nach Exklusion diagnostizierte Erkrankung definiert, die keine ulzerative histiozytäre sowie auf Antibiotika empfindliche Kolitis ist sowie auf Entzündungshemmer, Zytostatika und Diät nicht positiv geantwortet hat. Die häufigste klinische Form der IBD ist die lympho-plasmozytäre Form, die durch Erbrechen, Durchfall, Gewichtsverlust, Tenesmus sowie Appetitschwankungen charakterisiert wird. Die am meisten betroffenen Rassen sind Deutsche Schäferhunde, Shar Pei, Französische Bulldoggen und Basenjii.

Widersprüchliche Studien

Im ersten Teil der Arbeit wurde das Thema bibliografisch beim Menschen und beim Hund beschrieben. Die Schlussfolgerung ist, dass sich viele Studien widersprechen. Klar ist, dass die Erkrankung nicht nur unter Befall eines Antigens vorkommt, auch das Immunsystem des Wirtes muss angeschlagen oder unfähig sein, das Antigen zu erkennen. Immerhin übernimmt das intestinale lymphatische System (GALT) 50% der gesamten immunologischen Antworten des Körpers. Normalerweise werden die Antigene ausgemerzt oder toleriert, um keine überschießenden Entzündungen zu generieren. Die Deregulierung des GALT ist somit ein Schlüsselfaktor im Entstehen von lokalen oder systemischen Infektionen. Deshalb können psychologische, die Immunität beeinflussende Faktoren immun­assoziierte Erkrankungen auslösen oder fortschreiten lassen. Antidepressiva oder Verhaltenstherapien werden bei empfindlichen Menschen bereits eingesetzt.

Im zweiten Teil wird untersucht, ob Hunde vor der Erkrankung an IBD ängstlich waren. Angst ist beim Hund eine Reaktion, die sich mit Aggression, neurovegetativen Äußerungen und Übergangshandlungen äußert. Stress resultiert daraus. Wenn Stress die Anpassungsfähigkeit des Individuums übersteigt, entstehen somatische Krankheiten. Das Stressniveau der Hunde wurde dank der ETEC.Tabelle von Dr. P. Pageat gemessen. 57 an IBD erkrankte Hunde und 40 gesunde Kontrollhunde wurden dank Befragung der Besitzer untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass unter Angst leidende Hunde signifikant mehr an IBD erkranken als normale Kontrollhunde. Zwanzig Hunde der IBD-Gruppe waren ängstlich (37.7%), fünf in der Kontrollgruppe (12.5%) und 19 hatte Phobien (zehn in der Kontrollgruppe). Rassen und Alter waren in der IBD- und der Kontrollgruppe nicht signifikant verschieden.

Der Darm ist wie beim Menschen Sitz des Immunsystems und der bis heute noch nicht gänzlich erforschten Zusammen­hänge zwischen Psyche, Neurologie, Endo­krinologie und Immunologie. Stress oder Angst fördert die Ausschüttung von Mediatoren durch die Hypothalamus-Neben­nieren-Achse und/oder den Sympathikus, welche das endokrine und immunologische System beeinflussen. Dies be­deutet, dass der psychische Faktor eine weitaus größere Rolle spielt als bisher vermutet und Hunde mit psycho-neuroimmunologischen Erkrankungen anders behandelt werden sollten als nur rein körperlich.

take home

Die Ergebnisse enthüllen bei vielen IBD-Hunden ein emotionelles Ungleichgewicht. Die hohe Anzahl der Angststörungen in der Kontrollgruppe lässt auf verschiedene Verhaltensstörungen schließen, die eine noch bessere Kenntnis der Hundeethologie voraussetzen. Auch der genetische Faktor spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Hund unterscheidet sich ethologisch in der Tat sehr vom Menschen und Missverständnisse sind häufig, auch wenn der Hund eine außerordentliche Adaptationsfähigkeit aufweist. Biopsychosoziale Modelle erlauben es zu untersuchen, inwiefern verschiedene kausale Faktoren miteinander verbunden sind und erfordern eine ­engere Zusammenarbeit zwischen Forschern, Tierärzten und Verhaltensmedizinern. Die Haltung der Hunde, die Kommunikation zwischen den Spezies, das Umfeld, alle beeinflussen sie das Gemüt der Vierbeiner, die genau wie Menschen auch unter psychischen Störungen leiden und in der Folge körperlich erkranken können.

Stichwörter:
Studien, anxiety, Antidepressiva, Verhaltenstherapien, Hundeethologie,

HKP 1 / 2014

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