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Meggi - ein Hund macht Schule

Meggi - ein Hund macht Schule

Tiergestützte Pädagogik an der Grundschule Süd-West in Eschborn

„Hallo, Meggi!“ schallt es allmorgendlich durch die Flure, wenn die schwarze Labradorhündin schwanzwedelnd das Gebäude der Grundschule Süd-West in Eschborn betritt. Seit fast zwei Jahren begleitet sie täglich meine Arbeit als Förderschullehrerin, um positiv auf die Lernatmosphäre und die sozial-emotionale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler einzuwirken. Die Idee, einen Therapiehund in der Arbeit mit Grundschülern einzusetzen entstand bereits zwei Jahre zuvor. In der Planungsphase musste zunächst geklärt werden, ob Kollegium, Eltern und Schulamt hinter diesem ungewöhnlich anmutenden Projekt stehen. Es gab jedoch keine Bedenken, so dass nach einem geeigneten Hund und einer Ausbildungsstätte gesucht werden konnte. Wir hatten großes Glück: eine ortsansässige Firma sponserte das Projekt „Schulhund“ und die Blindenführhundschule „Blickpunkt“ in Bad König erklärte sich bereit, einen geeigneten Hund zu suchen und auch dessen umfassende Ausbildung zu einem Therapiehund zu übernehmen. So lernte Meggi in ihrem ersten Lebensjahr neben den Regeln des Grundgehorsams kleine Tricks und Aufgaben, wie zum Beispiel auf Kommando Karten aus einer Papprolle zu ziehen, zu würfeln oder eine Schleife durch zwei Menschenbeine zu laufen. Ihr ruhiges und freundliches Wesen sowie die hohe Toleranz der Hündin gegenüber hoher Lärmbelastung, unkontrollierten Bewegungen und spontanen Berührungen eignen sich besonders für den Einsatz in unserer Grundschule. Es ist eine Schule, in der Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung von der ersten bis zur
vierten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Die Beschreibung eines Schulvormittags der Hündin macht deutlich, wie facettenreich die Arbeit im Bereich der tiergestützten Pädagogik ist und vor allem welche Wirkung sie bei Kindern mit Problemen im Lernen oder im Verhalten hervorrufen kann.

Meggi – unser Klassenhund

7.50 Uhr
Meggi betritt mit mir die Klasse 2b, in der bereits einige Kinder gemeinsam spielen und plaudern. Der Unterricht hat noch nicht begonnen. Die Schülerinnen und Schüler im Alter von 7 bis 9 Jahren sind sichtlich erfreut über Meggis Anblick: „Komm, leg Dich zu uns!“ Meggi lässt sich auf den Teppich fallen, Kinderhände kraulen ihr den Bauch. Über das gemeinsame Interesse am Tier fällt es den Kindern leicht, untereinander in Kontakt zu kommen. Sie erleben, dass es der Hündin egal ist, wie jemand aussieht oder spricht. Vor allem Kinder mit einem schwierigen familiären Hintergrund suchen die Nähe zu dem Tier. Sie spüren, dass sie ohne Vorbehalte angenommen werden und schöpfen aus den Berührungen und der Wärme Kraft für den anstehenden Schulvormittag.

Für alle gibt es Regeln

8.15 Uhr
Meggi liegt auf ihrer Decke. Für die Kinder bedeutet das: Nicht anfassen, nicht rufen. Hier hat der Hund seine „Auszeit“ und möchte in Ruhe gelassen werden. Nach einigen Minuten steht Meggi jedoch auf, schüttelt sich kurz und schlendert durch den Klassenraum. Kinderaugen verfolgen den Weg der Hündin und während die Schüler weiterhin aufmerksam zuhören, streift die eine oder andere Hand den Rücken des Tieres, bis es sich zu Füßen eines Auserwählten niederlässt. Lennart, ein Junge mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernhilfe, soll eine Schreibaufgabe an der Tafel lösen. Aufgrund seiner Sprachprobleme hat er große Hemmungen, sich vor den anderen Kindern zu äußern. Ich frage: „Wie wäre es, wenn Meggi dir den Buchstaben bringt und du hängst ihn an die richtige Stelle?“ Auf den Befehl „Bring!“ hebt Meggi mit der Schnauze einen Schaumstoffbuchstaben vom Boden auf und legt ihn Lennart zu Füßen. Dieser gibt dem Hund voller Stolz ein Leckerchen als Belohnung und ist nun ohne Zögern bereit, die Aufgabe zu lösen und das vollständige Wort der Klasse vorzulesen.

Meggi-Stunde

10.00 Uhr
„Habe ich heute Meggi-Stunde?“ Noch vor einigen Monaten wäre es nicht vorstellbar gewesen, dass Aaron diese Frage stellt. Er wartet vor dem Klassenzimmer, bis er Meggi an der Leine in einen separaten Raum führen darf. Aaron – ein autistischer Junge - lebt oftmals in einer “eigenen Welt” und reagiert auf Ansprache selten direkt und zielgerichtet. In den ersten Stunden mit der Therapiebegleithündin hatte er noch große Angst vor dem Tier und schaffte es kaum, sich mit ihr in einem Raum aufzuhalten. Heute äußert er den Wunsch, Meggi zu bürsten. Dadurch entsteht eine Verbindung zwischen dem Jungen und dem Tier, ohne dass er es berühren muss. Den direkten Kontakt stellt er noch nicht zu Meggi her, es ist jedoch ein großer Fortschritt, dass er mittlerweile diese geringe Distanz zulassen kann. Aaron konzentriert sich voll und ganz auf die Bewegungen mit der Bürste auf dem Hundefell – und Meggi genießt es sichtlich. Andrea, die Integrationshelferin von Aaron, ist immer wieder überrascht, wie gelöst und locker Aaron nach diesen „Meggi-Stunden“ ist: „Ich kann mich dann richtig gut mit Aaron unterhalten und er ist bereit, im Unterricht mitzuarbeiten.“

Mit Meggi unterwegs

11.00 Uhr
„Ich glaube, Paolo braucht mal eine Auszeit“ Meine Kollegin ist sichtlich erschöpft, nachdem sie den x-ten Konflikt mit Paolo an diesem Tag besprochen hat. Für Paolo, einem Jungen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Erziehungshilfe, vergeht selten ein Schulvormittag, an dem er nicht mit anderen Kindern und Lehrern in Streit gerät. „Wie wäre es, wenn Du mich und Meggi beim Gassigehen begleitest?“, frage ich. Paolo ist sofort einverstanden, auch er spürt, dass er es – trotz größter Bemühungen – nicht mehr gut mit zwanzig anderen Kindern im Klassenraum aushält. Meggi wartet ruhig, bis Paolo sie angeleint hat und verlässt mit ihm das Schulgebäude in Richtung des nahe gelegenen Parks. Immer wieder wandert der Blick der Hündin zu mir: ich signalisiere durch meine Ruhe, dass alles in Ordnung ist und sie sich von Paolo führen lassen kann. Paolos Konzentration wiederum ist voll und ganz bei Meggi. Er spürt, wie das Tier ihn annimmt und auf seine Anweisungen reagiert. Und er spürt, dass das nur funktioniert, solange er achtsam mit der Hündin umgeht und ihre Bedürfnisse respektiert. Mit dieser positiven Erfahrung kann er zurück in die Gruppe gehen – und vielleicht überträgt Paolo etwas davon auf den Umgang mit seinen Mitmenschen.

Feierabend

13.30 Uhr
Für Meggi geht ein arbeitsreicher Schulvormittag zu Ende. Trotz früher Prägung auf das Umfeld Schule, intensiver Ausbildung und mittlerweile angereicherter Erfahrung ist die Arbeit mit vielen Kindern für die Hündin nach wie vor herausfordernd. Ich biete ihr einen entsprechenden Ausgleich am Nachmittag, mit Spielen, Toben und weiten Spaziergängen. Zudem achte ich genau auf Stressanzeichen, um zu vermeiden, dass die Hündin überfordert wird. Bisher beobachte ich jedoch täglich, mit wie viel Spaß und Motivation sich Meggi auf die Kinder einlässt und die „Arbeit“ regelrecht einfordert. In den Ferien wird es deutlich: sie sitzt jeden Morgen aufmerksam vor ihrer „Spielzeugtruhe“ und wartet darauf, dass ich endlich anfange, ihr eine Aufgabe zu geben. Meggi ist zu einem festen Bestandteil meiner Tätigkeit als Lehrerin geworden. Auch ich profitiere von ihrer Anwesenheit, ihrer Ruhe, dem kurzen Streicheln des weichen Fells in besonders anstrengenden Situationen. Tiergestützte Pädagogik als Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern den Spaß am Lernen und an Schule zu erhalten bzw. überhaupt zu vermitteln, ist in meinen Augen eine Form, die sich sehr bewährt. Manche Prozesse werden zielgerichtet angeregt, andere geschehen fast nebenbei, manche sind deutlich erkennbar, andere bleiben im Innern des Kindes verborgen - in jedem Fall bestätigen sie immer wieder die positive Wirkung eines Therapiehundes im Unterricht. Meggi wird die Arbeit von Pädagogen nicht ersetzen, aber sie ergänzt und bereichert sie und damit den Schulalltag der Kinder - täglich aufs Neue.

D.Naegele@grundschule-sued-west.de

HKP 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2009.
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.