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Nur Schnipp Schnapp??

Nur Schnipp Schnapp??

Kastration des Rüden nach Vorbehandlung mit dem Suprelorin®-Implantat

Es wurden 15 gesunde Rüden – durchschnittliches Gewicht 22kg (10–48kg); durchschnittliches Alter drei Jahre (zwei bis sechs Jahre) – nach Implantation eines Suprelorin®-Implantats (4,7mg Deslorelinacetat, Virbac Animal Health) kastriert. Der Zeitpunkt der Kastration lag im Durchschnitt sechs Monate (zwei bis acht Monate) nach der Implantation. Suprelorin® ist zur ­vorübergehenden Unfruchtbarmachung beim gesunden Rüden zugelassen. Die Wirkdauer beträgt ca. sechs Monate.

Die Implantationsstelle lag subkutan zwischen den Schulterblättern. Die Rüden wurden maximal viermal mit einem Suprelorin®-Implantat bis zur Kastration behandelt. Bei allen Rüden konnte eine Reduktion der Größe der Hoden und des Skrotums um ca. zwei Drittel zum Zeitpunkt der Kastration festgestellt werden – auch wenn die Implantation länger als sechs Monate zurücklag.

Operation

Die Rüden wurden mit 1–2mg/kg KGW Xylazin prämediziert. Nach dem Einlegen eines ­Venenkatheters wurde die Narkose mithilfe von bis zu 4,0mg/kg KGW Propofol vertieft. Die Narkosetiefe wurde kontinuierlich überprüft und bei Bedarf mit einem Propofolbolus von ca.1mg/kg KGW aufrechterhalten. Eine Lokal­anästhesie der Testikel/des Samenstrangs, verbunden mit einer Schnittlinieninfiltration mittels Lidocain, wurde als zusätzliche analgetische Maßnahme ergriffen. Eine Maximaldosis von 2–4mg/kg Lidocain/kg KGW darf hierbei nicht überschritten werden. Präemptiv wurde Carprofen in einer Dosierung von 4mg/kg KGW gegeben.

Unmittelbar präskrotal wurden ein ca. 1,5–2cm großer Hautschnitt angelegt und ein Hoden in Richtung Incision verlagert (Abb.1 und 2). Nach stumpfer Durchtrennung des Binde­gewebes konnte der Hoden unter mäßigem Druck bedeckt vorgelagert werden. Das Ligamentum scroti wurde stumpf durchtrennt und das dem Processus vaginalis anhaftende Bindegewebe wurde mit einem Tupfer zurückgeschoben (Abb.2 und 3). Der bedeckte Samenstrang wurde nunmehr mittels doppelter Ligatur (PGA, geflochten, 3/0 USP kleine Rüden oder 0 USP große Rüden) ligiert (Abb. 4). Alternativ wurde der Samenstrang mit einem ThermoStapler® thermisch „verschweißt“. Die Technologie erlaubt einen Gefäßverschluss durch Denaturierung von Kollagen und Elastin. Auch der Processus vaginalis wird hierdurch verschlossen (Abb.5 und 6). Der Samenstrang wurde – vor dem Zurückgleitenlassen in den Leistenspalt – auf Blutungen kontrolliert (Abb.7). Der Wundverschluss erfolgte routinemäßig – zuerst in der Tiefe, dann in der Unterhaut und durch eine intrakutane Hautnaht (Glykonat, monofilament 4/0USP; Abb. 8). Die Wunde wurde postoperativ für ca. 30–40min mit einem Kühlgelkissen gekühlt, um Wundschwellungen und Häma­to­men vorzubeugen. Bei Bedarf wurde die Aufwachphase unter Verwendung von 20–40µg/kg KGW Atipamezol verkürzt. Postoperativ wurden 4mg/kg KGW Carprofen als Analgetikum für zehn Tage eingesetzt. Bei Bedarf wurde ein Halskragen oder ein Hundeshirt zur Leckprophylaxe verwendet. Die Hunde verließen ca. drei bis vier Stunden nach dem Eingriff im ­wachen Zustand die Praxis. Wundkontrollen­ ­erfolgten routinemäßig am Tag 1 und Tag 10 nach der Operation (Abb.9 und 10). Die Bild­dokumentation zeigt einen typischen Verlauf.


Abb.1: Präskrotaler Hautschnitt


Abb.2: Testikel vorgelagert, man beachte das Ligamentum scroti rechts


Abb.3: Beide Testikel vorgelagert, Samenstränge frei präpariert


Abb.4: Doppelte Ligatur beider Samenstränge


Abb.5: Alternativ: ThermoStapler® zum thermischen „Verschweißen“ des Samenstranges


Abb.6: 2 Thermische Siegelzonen nach dem Einsatz des ThermoStaplers®


Abb.7: Kontrolle des Samenstranges auf Blutungen


Abb.8: Wunde verschlossen, Labrador, 35kg, Größenvergleich mit einer (desinfizierten) Münze


Abb.9: Situation 24h nach der OP, keine Hämatome oder Schwellungen


Abb.10: Situation am Tag 10 nach der Operation

Ergebnisse

Die Wundheilungsphase verlief bei allen Rüden komplikationslos. In 70% der Fälle war kein, in 30% der Fälle nur ein geringes postoperatives Hämatom zu verzeichnen. In keinem Fall kam es zu Einblutungen oder einer Serombildung im leeren Skrotum. Die Halter beschrieben den Eingriff als wenig belastend für das Tier.

Diskussion

Es gibt grundsätzlich zwei Indikationsbereiche, warum Rüden kastriert werden. Medizinische Indikationen sind u.a. das Vorliegen einer benignen Prostatahyperplasie, einer chronischen Prostatitis, einer Perinealhernie, eines benignen Perianaldrüsentumors oder von Hodentumoren. Häufiger jedoch wird die Kastration vom Besitzer gewünscht, um Untugenden (Streunen, ­Aggressivität, Markieren von Objekten, Aufreiten, übermäßiges Temperament, Hypersexu­alität) zu beseitigen. Nicht alle Untugenden sind jedoch testosteronabhängig und können somit durch eine Kastration behoben werden. Eine Vorbehandlung mithilfe eines Suprelorin®-Implantats erlaubt es gut zu beurteilen, ob durch die Kastration die gewünschte Ver­haltensänderung erzielt werden kann, da die Testosteronwerte auf nahezu 0ng/ml absinken. Enttäuschungen nach durchgeführter Kastration können so vermieden werden. Ebenso wird einem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes Rechnung getragen, nämlich keinerlei unnötige Eingriffe/Amputationen an Tieren vorzunehmen. Es sei darauf hingewiesen, dass eine Kastration „zur weiteren Nutzung oder Haltung“ gemäß Tierschutzgesetz eine Einzelfallprüfung durch den behandelnden Tierarzt erforderlich macht.

Die Kastration des Rüden als in erster Linie elektiver Eingriff sollte so komplikationslos wie möglich verlaufen. Eindrucksvoll beschreibt Müller (2004; http://www.muellerheinsberg.de/Kastration_und_Skrotektomie_web.pdf ) mögliche Risiken und Nebenwirkungen, die in erster Linie in Wundheilungsstörungen durch Serombildung bestehen und empfiehlt eine Kastration nur mit Skrotektomie zur Vermeidung von Hohlräumen vorzunehmen. Unter Therapie mit Suprelorin® kommt es sowohl zu einer signi­fikanten Größenverminderung der Testikel als auch des umgebenden Skrotums. Hierdurch können mit einem extrem kleinen präskrotalen Schnitt die Hoden entfernt werden. In 70% der Fälle war kein, in 30% der Fälle nur ein geringes postoperatives Hämatom neben dem Präputium zu verzeichnen. In keinem Fall kam es zu nennenswerten Einblutungen oder einer Serom­bildung ins leere Skrotum. Insgesamt erscheint der Eingriff – aus Sicht der Besitzer – wenig belastend für das Tier. Die Operationszeit verkürzt sich nach Einschätzung des Autors um ca. 30%.

take home

Die Kastration des Rüden nach Implanta­tion eines Suprelorin®-Implantats bietet nach Einschätzung des Autors viele Vorteile. Zunächst kann gut beurteilt werden, ob gewünschte Verhaltensänderungen eintreten oder nicht. Enttäuschungen werden vermieden und der Tierarzt erfüllt mit ­Sicherheit alle Anforderungen des Tierschutzgesetzes. Die Operation kann in einem hohen Maß atraumatisch und komplikationsarm durchgeführt werden. Von der verkürzten OP-Zeit profitiert der Pa­tient ebenso. Als idealen Operationszeitpunkt erachtet der Autor ein Zeitfenster von ca. drei bis fünf Monaten nach Behandlung mit dem Suprelorin® Implantat.

Alle Dosierungsangaben nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Gewähr.

Die Operation als Video finden Sie unter:
https://www.youtube.com/watch?v=QUiQBWFkVcU

Literatur und weitere Informationen beim Autor

Foto: © istockphoto.com| fotojagodka

HKP 7 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2015.
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