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Parasitologie - Interview mit PD Dr. Dr. habil. Dieter Barutzki

Entwurmungsstrategie

Lungenwurminfektionen bei Hunden in Deutschland sind häufiger als bisher angenommen. Die beiden Lungenwurmarten Angiostrongylus vasorum
(Französischer Herzwurm) und Crenosoma vulpis haben sich in Deutschland regional etabliert. HundKatzePferd sprach mit dem Leiter vom Tierärtzlichen Labor in Freiburg, Herrn PD Dr. Dr. habil. Dieter Barutzki über diese bedrohliche Gefahr
für Hunde und über die Handlungsmöglichkeiten von Tierärzten.

Herr Dr. Dr. Barutzki, Lungenwurminfektionen bei Hunden in Deutschland treten häufiger auf als bisher angenommen. Sie fanden in Ihrer Studie Larven von Angiostrongylus vasorum (Französischer Herzwurm) und Crenosoma vulpis in 7,4 bzw. 6,0 % der Kotproben von 810 untersuchten Hunden mit ungeklärter Lungensymptomatik. Wie bewerten Sie diese Ergebnisse und welche Schlüsse müssen Tierärze daraus ziehen?

Für Infektionen mit A. vasorum und C. vulpis wurde bislang angenommen, dass sie bei Hunden in Deutschland entweder nicht oder lediglich vereinzelt in eng begrenzten endemischen Gebieten fokal vorkommen oder als Reiseerkrankungen im Ausland erworben werden. Diese Meinung hatte sich in den letzten Jahren gebildet, nachdem lediglich vereinzelt Fallberichte über Lungenwurminfektionen bei Hunden vorgestellt worden waren und routinemäßig durchgeführte Kotuntersuchungen wie z.B. bei 8431 Hunden in den Jahren 1999 bis 2002 im Tierärztlichen Labor Freiburg niedrige Prävalenzen von 0,1 % für A. vasorum und 0,3 % für C. vulpis ergeben hatten (Barutzki und Schaper 2003). Dementsprechend wurde ein Befall mit C. vulpis lediglich bei 0,6 % von 1281 im Institut für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover untersuchten Hunden nachgewiesen, A. vasorum konnte nicht festgestellt (Epe et al. 2004) werden. Mit den von Taubert et al. (2009) vorgelegten Ergebnissen wurden erstmals höhere Befallsraten publiziert und konnten in Kotproben von 958 Hunden mit klinischen Symptomen bei 1,2 % A. vasorum und bei 2,4 % C. vulpis nachgewiesen werden. Diese neuen und die vorliegenden Daten zeigen eindeutig, dass Lungenwurminfektionen bei Hunden keine Seltenheit sind, sondern im Gegenteil in Deutschland mittlerweile wesentlich weiter verbreitet vorkommen als ursprünglich angenommen und eine erhebliche Gefahr für Hunde darstellen. Für praktische Tierärzte/-innen bedeutet diese Erkenntnis, dass bei Hunden mit diagnostizierten respiratorischen Symptomen immer auch eine Infektion mit A. vasorum und C. vulpis als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden muss. Da A. vasorum in der Arteria pulmonalis und zu einem geringeren Anteil in der rechten Herzkammer siedelt, sollte bei jeder kardiopulmonalen Symptomatik auch an eine Angiostrongylose gedacht werden.

Gibt es innerhalb Deutschlands regionale Unterschiede?

Die aktuell von Barutzki und Schaper (2009) veröffentlichte Studie belegt anhand epidemiologischer Daten, die mithilfe eines geografischen Informationssystems (GIS) ausgewertet wurden, dass beide Lungenwurmarten in Deutschland endemisch sind, großflächig vor allem in den südlichen und westlichen Gebieten Deutschlands vorkommen und sich möglicherweise in Richtung Norden und Osten des Landes ausbreiten. Im Einzelnen zeigt die Georeferenzierung der Tierhalterdaten, dass die meisten Infektionen mit A. vasorum in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland und in begrenzten endemischen Gebieten in Bayern, Sachsen und Brandenburg auftreten. Das Vorkommen von C. vulpis ist weitläufiger verteilt, aber ebenfalls hauptsächlich auf Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen konzentriert.

Welche Ursachen gibt es für diese Ausbreitung?

In Deutschland wächst die Population an potenziell empfänglichen Füchsen und auch Marderhunde und Waschbären kommen als Wirte in Betracht. Klimatische Veränderungen mit zunehmend moderaten Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit bilden ein ideales Klima für die Entwicklung von Schnecken, die im Lebenszyklus der Lungenwürmer und bei der Übertragung auf den Endwirt eine wichtige Rolle spielen. Vermehrte Reisen von Hundebesitzern gemeinsam mit ihren Tieren und das Verbringen von Hunden in endemische Gebiete des Aus- und Inlands und wieder zurück haben sicherlich einen Anteil an der Ausbreitung dieser Parasitosen. Die teilweise noch unzureichende Kenntnis über die Präsenz dieser Nematoden in Deutschland kann in Einzelfällen zu einer inadäquaten Behandlung der Infektionen und so zu einer weiteren Streuung und Ausbreitung der Parasiten führen. Da das Zwischenwirtsspektrum für Lungenwürmer sehr breit ist und sich zahlreiche Gastropoden-Arten infizieren lassen, haben diese Nematoden ein erhebliches Potenzial, sich rasch auszubreiten und in bislang lungenwurmfreien Gebieten neu anzusiedeln.

Welche klinische Relevanz besitzen A. vasorum und C. vulpis für den Hund?

Für C. vulpis liegen nur wenige Beschreibungen der klinischen Veränderungen vor. Wanderlarven führen in der Leber zu herdförmigen Nekrosen, die sich innerhalb weniger Tage zurückbilden. In der Lunge verursachen präadulte und adulte Stadien eine eosinophile Bronchiolitis und Bronchitis, die das Lungenparenchym einbeziehen und eine Bronchopneumonie auslösen können. Bei einem Befall mit A. vasorum stehen kardiopulmonale Symptome wie Husten, Dyspnoe und Belastungsschwäche im Vordergrund. Diese Symptomatik wird durch entzündliche Prozesse hervorgerufen, die sich als Antwort auf die abgesetzten Eier der Weibchen und wandernde Larven aus der Arteria pulmonalis in die Alveolen ergeben. Als zweite wichtige klinische Manifestation ist eine schwer wiegende Koagulopathie zu nennen, deren Ursache bis heute nicht eindeutig geklärt ist und die sich in Form von
subkutanen, mukosalen und inneren Blutungen, Nasenbluten und Bluthusten äußern kann. Seltener treten neurologische Symptome auf, die durch zerebrale Hämorrhagien, Wanderlarven und/oder eine zerebrale Hypoxie bei Kardiopathien ausgelöst werden. Durch Obstruktion der Pulmonalarterie kann A. vasorum vereinzelt Synkopen mit
Kollaps des Hundes induzieren. Darüber hinaus sind auch plötzliche Todesfälle beschrieben.

Welches Vorgehen empfehlen Sie für die Diagnostik im Hinblick auf Lungenwürmer?

Für den schnellen und sicheren Nachweis einer Lungenwurminfektion bei Hunden ist die Untersuchung auf Lungenwurmlarven im Kot zu empfehlen. Das Larvenauswanderverfahren nach Baermann- Wetzel stellt hierbei den Goldstandard dar, ist hoch sensitiv, einfach zu handhaben und das Mittel der Wahl. Bei Verwendung von Kotproben, die an 3 aufeinander folgenden Tagen gesammelt und gemeinsam untersucht werden, besteht eine sehr hohe Nachweissicherheit. Der Einsatz von Sammelkotproben erlaubt eine sichere Diagnose auch dann, wenn die Erstlarven (L1) von Lungenwürmern nicht kontinuierlich und nur vereinzelt ausgeschieden werden. Zudem lassen sich mit diesem Nachweisverfahren auch die verschiedenen bei Hunden vorkommenden Lungenwürmer anhand der Erstlarven morphologisch sicher differenzieren. Erfahrene Diagnostiker können anhand der Größe, Form und insbesondere Gestalt des Larvenhinterendes einen Befall mit C. vulpis, A. vasorum, aber auch Filaroides hirthi und/oder Oslerus osleri (Syn. Filaroides osleri) erkennen und den parasitierenden Nematoden bestimmen. Flotationsverfahren sind für den Nachweis von Lungenwurmlarven wenig geeignet, da Larven in gesättigten/konzentrierten Salzlösungen der Flotationsverfahren dehydrieren, sich morphologisch so verändern, dass die Abgrenzung zu frei lebenden Nematodenlarven und eine Artbestimmung deutlich erschwert werden. Dennoch ist eine kombinierte Untersuchung der Sammelkotprobe mittels Flotations- und Auswanderverfahren zu empfehlen, da Eier des ebenfalls bei Hunden vorkommenden Lungennematoden Capillaria aerophila nur mit dem Flotationsverfahren nachgewiesen werden. Außerdem kann gleichzeitig ein Befall mit anderen, konkomitant im Gastrointestinaltrakt siedelnden Parasiten erkannt werden. Neben dem Nachweis von Eiern und Larven in Kotproben mit dem kombinierten Flotations- und Larvenauswanderverfahren besteht die Möglichkeit der Untersuchung der bronchioalveolären Lavage (BAL). Stadien von Parasiten können durch Zentrifugation der Brochoalveolarlavage-flüssigkeit konzentriert und mikroskopisch im Sediment nachgewiesen werden. Für den Nachweis von A. vasorum wurden inzwischen weitere Verfahren entwickelt. So kann mittlerweile zirkulierendes Antigen von A. vasorum mittels eines Sandwich-ELISAs serologisch nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde ein ELISA für den Antikörpernachweis mit einer hohen diagnostischen Sensitivität entwickelt. Diese serologischen Verfahren können gezielt für große epidemiologische Studien eingesetzt werden. Als molekulare Methode besteht die Möglichkeit der
Untersuchung von EDTA-Blut und Brochoalveolarlavage-flüssigkeit mittels Real-time-PCR. Ob und inwieweit die molekulare Diagnostik den anderen Nachweisverfahren überlegen ist, muss noch geklärt werden.

Was gibt es an Behandlungsmöglichkeiten?

Für die Therapie der pulmonalen Angiostrongylose bestehen mehrere Möglichkeiten:

- Zugelassene Medikationen

- Imidacloprid und Moxidectin (Advocate®) (10 % Imidacloprid + 2,5 % Moxidectin) 1 x 0,1 ml/kg KM topisch verabreicht. Eine weitere Tierärtzliche Untersuchung wird nach 30 Tagen empfohlen, da einzelne Tiere eine zweite Behandlung benötigen können.
- Milbemycinoxim (0,5 mg/kg KM) einmal pro Woche für 4 Wochen führt zu einer Reduktion des Infektionsgrades.

- Nicht zugelassene Medikation

- Fenbendazol: 25 mg/kg KM p.o. täglich für 20 Tage.
- Fenbendazol: 50 mg/kg KM p.o. täglich für 5–21 Tage.

In einer aktuellen Studie zur Therapie hat sich gezeigt, dass Imidacloprid/ Moxidectin (Advocate®, Bayer) therapeutisch mit hoher Effizienz gegen A. vasorum eingesetzt werden kann und sowohl während der Präpatenz klinische Schäden weitestgehend vermeidet als auch eine Patenz verhindert. Für die Therapie von Hunden mit C. vulpis-, Filaroides hirthi-, Oslerus osleri- und Capillaria aerophila-Befall liegen bislang nur einzelne Studien vor. Die gegen A. vasorum als wirksam erachteten Anthelminthica scheinen aber auch gegen andere Lungennematoden wirksam zu sein.

Wir bedanken uns für dieses Gespräch.

Bild: © Bayer Animal Health

HKP 3 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2010.
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