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Eine Herausforderung für den Tierarzt in der Außenpraxis

Hustende Pferde

Obwohl die oberen Atemwege die meisten eingeatmeten Fremdpartikel abfangen, können trotzdem kleinste Partikel in die Lunge und Alveolen von Pferden gelangen. Die Atemwege reagieren auf verschiedene Reizstoffe mit Husten, vermehrter Schleimproduktion und Bronchospasmus. Ziel dieser Reaktion ist es, weiteres Einatmen von Reizstoffen zu verhindern und bereits Ein­­ge­atmetes schnellstmöglich auszuscheiden.

Abb.4 Inhalation hat mehrere Vorteile: Durch die Inhalation der Arzneistoffe kann in den lokalen Atemwegen ein ausreichend hoher Wirkspiegel erzielt werden. Meist ist es möglich, die Dosis zu reduzieren, systemische Nebenwirkungen werden vermindert und die Behandlung kann von den Besitzern selbst durchgeführt werden.

Zu diesen Fremdpartikeln gehören u.a. ­Viren, Bakterien, Pollen, Staub und Gas. Mechanische Formveränderungen der Atemwege, wie z.B. der Trachealkollaps beim Shetland Pony, können ebenfalls ­einen Hustenreiz auslösen [1]. Bei Atem­wegserkrankungen können schon oft ein vernünftiger Vorbericht und eine gründliche klinische Untersuchung zu Differen­zialdiagnosen führen. Spezielle Untersuchungen kann man sich hiermit ersparen. So handelt es sich bei einer Hustenursache im Rachenraum-/Kehlkopfbereich meist um eine Störung des Schluckaktes. Dabei ist oft der Nasenausfluss mit Futterresten kontaminiert. Beispiel: hochgradige Pharyngitis durch Virusinfektion, Umfangsvermehrung im Rachenraum (Abb.1).

Tiefe Atemwegserkrankungen

Zu den tiefen Atemwegserkrankungen zählen infektiöse und parasitäre Krankheiten, interstitielle Pneumonie, wiederkehrende Atemwegsobstruktion (Recurrent Airway Obstruction- RAO, Dämpfigkeit) und Entzündung der tiefen Atemwege (Inflam­matory Airway Disease- IAD) [1]. Infektiöse Krankheiten gehen meist mit Fieber einher. Verschiedene Formen von Husten lassen auf eine Infektion schließen: trocken, kurz, laut, rau und häufige Anfälle. Ein schwacher, tiefer Husten lässt auf Pneumonie oder RAO schließen. Seröser Nasenausfluss ist häufig bei viralen Erkrankungen zu ­sehen. Mucopurulenter Ausfluss ist meist Zeichen einer bakteriellen Infektion. Zu beachten ist, dass auch Pferde mit IAD oder RAO unter solchem Ausfluss leiden können, da der Schleim oft mit Bakterien kontaminiert ist. Schwierig für den Tierarzt ist es zu ermitteln, ob die Bakterien in ­diesem Fall auch Krankheitserreger sind. Couetil et al. [2] argumentieren, dass die Anwesenheit von Bakterien in der Luft­röhre durch eine verminderte Ausscheidung entsteht und weniger durch eine primäre Infektion, außerdem ist die Luftröhre kein steriler Bereich. Potenziell pathogene und nichtpathogene Bakterien können auch beim gesunden Pferd in einer Trachealschleimprobe isoliert werden. Die ­erfolgreiche Behandlung mit inhalierten Glukokortikoiden lässt annehmen, dass die isolierten Bakterien nicht Erreger sind, sondern opportunistische Invasoren des unteren Atemwegstrakts [3, 4].

Eine Schwellung der Submandibular- und Retropharyngeal-Lymphknoten lässt eine virale oder bakterielle Infektion vermuten. Wird diese Schwellung von einer Abszessbildung am Lymphknoten und ­einer erhöhten Körpertemperatur begleitet, könnte es sich um Druse handeln. Das ­Abhören des Patienten sollte in ruhiger Umgebung im Ruhezustand stattfinden. Bei einer verminderten Intensität der Atemgeräusche könnten verminderte Belüftung, Pleuraerguss, pulmonale Konsolidierung, Pneumothorax etc. vorliegen [5]. Eine ­gesteigerte Intensität der Atemgeräusche kann durch eine erhöhte Luftgeschwindigkeit (z.B. erhöhte Atemfrequenz nach Belastung oder durch eine erhöhte Körper­temperatur) oder durch Verengung der Atemwege (Schleim, Ödem, Bronchospasmus) entstehen [5]. Für die Interpretation sollte genau auf die Phase der Atmung ­geachtet werden: Steigerung der Atem­geräusche sowie eine inspiratorische Dyspnoe während des Einatmens sprechen für eine extrathorakale oder eine Obstruktion der großen Atemwege. Sowohl eine Steigerung beim Ausatmen als auch eine ex­spiratorische Dyspnoe lassen auf einen Teilkollaps der intrathorakalen Atemwege wie bei RAO schließen [5]. Flüssiger Schleim oder Flüssigkeit in den Atemwegen führt zu Rasselgeräuschen. Typisch für RAO lassen sich diese Geräusche über der Region der kleineren Atemwege am Ende des Ausatmungsvorgangs hören. Pfeifende Atemgeräusche entstehen durch eine Verengung der Atemwege.

ACHTUNG: fester Schleim führt zu einer Verengung. Durch Rück­atmung in eine Tüte werden die Atem­geräusche verstärkt. Dies vereinfacht die Feststellung von anormalen Geräuschen. Weitere Untersuchungen sollten durch­geführt werden, um eine Diagnose zu ­bestätigen oder auch dann, wenn eine Therapie nicht angeschlagen oder sich das Krankheitsbild verschlechtert hat.


Abb.1 Bei einer Endoskopie wurde bei einem 5-jährigen Warmblut eine pharyngeale Zyste festgestellt. Dies gehört zu den Umfangs­vermehrungen im Rachenraum. Vorberichtlich zeigte das Pferd Husten, mukösen Nasen­ausfluss, gemischt mit Futterpartikeln, kein Fieber, keinen Leistungsabfall.


Abb.2 Endoskopie in Stall. Das Reinigungs- und Sterilisationsmaterial für das Endoskop muss auch im Praxisfahrzeug vorhanden sein. Eine Sterilisation sollte nach jeder Benutzung durchgeführt werden.


Abb.3 Pneumothorax: Vorberichtlich Husten seit zwei Tagen beim Ausreiten, nach Verschlechterung des Allgemeinbefindens wurde das Pferd in die Klinik gebracht (Atmungs­frequenz von 28 Atemzügen / Minute mit exspiratorischer Dyspnoe). Beim Auskultieren war ein verstärktes Atemgeräusch über Trachea und Lunge zu vernehmen. Endoskopie war bis auf das hochgradig geschwollene ­Septum unauffällig. Das Röntgen ergab einen Pneumothorax durch gebrochene Rippe (Pfeil).
Foto: © Jessica Lind, Tiermedizinische Klinik Skara Djursjukhus in Skara, – Schweden

Spezielle Diagnostik

Durch Modernisierungen in der Medizin ist es heutzutage möglich, spezielle Unter­suchungen auch in der Außenpraxis durchzuführen und somit dem Patienten den Gang in eine Klinik zu ersparen. Eine Bronchoskopie ermöglicht eine direkte ­Betrachtung der Atemwege (Abb. 2). Dies kann mit oder ohne Sedation durchgeführt werden. Bei sedierten Patienten ist es ­möglich, verschiedene Proben wie Tracheobronchialsekret (TBS) und bronchoal­veoläre Lavage-Flüssigkeit (BALF) zu entnehmen, die zytologisch und bakteriologisch untersucht werden. Bei Verdacht auf eine Virusinfektion ist auch eine PCR-Unter­suchung möglich. Die Untersuchung von TBS- und BALF-Proben liefert wichtige Hinweise für die Diagnose und die daraus resultierende Therapie; darüber hinaus erlaubt sie eine Aussage zur Prognose. Eine Kontamination der Probe muss unter allen Umständen ausgeschlossen werden, da sonst das Ergebnis verfälscht wird. Fremdpartikel können über die oberen Atemwege, die Maulhöhle oder die Umwelt in die tiefen Atemwege gelangen oder auch durch ­Husten während der Endoskopie. Die TBS-Probe sollte direkt nach der Entnahme ausgestrichen werden, um eine sekundäre Keimbildung und somit die Verfälschung des Ergebnisses zu verhindern. Auch das Endoskop selbst, insbesondere der Arbeitskanal, kann eine mögliche Kontamina­tionsquelle darstellen [6]. Ebenfalls können Pilze in einer TBS-Probe nachgewiesen werden. Da sie noch seltener als bakterielle Infektionen vorkommen, sollte ein solcher Nachweis sehr kritisch betrachtet werden. Meist handelt es sich dabei um eine Kontamination der Probe.

Die Lagerung der BAL-Probe kann die Menge und die Qualität der Zellen deutlich beeinflussen. Der Versand soll bei 4C innerhalb von 24 Stunden in EDTA-Röhrchen ins Labor erfolgen. Eine ideale Methode zur Auswertung der BAL ist die Konzen­tration des Probematerials auf einem ­Objektträger mithilfe einer Zytozentrifuge. Das sollte mit dem Labor im Vorfeld abgeklärt werden und bedarf einer routinierten und erfahrenen Hand. Eine arterielle Blutgas­analyse wird bei schwer atmenden, hustenden und leistungsschwachen Pferden empfohlen. Die Analyse wird unmittelbar nach der Entnahme durchgeführt. ­Dadurch kann die Kapazität des Sauerstofftransportes bis zu den Alveolen (Ventila­tion) bestimmt werden. Auch der Gasaustausch von den Alveolen bis ins Blut (Diffusion) kann bestimmt werden [7]. Die Blutgasanalyse kann im Ruhezustand oder sofort nach der Belastung durchgeführt werden. Da die Ergebnisse abhängig von der Körpertemperatur sind, muss diese ­unbedingt gemessen werden und das Gerät dementsprechend eingestellt werden. Die Probe sollte nach der Belastung ­so­zügig wie möglich entnommen werden, da sich die Werte sehr schnell wieder ändern können. Vor allem bei gut trainierten Pferden ist eine Hypoxie möglich – bei einer Leis­tung, die den maximalen Sauerstoffverbrauch erreicht [8].

Lungenultraschall ist eine unkomplizierte diagnostische Methode, um die Brusthöhle des Pferdes zu beurteilen. Diese kommt bei Lungenerkrankungen, die mit Flüssigkeitsansammlungen einhergehen (z.B. Pleuritis), bei Erkrankungen mit peripher gelegenen Krankheitsprozessen der Lunge (z.B. Rodococcus equi -bszesse) und bei Lungenerkrankungen mit Fieber als Begleiterscheinung zum Einsatz [9]. Methode bei langem Fell: Scheren, Bereich mit 70%iger Alkohollösung benetzen, Ultraschallsonde (Linear- oder Sektorschallkopf /Frequenz von 5–7,5MHz) zwischen die Rippen von Dorsal nach Ventral führen. Zur Durchführung einer radiologischen Lungenuntersuchung eines adulten Pferdes ist in der Regel eine stationäre Röntgenanlage erforderlich. Die transportablen Röntgengeräte, die in der Pferdepraxis benutzt werden, liefern keine ausreichende Leistung für qualitativ hochwertige Röntgenbilder. Viele Faktoren können die Inter­pretation von Lungenröntgenaufnahmen beeinflussen. Das Alter des Pferdes, die Größe, der Thoraxumfang, die Atemphase. Unterbelichtung, Überbelichtungen oder falsche Zentrierungen können Lungen­befunde verstecken (Abb. 3) [9].

take home

Es ist wichtig, sorgfältig zu untersuchen und ­immer die zu Grunde liegende Ursache zu therapieren [1]:

// Kortikosteroide: bei nicht infektiösen Erkrankung.
// Antibiotika mit entsprechender Trainingsruhe und Lufthygiene.
// Zur Lufthygiene zählen nasses Heu oder Silage, staubfreie Späne oder Roggen- / Leinstroh, ­Außenbox, Wiesenhaltung etc.
// Bronchien erweiternde Medikamente: bei Patienten mit schlechten Blutgas­werten, bei Bronchospasmen, bei verminderter Leistungsfähigkeit.
// Bronchosekretolytikum und schleimlösende Mittel, um überschüssige Schleim- akku­mulation zu behandeln; die Wirkung ist ­jedoch ­begrenzt.
// Hustendämpfend: intravenöse Gabe von Butorphanol; kein Effekt mit Codein und Glycopyrrolat. Allerdings sollte man lieber abklären, warum der Patient hustet und dann die Ursache bekämpfen.
// Bewegung löst den Schleim, Boxenruhe ist kontraindiziert. Inhalationstherapie ist in vielen Fällen hilfreicher als parenterale Therapie (Abb. 4, Seite 40). Diese erfordert allerdings die Compliance der Patientenbesitzer.

Literatur bei der Autorin

Stichwörter:
Alveolen, Bronchospasmus, Trachealkollaps, Differen­zialdiagnosen, Pharyngitis, Atemwegserkrankungen, Atemwegsobstruktion, Pneumonie, pneumologie,

HKP 7 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2013.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
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