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HKP-8-2012 > Reproduktionsstörungen bei Echsen

Reproduktionsstörungen bei Echsen

Bei in Gefangenschaft gehaltenen Echsen können Störungen des Reproduktionszyklus neben individuellen anatomischen Abweichungen zahlreiche Ursachen haben. Meistens handelt es sich um Mängel im Haltungsregime, die mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf Fruchtbarkeit, Trächtigkeit und die Entwicklung der Embryonen haben.

Unerwünschte Nachzucht lässt sich nur vermeiden durch chirurgische Kastration oder durch Einzelhaltung, die vonseiten des Tierschutzes bei den meisten Spezies i. d. R. kein Problem darstellt. Dies widerspricht jedoch den derzeit üblichen Haltungsformen, sodass Tierärzte regelmäßig mit Reproduktionsstörungen bei Echsen konfrontiert werden.

Voraussetzungen erfolgreicher Reproduktion

Individuum

Das Geschlecht des Tieres muss gesichert sein. Zur Geschlechtsbestimmung werden i. d. R. äußere morphologische Merkmale wie die Ausprägung von Femoral- oder Postanalporen, Hemipenistaschen oder Kehlbart und Rückenkamm herangezogen. Diese Merkmale sind bei Jungtieren oft noch nicht deutlich ausgeprägt. Bei Spezies der Gattungen Trachysaurus, Tiliqua, Egernia, Coruzia, Heloderma und Varanus kann das Geschlecht nur endoskopisch sicher bestimmt werden. Geschlechtsbestimmungen auf DNABasis stehen derzeit nicht zur Verfügung. Körperliche Voraussetzung ist die Zuchtreife. Diese spiegelt sich weniger im Alter als in der absoluten Größe des Tieres wider. Bei übermäßiger Fütterung kann das Wachstum extrem beschleunigt und die Zuchtreife sehr früh erreicht werden, jedoch gehen anschließende Trächtigkeiten stets zulasten des Muttertieres und enden oft mit dem frühzeitigen Tod infolge körperlicher Erschöpfung. Umgekehrt kann eine Mangelernährung das Wachstum so verzögern, dass aus einer Trächtigkeit relativ zu große Früchte resultieren, die nicht physiologisch ausgetragen werden können. Als Kennzahlen für die Zuchtreife verschiedener Echsen gelten: kleine Echsen (Geckos, Bartagamen) 1 – 2 Jahre, große Echsen (Grüner Leguan) 3 – 4 Jahre.

Stimulation der Reproduktion

Hauptstimuli der Reproduktion sind zunehmende Tageslichtlängen und Temperaturveränderungen – entweder in Form einer Temperaturerhöhung nach der Winterruhe oder in Form einer Abkühlung in tropischen Habitaten, z. B. bei Boa constrictor. Bei vielen Arten hängt die Reproduktion auch von saisonalen Regenfällen ab. Die Nachahmung der klimatischen Verhältnisse des natürlichen Habitats im Jahresverlauf ist essenziell für die Nachzucht in menschlicher Obhut. Weibliche Echsen können auch in Einzelhaltung den gesamten Prozess der Oogenese durchlaufen. Haben vor dem Kauf des Tieres bereits erfolgreiche Paarungen stattgefunden, ist aufgrund der Fähigkeit zur Spermaspeicherung die Ablage befruchteter Eier auch in Einzelhaltung möglich.

Nährstoffversorgung

Eine große Herausforderung ist der Aufbau einer optimalen Zuchtkondition. Zu schnelles Wachstum infolge Überfütterung resultiert nicht nur in zu früher Belegung, sondern auch in zu großen Gelegen. Dadurch kann bei großen Chamäleonarten die Eizahl bis zu 100 % gesteigert werden – mit der häufigen Konsequenz einer Legenot. Mangelernährung führt zu unzureichender Körperkondition, verstärkt wird dies durch die physiologische Anorexie im Rahmen der Trächtigkeit. Ein Kalziummangel prädisponiert ebenfalls für eine Legenot. Imbalanzen der Versorgung mit den Vitaminen A und D haben vor allem Konsequenzen für die Entwicklung der Schlüpflinge: Bei einer Überversorgung kommt es zum Absterben der Embryonen, bei Unterversorgung resultieren Entwicklungsstörungen des Skeletts.

Haltung

Essenziell ist die Bereitstellung geeigneter Eiablageplätze, die den tragenden Weibchen eine störungsfreie Umgebung, ein geeignetes Ablagesubstrat sowie angemessene Temperatur und Luftfeuchte bieten.

// Für den Leopardgecko eignen sich handelsübliche Plastikhaushaltsdosen, die 10 cm hoch mit angefeuchtetem Sand befüllt werden. Als Zugang wird ein Loch von ca. 5 cm Durchmesser in den Deckel geschnitten. Die Temperatur in der Box sollte 25 – 30 °C betragen (ggf. Strahler über der Box).

// Für die Bartagame kann ähnlich verfahren werden, jedoch muss die Box entsprechend größer und das Substrat mindestens 20 cm tief sein. Als Substrat eignen sich Sand-Lehm-Mischungen, die angefeuchtet und verdichtet werden, so- dass das Weibchen eine Höhle graben kann.

// Für Großleguane muss eine Ablagekiste bereitgestellt werden, die aus einer Röhre und einer Nestkammer besteht. Die Substratfeuchtigkeit wird durch Aufschütten von feucht zu haltender Erde auf die Ablagebox erzielt [1].

Sind diese Voraussetzungen nicht gesichert, kommt es häufig zur Legenot.

Die Ontogenese und ihre Störungen

Nur wenige Echsenarten sind lebend gebärend und Beschreibungen zur fetalen Entwicklung sind rar. Im Folgenden wird daher die besser dokumentierte Oogenese beschrieben. Die hormonelle Regulation der Reproduktion bei Reptilien ist nicht vollständig erforscht. Man muss jedoch davon ausgehen, dass sie der des Säugers in den Grundzügen ähnlich ist. Außerhalb der Reproduktion liegen die Follikel als Oozysten mit mehrschichtiger Follikelwand vor. Unter dem Einfluss von FSH-ähnlichem Hormon reift eine bestimmte Anzahl von Follikeln heran. Der steigende Östrogenspiegel bewirkt eine zunehmende Resorption von Proteinen, Kalzium, Magnesium, Phosphor und Vitamin D3 aus der Nahrung und dem Skelett. Diese werden mit dem Blutstrom den Follikeln zugeführt und dort im Dotter (Vitellum) eingelagert. Gleichfalls östrogeninduziert ist die Umverteilung der Fettdepots aus den intrazölomalen Fettkörpern über die Leber in die Follikel (Abb. 1). Dadurch transformieren die prävitellogenen zu vitellogenen Follikeln (Grafik 1). In dieser Zeit besteht eine physiologische Fettleber, die Serumspiegel von Cholesterin, Triglyzeriden, Protein, Kalzium und Phosphor sind stark erhöht. Der Eidotter nimmt bei der Echse 70 – 99 % des gesamten Eivolumens in Anspruch. Der östrogenbedingte Anstieg von LH führt zur Ovulation der vitellogenen Follikel. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das gesamte Geschehen reversibel, d. h. ein Rückbau der vitellogenen Follikel ist möglich. Sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reproduktion nicht (mehr) gegeben, wird der zuvor beschriebene Zyklus rückwärts durchlaufen, wobei die Fette wieder im Fettkörper eingelagert werden und die Serumspiegel von Cholesterin, Triglyzeriden, Protein, Kalzium und Phosphor sinken. Nach der Ovulation entwickeln sich die Follikel durch Anlagerung von Wasser und Proteinen sowie einer dünnen Kalkschale zum fertigen Ei.

Follikelstase

Bei großen Echsen, insbesondere Grünen und Schwarzen Leguanen scheint der Stimulus durch ein paarungsbereites Männchen wichtig für die Follikelentwicklung und Ovulation zu sein. Im natürlichen Habitat Zentralamerika beträgt die Balzzeit vier Wochen. Nicht paarungsbereite Weibchen werden bevorzugt angebalzt. Bei weiblichen Tieren in Einzelhaltung kommt es regelmäßig zur Follikelanbildung in den Monaten Oktober bis Februar (Paarungszeit in Zentralamerika) mit einem Sistieren der Follikelentwicklung (Follikelstase) kurz vor der Ovulation (Grafik 2). Follikelstasen werden auch bei Bartagamen und Chamäleons regelmäßig beobachtet. Mit Beginn der Follikelanbildung setzt eine physiologische Anorexie ein, die bis nach der Eiablage andauert. Die Weibchen sind dann stark abgemagert und erschöpft. Wird eine Follikelstase nicht erkannt, kommt es im weiteren Verlauf zu Abmagerung, Exsikkose, Apathie und schließlich lebensbedrohlichen Zuständen. Eine Ovariohysterektomie ist in diesen Fällen meist die einzig wirksame Maßnahme.

Legedarmentzündung

Komplikationen können während der gesamten Legedarmphase durch exogene (Traumen) oder endogene Faktoren (von der Kloake aufsteigende Infektionen) auftreten. Letztere führen zur Verklebung der Follikel mit dem Legedarm und nachfolgend schwerer Allgemeinerkrankung. Sie können nur chirurgisch durch Ovariohysterektomie behoben werden.

Dotterzölomitis

Eine mangelhafte Synchronisation zwischen Eileitertube und Ovar oder ein übergroßer Follikel (Abb. 2) kann zum Follikelsprung in das Zölom (Leibeshöhle) führen. Folge ist eine Dotter zölomitis. Dotterzölomitiden können iatrogen durch Palpation des Leibes verursacht werden (Follikelruptur). Bei weiblichen Echsen mit unklarem Reproduktionsstatus und voluminösem Abdomen ist entsprechend vorsichtig vorzugehen oder den bildgebenden Verfahren der Vorzug zu geben.

Legenot

Legenot ist definiert als die Unfähigkeit zur physiologischen Eiablage. Die ablagereifen Eier verbleiben im Legedarm. Bei längerem Bestehen verkleben sie mit der Schleimhaut und können nicht mehr physiologisch entwickelt werden. Steht der Eiablage ein mechanisches Hindernis im Weg (Obstipation, zu großes Ei, verengtes Becken, z. B durch eine Nephromegalie bei Nierengicht oder infolge einer Knochenstoffwechselstörung), so kann es zum Sistieren der Ablage oder durch Retroperistaltik zum Ausstoßen reifer Eier in die Leibeshöhle kommen, die dort wiederum eine Entzündung verursachen. Umgekehrt kann es auch zu Vorfällen der Kloake oder des Legedarmes kommen. Die psychogene Legenot wird ausgelöst durch das Fehlen geeigneter Ab lageplätze.

Diagnostik von Reproduktionsstörungen

Klinik

Die Abgrenzung physiologischer Verhältnisse von einer echten Erkrankung verursacht in der Praxis oft Schwierigkeiten. Zum einen ist die Trächtigkeitsdauer variabel, beim Grünen Leguan beispielsweise 8 – 10 Wochen. Zum anderen sind Anorexie und damit einhergehende Abmagerungen je nach Spezies bis zu einem gewissen Punkt physiologisch. Wichtiger Hinweis für eine Legenot sind Halterbeobachtungen: Unruhe, Grabeversuche im Terrarium, Sistieren einer begonnenen Eiablage. Diese weisen auf eine Legenot hin, deren Ursache durch eine gezielte Erhebung des Vorberichts und der klinischen Befunde festgestellt werden muss.

// Anamnese: geeignete Ablageplätze? Stress durch Artgenossen?

// Klinische Untersuchung: Allgemeinzustand? Kachexie? Exsikkose?

// Bildgebende Verfahren: persistierende Follikel? Veränderungen der Eischale? mechanische Obstruktion? Obstipation? Fibröse Osteodystrophie?

// Labordiagnostik: Kalziummangel?

Bildgebende Verfahren

Die gesamte Legedarmphase der Eibildung lässt sich gut mittels Ultraschall kontrollieren. Es sind sowohl hypoechogene prävitellogene Follikel, hyperechogene vitellogene Follikel als auch Eier darstellbar. Vitellogene Follikel > 15 mm Durchmesser sind beim Grünen Leguan verdächtig für eine Follikelstase, insbesondere wenn der Inhalt unterschiedliche Echogenität aufweist. Größere vitellogene Follikel sind auch im Röntgen darstellbar. Die Röntgendiagnostik greift meistens erst bei fortgeschrittener Trächtigkeit, wenn bereits eine Eischale vorliegt.

Therapie

Gute Erfolge bringt ein standardisiertes Behandlungskonzept in Anlehnung an SCHILDGER (2000). Konservative Therapie bei gutem Allgemeinbefinden:

// Oxytozin 1 – 3 IE/kg Körpermasse, Kalzium 100 mg/kg KM, Ringerlaktat bis 20 ml/kg KM

// Wiederholung mit doppelter Oxytozin- u. Kalziumdosierung nach 24 Stunden möglich

Chirurgisch Therapie bei eingeschränktem Allgemeinbefinden, Follikelstase, mechanischen/ anatomischen Hindernissen, Eischalenveränderungen, erfolgloser konservativer Therapie:

// Zöliotömie und Entfernung der Eier (Abb. 3) oder Ovariohysterektomie.

// Letztere empfiehlt sich auch bei dauerlegenden Echsen, insbesondere Bartagamen mit einem Eiablageintervall unter 6 Wochen.

Literatur beim Autor

Foto: © Dr. Veit Kostka

HKP 8 / 2012

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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
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