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Schmallenberg- Virus bei kleinen Wiederkäuern

– das erste Jahr in Deutschland

Das Jahr 2012: Schon wieder gab es eine neue Erkrankung bei unseren landwirtschaftlichen Nutztieren Rind, Schaf und Ziege. Durch die rasante Ausbreitung des so genannten „SchmallenbergVirus“ waren neben Rinder, auch viele Schafund Ziegenbestände in Deutschland betroffen. Bei neugeborenen Lämmern kam es zu starken Missbildungen bis hin zu nicht lebensfähigen Neonaten. Der nachfolgende Beitrag fasst in einem ersten Teil die wichtigsten Erkenntnisse des vergangenen Jahres zusammen. In einem zweiten Teil werden die möglichen Entwicklungen des Virus untersucht.

In der Ablammsaison 2011/2012 kamen zeitgleich aus mehreren Betrieben verschiedener Bundesländer die Meldungen von missgebildeten neugeborenen Schafund Ziegenlämmern. Nach Ausschluss der gängigen Differenzialdiagnosen konnte am FriedrichLoefflerInstitut in Riems die Diagnose einer Infektion mit dem bei Rindern neu entdeckten „SchmallenbergVirus“ (SBV) gestellt werden. Im Jahr 2012 wurde dieses Virus deutschlandweit in 891 Schafund 48 Ziegenbetrieben (Stand: 18.12.2012) nachgewiesen.

Das Schmallenberg-Virus

Es handelt sich um ein Virus aus dem Genus der Orthobunyaviren und kann der SimbuSerogruppe (Shamonda, Aina, AkabaneViren) zugeordnet werden. Die höchste genetische Ähnlichkeit wurde zum ShamondaVirus festgestellt. Diese Viren sind bisher bei Wiederkäuern in Australien, Asien und Afrika bekannt. Die Übertragung des SchmallenbergVirus erfolgt wie bei anderen Viren der SimbuGruppe in erster Linie über Gnitzen und Stechmücken. Nach Einschätzung des European Centre for disease prevention and control (ECDC) handelt es sich nicht um einen Zoonoseerreger. Das Virus konnte bereits im November 2011 aus Rinderproben aus dem Ort Schmallenberg in NordrheinWestfalen isoliert werden. Der Ort war somit sein Namensgeber.

Klinische Symptome der Infektion

Kühe zeigen Fieber, starken Milchrückgang, reduziertes Allgemeinbefinden und Appetitlosigkeit Bei kleinen Wiederkäuern konnten Symptome in dieser Form nicht erkannt werden. Jedoch hat eine Infektion weit reichende Folgen für den Fetus. Wird ein tragendes Muttertier, Schaf oder Ziege, im zweiten Trächtigkeitsmonat (ca. 28. – 56. Trächtigkeitstag) durch eine infizierte Gnitze gestochen, können die Lämmer intrauterin geschädigt werden. Das bisher beobachtete klinische Bild wird als „ArthrogyposeHydranencephalieSyndrom“ (AHS) bezeichnet. Die betroffenen Lämmer zeigen verschiedene Veränderungen am Skelett und am Gehirn. Auffällig sind Arthrogryposen der Vorderund bzw. oder der Hintergliedmaßen. Weiterhin zeigen sich Torticollis, Brachygnathia inferior, Skoliose sowie Lordose in unterschiedlicher Stärke. Deformationen des Gesichtsschädels sind ebenso möglich. Zusätzlich zu den knöchernen Veränderungen finden sich weitere Missbildungen wie Kleinhirnaplasie, Kleinhirnhypoplasie sowie Hydrocephalus internus. Die Missbildungen können einzeln oder zusammen bei einem Lamm auftreten. Neonaten mit den beschriebenen Symptomen sind in der Mehrheit der Fälle nicht mehr lebensfähig oder kommen bereits tot zur Welt. Lämmer mit einem AHS können trotzdem einen Saug und Schluckreflex zeigen, aber aufgrund der Missbildungen keine natürliche Milchaufnahme durchführen. Die Veränderungen des zentralen Nervensystems können bei lebenden Neonaten zu einer ungerichteten Tränkeaufnahme und ziellosem Umherlaufen führen. Bei Mehrlingsgeburten können neben missgebildeten Lämmern unauffällige, vitale Lämmer geboren werden, die eine normale Entwicklung zeigen. Bei allen beschriebenen Missbildungen muss unter Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes eine Euthanasie in Erwägung gezogen werden, da die Lämmer zumeist nicht ohne Schmerzen und Leiden lebensfähig sind.

Diagnostikmöglichkeiten

Um das SBV direkt nachzuweisen, ist eine entsprechend validierte Diagnostik über eine realtime Polymerase Chain Reaction (rt PCR) möglich. Diese steht allen Veterinäruntersuchungsämtern der Bundesländer zur Verfügung. Hierzu sollten verendete, klinisch verdächtige Lämmer in das entsprechende Landesuntersuchungsamt gebracht werden. Ein serologischer Test am lebenden Tier ist seit Mai 2012 ebenfalls möglich.

Geburtsmanagement mit intensiver Geburtsüberwachung

Die Muttertiere kommen nach Beendigung der physiologischen Trächtigkeitsdauer anfangs ohne Störungen in die Geburt. Aufgrund der Missbildungen der Lämmer kann es in der Folge zu zeitlichen Verzögerungen bis hin zum vollständigen Sistieren des Geburtsvorganges kommen, der ohne Hilfe nicht beendet werden kann. Hierdurch erlangt die geburtshilfliche Untersuchung einen besonderen Stellenwert. So muss zwischen einem gebeugten Gelenk, das als „normales“ Geburtshindernis vorkommen und korrigiert werden kann, und einem versteiften Gelenk im Rahmen des AHS unterschieden werden. Dies gilt insbesondere bei Mehrlingsgeburten. Geburtsverletzungen bei den Muttertieren sind nicht selten. Betroffene Schafe sollten im Puerperium intensiv beobachtet werden, um rechtzeitig bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes eingreifen zu können. Ferner ist es möglich, dass missgebildete Lämmer normal geboren werden.

Prophylaxe

Als mögliche prophylaktische Maßnahme könnte eine Impfung infrage kommen. Es gibt bereits Unternehmen, die einen wirksamen Impfstoff hergestellt haben. Dieser wird aber in Deutschland erst in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen, da das Zulassungsverfahren entsprechend Zeit in Anspruch nimmt. Eine weitere Möglichkeit, den Infektionsdruck zu senken, besteht in einer Behandlung mit Repellentien. Doch einen vollständigen Schutz wird man auch damit nicht erreichen können.

Weiter auf SBV-infizierte Lämmer achten

Aktuell ist nicht abschätzbar, ob eine Immunität bei den bisher erkrankten Muttertieren möglich ist. Einige Schäfer melden bereits seit Dezember 2012 wieder neue Fälle von Missbildungen bei neugeborenen Lämmern. Verschiedentlich wird die Frage der Immunität und möglicher rezidivierender Infektionen wissenschaftlich untersucht. Dieser Thematik widmet sich der zweite Teil des Artikels in der kommenden Ausgabe von hundkatzepferd.

take home

Seit 2012 tritt in Deutschland bei kleinen Wiederkäuern das Schmallenberg- Virus (SBV) auf, das bei neugeborenen Lämmern zum „Arthro - gypose-Hydranencephalie-Syndrom “ führt. Bedingt durch diese Missbildungen kann es zu einer erhöhten Dystokierate bei den Muttertieren kommen. Bei Auftreten von Arthrogrypose, Skoliose und Torticollis bei neugeborenen Lämmern sollte daher an das Vorliegen dieser neuen Infektion gedacht werden. Diese Erkrankung kann aktuell nicht behandelt werden, besitzt aber kein zoonotisches Potenzial.

- Literatur beim Autor -

Foto: © panthermedia | Olga Khoroshunova

HKP 1 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2013.
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