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Anziehungskraft

Anziehungskraft

Magnetresonanztomographie (MRT) in der Veterinärmedizin Von Dr. Daniela Gorgas und med. vet. Christina Stahl

„...und meine Katze kommt zur Untersuchung in die Röhre wie wir Menschen?“ fragte uns der Besitzer der Katze „Couscous“ und war erstaunt, dass man am lebendigen Tier in das Innere des Schädels oder auch eines Pferdhufes blicken kann. Über die Faszination solcher Bilder hinaus ermöglicht das MRT die präzise Darstellung von Weichteilstrukturen und damit Diagnosen, die ansonsten nicht zu stellen sind.

Es verwundert nicht, dass das MRT inzwischen fester Bestandteil in der Aufarbeitung tiermedizinischer Patienten geworden ist und Einzug in größere Praxen und Überweisungszentren, in denen Spezialisten Untersuchungen auswerten, gehalten hat. Anhand
der Bilder können weiterführende Therapien und interventionelle Eingriffe geplant werden. Couscous, eine 14-jährige Europäische Kurzhaarkatze, wurde uns in der Klinik vorgestellt, weil die Besitzer mit Besorgnis am Vortag festgestellt hatten, dass die Katze abwechselnd auf die rechte oder linke Seite umfiel. In der Klinik war Couscous apathisch und hatte eine bilaterale Miosis. Die neurologische Untersuchung zeigte reduzierte Kopfnervenreflexe, besonders des
rechten Drohreflexes. Auch die Kopfsensibilität war reduziert. Der Wattebauschtest und die Tischkantenprobe zeigten, dass die Katze rechts den Visus verloren hatte. Die Haltungs- und Stellreaktionen rechts waren herabgesetzt bis abwesend, links jedoch normal.
Aufgrund der Lokalisation des Problems auf die linke Großhirnhemisphäre wurde ein MRT des Schädels von Couscous durchgeführt. Die radiologische Diagnose war eine extraaxiale Raumforderung im Bereich des linken Lobus frontalis und parietalis mit hochgradiger Kompression des Gehirns. Aufgrund des Verhaltens in den verschiedenen Sequenzen wurde die Raumforderung als Meningiom interpretiert. Das Meningiom konnte am folgenden Tag durch eine Kraniotomie entfernt werden. Couscous erholte sich gut von der Operation und konnte nach ein paar Tagen nach Hause entlassen werden, bisher geht es ihr sehr gut.
Natürlich ist nicht jede Diagnose so eindeutig und mit einer so erfolgreichen Therapie und einem unkomplizierten Heilungsverlauf verbunden wie im Fall von Couscous. Häufig sind die Resultate weniger eindeutig oder die Läsionen im Gehirn sind nicht operabel. Aber auch in diesen Fällen ist es sowohl für den behandelnden Arzt als auch für den Besitzer wichtig, Genaueres über die Ursache der Symptomatik des Tieres zu erfahren. Häufig helfen die Bilder und das Wissen um eine Läsion, Entscheidungen, auch zu einer Euthanasie, zu fällen.

Warum eignet sich MRT besonders gut, um Weichteilveränderungen darzustellen?

Da die meisten pathologischen Prozesse in den Weichteilen mit einem erhöhten Gehalt an Wasser und damit an frei beweglichen Protonen einhergehen, sind sie im MRT gut sichtbar. Besonders in den sogenannten flüssigkeitssensitiven Sequenzen wie in der T2-Gewichtung können damit Läsionen als abnormal helles Signal in den Weichteilen entdeckt werden. Die Sensitivität kann zusätzlich erhöht werden, indem das ansonsten ebenfalls helle Signal vom umgebenden Fett oder Liquor unterdrückt wird. Zur weiteren Charakterisierung von Läsionen können eine Vielzahl anderer Sequenzen eingesetzt werden, die das anatomische Detail besonders gut zeigen oder empfindlich für Blutungen sind. Gadolinium-haltige Kontrastmittel, die intravenös appliziert werden, reichern sich in vaskularisierten Gebieten an und zeigen z. B. bei durchbrochener Blut-Hirn-Schranke eine Kontrastmittelaufnahme in intraparenchymalen Läsionen des zentralen Nervensystems.

Vergleich mit der Computertomographie (CT)

Im Gegensatz zum Röntgen erlauben Schnittbildtechniken eine überlagerungsfreie Darstellung. Daher ist es möglich, auch komplexe Objekte wie den Schädel oder zusammengesetzte Gelenke in Einzelschnitten anzusehen und besser zu beurteilen. Im MRT kann dabei die Darstellungsebene frei gewählt werden, während im CT durch die Rotation der Röntgenröhre die Schnittrichtung festgelegt ist (meist Transversalschnitte) und erst anschließend durch Rekonstruktionen die dorsale und sagittale Ebene erstellt werden kann. Für die Chirurgen ist es deutlich einfacher, Operationen anhand von Schnittbildern oder deren 3D-Rekonstruktionen zu planen, anstatt sich anhand von zweidimensionalen Ultraschall- oder Röntgenbildern oder Beschreibungen zu orientieren. Im CT werden Röntgenstrahlen verwendet, deren Absorption durch das Gewebe gemessen und aus den ermittelten Werten Graustufen im Bild bestimmt werden. Der Einsatz der Röntgenstrahlen ermöglicht eine sehr gute Darstellung von Knochen. Moderne Computertomographen können außerdem Untersuchungen in kurzer Zeit und mit hoher räumlicher Auflösung durchführen. Mit dem CT kann daher eine verdickte Wand der Bulla tympanica gut erkannt werden, während dies mit dem MRT nicht möglich ist. Auch in der Diagnostik von Ellbogenerkrankungen, insbesondere der frühen Diagnostik von Ellbogendysplasie, ist das CT dem MRT überlegen. Thoraxuntersuchungen werden in der Regel ebenfalls mittels CT durchgeführt. Aufgrund der kurzen Untersuchungszeit des CT können Bewegungsartefakte, die sich aus der Atembewegung und dem Herzschlag ergeben, reduziert werden.
Veränderungen der Nase können sowohl im MRT als auch mit CT gut dargestellt werden. Natürlich bleiben die Vorteile des CT auch hier die exakte Darstellung der feinen knöchernen Strukturen wie der Nasenmuscheln und die kurze Untersuchungsdauer. Das MRT ist jedoch sensitiver, um das Durchbrechen einer Neoplasie in das Gehirn darzustellen. Auf der Suche nach Fremdkörpern muss von Fall zu Fall entschieden werden, welches bildgebende Verfahren eingesetzt werden soll, um die meist lange Leidensgeschichte von Patient und Patientenbesitzern zu beenden. Entscheidungsfaktoren sind die Region (Nase, Lunge oder Muskulatur), auch die Größe des Objektes und natürlich auch die Beschaffenheit des Fremdkörpers, die natürlich vorher meistens nicht bekannt ist.

In welchen Fällen ist ein MRT Mittel der Wahl?

75 % der Fälle, die bei uns eine MRT Untersuchung erhalten, sind Patienten mit neurologischen Symptomen. Nicht bei jeder Untersuchung erwartet man strukturelle Veränderungen, das MRT kann dazu dienen, Ausschlussdiagnosen wie idiopathische Epilepsie oder idiopathisches Vestibulärsyndrom zu stellen. Entdeckt man eine Läsion im zentralen Nervensystem, kann häufig nicht eine definitive Diagnose gestellt werden, die endgültige Diagnose bringt nur die histopathologische Untersuchung des Gewebes. Aber das Signalverhalten in den verschiedenen Sequenzen, Kontrastmittelaufnahme, Lokalisation und Abgrenzung können die möglichen Differentialdiagnosen eingrenzen und zusammen mit der Untersuchung des Liquors interpretiert werden. Auch sekundäre Veränderungen wie ein Kleinhirnvorfall aufgrund eines erhöhten Hirndruckes sind im MRT sichtbar. Abgesehen vom Gehirn ist auch die Untersuchung des Rückenmarkes und der Nerven ein wichtiges Einsatzgebiet des MRT. Bei akuter Rückensymptomatik ist es mit dem MRT möglich, nicht nur einen Bandscheibenvorfall zu sehen, sondern auch Veränderungen innerhalb des Rückenmarkes wie eine sekundäre Myelomalazie zu entdecken. Rückenmarksinfarkte oder traumatische Bandscheibenvorfälle können nur mit MRT entdeckt werden. Gesunde Nerven sind meist nur im Bereich der Nervenwurzel sichtbar. Sind die Nerven jedoch verändert wie bei einem Plexustumor, sind sie im MRT sichtbar und die Ausdehnung und Größe des Tumors kann bestimmt werden. Nur so lässt sich entscheiden, ob ein chirurgischer Eingriff möglich und sinnvoll ist.
Obwohl im Knochen kaum freie Protonen vorhanden sind und gesunder Knochen daher kein Signal im MRT gibt, lassen sich einige Pathologien des Knochens wie ein multiples Myelom sehr sensitiv mittels MRT erkennen. Bei Entzündungen im Knochen ist eine Kontrastmittelaufnahme erkennbar, sodass eine Diskospondylitis viel früher im MRT als auf einem Röntgenbild diagnostiziert werden kann. Die Darstellung von verändertem Knochen macht das MRT auch in der Pferdeorthopädie interessant: Beim Röntgen nicht erkennbare Sklerosen oder ödemartige Veränderungen können Lahmheitsursachen sein, die mit keinem anderen bildgebenden Verfahren so darzustellen sind. Auch das Strahlbein zeigt, bevor Veränderungen im Röntgenbild sichtbar sind, Signalveränderungen im MRT. Die Weichteilstrukturen, die durch die Hufkapsel für Ultraschall unzugänglich sind, können mit MRT untersucht werden. Schäden in den Weichteilen der Hufrollenregion, in der tiefen Beugesehne und Bursa podotrochlearis oder von Seitenbändern zu erkennen, hilft den Orthopäden, die Lokalisation und den Schweregrad der Veränderungen einzuschätzen und eine genauere Prognose zu geben.

Forschung und Entwicklung

Stärkere Magnete können die Untersuchungsdauer erheblich reduzieren und haben ein besseres Signal-Rausch Verhältnis. Diese Entwicklung erlaubt es, Untersuchungen von sich bewegenden Organen wie Lunge, Herz und Gefäßen durchzuführen. Die relativ junge Geschichte des MRT in der Tiermedizin eröffnet ein breites Forschungsgebiet. Ein großer Teil der Erkenntnisse erhält man auch heute noch durch die Korrelation der MRT-Bilder, die am lebenden Tier erworben werden, mit den histopathologischen Befunden. Dafür ist es jedoch nötig, die Tierbesitzer im Fall einer Euthanasie für die Einwilligung in eine pathologische Untersuchung zu gewinnen. Nur so können neue Erkenntnisse in Zukunft für das Wohl der Tiere eingesetzt werden.

HKP 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2009.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.