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Normalverhalten von Kaninchen

Wer nagt denn da?

In Deutschland wurden zwischen 2011 und 2012 laut ZZF [1] ca. 7,6 Mio. kleine Heimtiere gehalten. Kaninchen stehen dabei in der Beliebtheit weit vorne. Sie werden hauptsächlich für Kinder angeschafft, jedoch oft ohne die erforderlichen Vorkenntnisse zu besitzen. Dieser Artikel soll dem Tierarzt die wichtigsten ­Aspekte aufzeigen, die den Haltern bezüglich der richtigen ­Kaninchenhaltung vermittelt werden sollten.

In ihrem Verhalten sind unsere Hauskaninchen den europäischen Wildkaninchen, von denen sie abstammen, sehr ähnlich geblieben. Ein Unterschied ist jedoch, dass die Hauskaninchen eher tagaktiv und die wilden Kaninchen vor allem dämmerungsaktiv sind. Bei den Letztgenannten ist zudem der Bewegungsdrang deutlich größer. Aber sowohl die Wildform als auch domestizierte Kaninchen sind Höhlenbewohner und graben diese gerne selbst. Kaninchen sind darüber hinaus hochsozial und leben in stabilen Gruppen. In der Regel leben sie im Familienverband mit einem männlichen Tier und bis zu fünf weiblichen Tieren. ­Familienverbände können sich zu Kolonien zusammenschließen. Es herrscht eine streng lineare Rangordnung sowohl unter den Männchen als auch den Weibchen. Das Sozialverhalten macht 30–50% des Verhaltensbudgets aus [2]. Zu den sozial-freundlichen Verhaltensweisen gehört ­dabei das Ducken als Putzaufforderung, das soziale Lecken sowie das Kontakt­liegen. Aggressives Verhalten zeigt sich ­dagegen durch Vorstoßen, aggressives ­Jagen, Beißen in den Rücken sowie Hochspringen und Schlagen mit den Hinter­beinen. Kämpfe mit Verletzungsgefahr sind vor allem dann zu beobachten, wenn ein Neuling ohne vorherige Gewöhnung (siehe Kasten Gewöhnungstraining) in die Gruppe kommt, bei Entfernung des ranghöchsten Tieres sowie bei der gemeinsamen Haltung unkastrierter Böckchen.

Aufgrund des ausgeprägten Sozialverhaltens ist eine Einzelhaltung von Kaninchen strikt abzulehnen. Allerdings müssen die Gruppen sorgfältig zusammengestellt werden. Idealerweise werden mehrere Weibchen zusammen mit einem kastrierten Männchen gehalten und die Vergesellschaftung erfolgt vor der Geschlechtsreife.

Gewöhnungstraining

// Getrennte Käfige in eine Entfernung stellen, in der die Tiere noch nicht
reagieren

// Käfige über viele Tage nach und nach annähern (immer nur soweit, dass kein Tier aggressiv reagiert)

//Täglicher Geruchsaustausch: Streuwechsel zwischen den Käfigen

//Zusätzlich Futterumstellung: Raufutter, Obst, Gemüse, aber keine Leckerli und Körner

//Mit Leckerbissen annähern: z.B. mit Löwenzahn o.Ä. zum Käfig des Neuen führen

//Zusammensetzen auf neutralem Terrain mit rutschfestem Boden, mit vielen Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten, ohne Sackgassen etc.

Merke Die Gewöhnung muss immer langsam erfolgen, um unnötigen Stress und Verletzungen zu vermeiden.

Markierverhalten

Kaninchen zeigen ein ausgeprägtes Markierverhalten. Am häufigsten wird mit Kinn-, Inguinal- und Analdrüsen markiert. Mithilfe des so genannten Kinnreibens werden beispielsweise Gegenstände innerhalb des Reviers markiert. Die Inguinal-und Analdrüsen sondern Pheromone ab, die das Sexualleben regeln. Vor allem bei unkastrierten männlichen Tieren kommt es dadurch zu stark riechendem Kot. Zusätzlich werden mithilfe von Urin andere Gruppenmitglieder sowie das Revier markiert. Das gegenseitige Urinmarkieren dient vermutlich der Entstehung des Gruppen­geruchs. Besonders die männlichen Tiere, aber auch einige Weibchen markieren ihr Revier durch Spritzharnen (bis zu 1,5m weit). Dies ist zu beachten, wenn den ­Kaninchen Freilauf in der Wohnung gegönnt wird. Das plötzliche Markieren des Reviers mit Urin kommt v.a. bei Unruhe in der sozialen Gruppe vor. Darüber hinaus spritzharnen manche Kaninchen auch bei Schreck.

Putzverhalten

Das Putzen von Artgenossen oder menschlichen Partnern ist in der Regel ein Zeichen von Zuneigung und Akzeptanz. Eine Putzaufforderung erfolgt durch Ducken. Kaninchen putzen sich auch selbst zum Zweck der Fellpflege (Abb. 1). Auch nach einer stressigen Situation putzen sich ­Kaninchen häufig, um sich zu beruhigen und zur Normalität zurückzukehren. Grundsätzlich ist zu beachten, dass beim Putzen Haare verschluckt werden. Diese werden nur dann wieder komplett aus­geschieden, wenn genug Wasser und Raufutter zur Verfügung stehen.

Feindvermeidung

Um sich in der Umgebung zu orientieren, richten sich die Kaninchen auf und „machen Männchen“. Sie nutzen dazu gerne erhöhte Positionen. Zur Feindvermeidung haben Kaninchen verschiedene Strategien. Sie warnen sich gegenseitig durch das „Warntrommeln“ mit den Hinterbeinen und können sich blitzschnell in den Bau zurückziehen. Gerade Wildkaninchen schaffen es aber auch, sich gegen Angreifer im Bau zu wehren. Sie können sich in den Wohnröhren feststemmen, sodass sie nicht herausgezogen werden können. Die Ultima Ratio, wenn das Kaninchen sich bereits in den Fängen eines Raubvogels befindet, ist der so genannte Greifvogelbefreiungsschlag. Hierbei schlägt das Kaninchen plötzlich heftig mit den Hinterbeinen aus. Dies ist für Tierärzte sehr wichtig zu wissen, denn auf dem Untersuchungstisch kann es bei einer Panikattacke durchaus auch zu diesem Manöver kommen. Sind Rücken und Hinterbeine dann nicht genügend gesichert, kann sich das Kaninchen bei einem solchen Manöver die Wirbelsäule brechen.

Nahrungsaufnahmeverhalten

Kaninchen müssen ca. 60 – 80 kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt einnehmen, ­damit eine adäquate Weiterleitung des Darminhaltes gewährleistet wird. Auch für die Psyche sind die Raufutteraufnahme und das Nagen wichtig, da dadurch Stress abgebaut wird. Darum ist es bei der Behandlung ­bestimmter Verhaltensproblematiken (z.B. Unverträglichkeit) empfehlenswert, zunächst jegliches Kraftfutter komplett abzusetzen und nur noch Raufutter zu füttern.


Abb.1: Kaninchen sind sehr reinlich und betreiben ausgiebige Fellpflege.


Abb.2: Beispiel für ein Kaninchenzimmer: Im vorliegenden Fall wurden noch Einstreu aus Heu/Stroh, Brettchen an der Wand und eine weitere Heuraufe für die gehaltene Dreiergruppe empfohlen.

Bewegungsverhalten

Insgesamt sind Kaninchen sehr bewegungsfreudige Tiere. Sie bewegen sich hauptsächlich mit dem klassischen Hoppeln (eine Schwebephase) vorwärts. Doch sie zeigen auch Schreiten, Schreithoppeln und Springlaufen (zwei Schwebephasen). Bei letzterer Fortbewegungsart erreichen sie die höchsten Geschwindigkeiten. Aufgrund der Bewegungsfreude muss die ­Käfiglänge mindestens das 4,5-Fache der Körperlänge betragen. Alternativ muss der Käfig so groß sein, dass mindestens drei Hoppelsprünge gemacht werden können. Besser als die Käfighaltung ist die Haltung in einem großen Gehege im Freien oder beispielsweise die Einrichtung eines Kaninchenzimmers (Abb. 2). Täglicher Auslauf ist zusätzlich Pflicht.

Gemeinsame Haltung von Kaninchen und Meerschweinchen

Kaninchen sollten auf keinen Fall mit einem Meerschweinchen als Sozialpartner gehalten werden. Beide Tierarten haben unterschiedliche Ansprüche an ihre Haltungsumwelt. So halten sich Kaninchen bspw. gerne an erhöhten Orten auf und Meerschweinchen bevorzugen den Aufenthalt in Höhlen und anderen Verstecken. Zusätzlich haben Kaninchen und Meerschweinchen ein unterschiedliches Sozialverhalten. Als Beispiel sei hier nur das ­soziale Lecken und Kuscheln angeführt, das Kaninchen sehr gerne betreiben, während Meerschweinchen eher auf Distanz leben, sich nicht gegenseitig putzen, aber dafür im Gegensatz zu den Kaninchen viel über die Stimme kommunizieren.

Tierärztliche Kontrolle

Kaninchen sind stressanfällig und müssen möglichst schonend transportiert werden. Ein idealer Transportkorb ist gut belüftet und groß genug, dass zwei Kaninchen darin bequem Platz finden, um sich gegenseitig soziale Unterstützung bieten zu können. Er sollte zudem möglichst dunkel und mit Handtüchern ausgelegt sein. ­Etwas Heu, um den aufkommenden Stress durch ­Nagen zu mindern, sowie eine Trinkmöglichkeit sollten ebenfalls vorhanden sein. Selbstverständlich ist die Fahrt so kurz wie möglich zu halten und es sollten angenehme Temperaturen im Auto herrschen. Eine tierärztliche Kontrolle sollte auch bei gesunden Tieren mindestens einmal im Jahr, besser jedoch halbjährlich erfolgen. Diese Regelmäßigkeit ist schon alleine notwendig, um einen Impfschutz ­gegen RHD (rabbit haemorrhagic disease) und Myxomatose aufrechtzuerhalten. Gegen letztere Erkrankung sollte halbjährlich geimpft werden, außer es wird ein Kombinationsimpfstoff verwendet, der eine einjährige Immunität gegen beide Krankheiten bewirkt. Da die Erregerübertragung bei beiden Erkrankungen über Steckmücken und kontaminierte Gegenstände (Grünfutter etc.) erfolgen kann, der Verlauf oft tödlich ist und eine Therapie nur symptomatisch erfolgen kann, sollten auch Wohnungskaninchen geimpft werden. Bei den Kontrollunter­suchungen sollte zudem ein besonderes Augenmerk auf etwaige Zahnprobleme und Parasitenbefall gelegt werden.

take home

Kaninchen sind hochsozial und müssen in stabilen Gruppen gehalten werden. Sie sind darüber hinaus sehr ­bewegungsfreudig und brauchen eine Mindestkäfiggröße, die das 4,5-Fache der Körperlänge beträgt bzw. drei Hoppelsprünge zulässt. Raufutter und Nagemöglichkeiten müssen immer vorhanden sein. Eine tierärztliche Kontrolle sollte idealer­weise halbjährlich erfolgen – mit besonderem Augenmerk auf Impfstatus, Zahnprobleme und Endoparasiten.

Literatur

[1] http://www.zzf.de/dateiarchiv/ZZF_Der_deutsche_Heimtiermarkt_2011_2012.pdf

[2] Drescher B. (1998): Verhalten und Verhaltensstörungen bei Hauskaninchen, GanzhTiermed 12, 129 – 132

Bilder: © shime - Fotolia.com

Stichwörter:
Darminhaltes, Nahrungsaufnahmeverhalten,

HKP 6 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2013.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.