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Die minimalinvasive Plattenosteosynthese (MIPO)

Neues Verfahren

Minimalinvasive Osteosyntheseverfahren finden auch in der Veterinärmedizin immer mehr Verbreitung. Zum einen hat sich die Operationstechnik durch eine Vielzahl an innovativen Implantaten und Fixationsmöglichkeiten in den letzten Jahren gewandelt. So hat beispielsweise die Verbreitung der Arthroskopie und der Durchleuchtung (C-Bogen) neue Möglichkeiten geschaffen, minimalinvasiv zu arbeiten. Zum anderen hat sich durch ein größeres Verständnis der Frakturheilung die Schonung des Weichteilmantels und der Fragmente in der Frakturzone in den Vordergrund gestellt. Trotzdem können diese Hilfsmittel die Kenntnis der normalen Anatomie, das dreidimensionale räumliche Vorstellen der anatomischen Strukturen und vor allem die klinische Erfahrung des Chirurgen nicht ersetzen. Dr. Ullrich Reif stellt das Verfahren der minimalinvasiven Osteosynthese vor.

Die minimalinvasiven Osteosyntheseverfahren grenzen sich von den minimalinvasiven Operationsverfahren von Körper- und Gelenkhöhlen etwas ab. Bei den Körperhöhlen und Gelenken handelt es sich hauptsächlich um die Minimierung des Zugangs. Bei der minimalinvasiven Osteosynthese hingegen sollen nicht nur der Zugang, sondern auch das chirurgische Trauma des Weichteil-Knochen-Verbundes minimiert werden. Früher konnten nur ein intramedullärer Nagel, ein Fixateur externe oder eine Kreuzspickung minimalinvasiv durchgeführt werden, wenn die Frakturkonfiguration es erlaubte, eine geschlossene Reposition durchzuführen. Damit nahm man jedoch auch die Nachteile dieser Fixationsmethoden, wie die geringere Stabilität oder die postoperative Behinderung der Weichteile in Kauf. Bei Plattenosteosynthesen hingegen wurde früher eine absolute Stabilität und rigide Fixation angestrebt. Über einen größeren Zugang wurde der Knochen frei gelegt, die Fragmente reponiert, eventuell mittels Zugschrauben oder Cerclagen primär fixiert und durch das Anbringen einer Knochenplatte mit konventionellen Knochenschrauben die Kraftübertragung über den Frakturbereich gesichert.
Heute können fast alle Osteosyntheseverfahren wie die externe Fixation, Marknagelung mittels Verriegelungsnagel, Platten- und Schraubenosteosynthesen und die Kombinationen dieser Verfahren minimalinvasiv durchgeführt werden. Vor allem die Entwicklung von winkelstabilen Knochenplatten, die als Fixateur interne angewandt werden können, hat die Frakturversorgung vereinfacht und neue Möglichkeiten geschaffen.

Ziele der minimalinvasiven Plattenosteosynthese

Die Ziele der MIPO gleichen denen der konventionellen Plattenosteosynthese, es wird jedoch versucht, das Knochen- und Weichteilgewebe so wenig wie möglich zu traumatisieren. Dies darf jedoch nicht zulasten einer verringerten Reposition oder geringeren Stabilität der Frakturversorgung geschehen.

- Wiederherstellung der Länge, Rotation und Achse des Knochens
- Apposition der Fragmente
- Fixation mit hoher Stabilität
- Geringes Weichteiltrauma
- Minimaler Zugang zum Operationsfeld
- Ästhetische Operationsverfahren
- Frühe Wiederherstellung der Funktion durch Verzicht auf Verbände, frühes Belasten und den Einsatz von Physiotherapie

Voraussetzungen für eine minimalinvasive Plattenosteosynthese

Die Technik der MIPO eignet sich nicht für alle Frakturtypen. Bei Querfrakturen im Schaftbereich ist eine exakte Reposition und Fixation mittels Kompressionsosteosynthese vorteilhaft. Dazu müssen die Weichteile im Frakturspalt entfernt werden, die Fragmente unter Sicht reponiert und die Knochenplatte nahe am Frakturspalt mit Schrauben fixiert werden. Auch gelenknahe Frakturen und intraartikuläre Frakturen bedürfen einer exakten anatomischen Reposition. Hier kann zwar der Zugang minimiert werden, die Reposition durch eine begleitende Arthroskopie überwacht werden, jedoch darf eine Minimierung des Zugangs nicht zu einer schlechteren Reposition der Fragmente führen.

Durchführung einer minimalinvasiven Plattenosteosynthese

Eine minimalinvasive Plattenosteosynthese kann auch mit konventionellen Knochenplatten (Rundloch-, DCP- oder LC-DCP-Platten) durchgeführt werden. Die Weiterentwicklungen der letzten Jahre haben jedoch deutliche Vorteile für die minimalinvasive Osteosynthese gebracht. Dabei werden die Vorteile des Fixateur externe, der eine winkelstabile Verbindung zwischen den Knochen penetrierenden Nägeln und der externen Verbindungsstange darstellt, auf eine Knochenplatte angewandt und in eine interne Fixation umgewandelt. Diese winkelstabilen Implantate eignen sich vor allem für die Fixation von komplexen, nicht reponierbaren Schaftfrakturen. Der Frakturbereich wird weitestgehend belassen, auf eine Reposition der einzelnen Fragmente wird verzichtet. Während der Distraktion werden die Fragmente durch die Faszien und Muskeln in Richtung Knochenachse gedrückt. Ziel der Osteosynthese ist es, die Länge des Knochens und die Achsenausrichtung der Gelenke wieder herzustellen. Verschiedene Firmen (Fixin, Synthes, Königsee, Orthomed, Securos, Veterinary Instrumentation etc.) bieten heute winkelstabile Systeme für die Versorgung von Frakturen beim Kleintier an. Die Schritte der MIPO bestehen aus 1.) Reposition der Fragmente, 2.) Erstellung eines limitierten Zugangs, proximal und distal zur Frakturzone und deren Verbindung über einen Weichteiltunnel zur Aufnahme der Implantate sowie 3.) Einbringen der Knochenplatte und Fixation mittels Schrauben zur Stabilisierung der Fraktur. Vorteilhaft für das Ausrichten der Fragmente, das Einbringen der Implantate und das Abschätzen der Reposition ist eine Durchleuchtung während der Operation. Ein leicht manövrierbarer Mini-C-Bogen eignet sich für die orthopädischen Eingriffe beim Kleintier, die Durchleuchtung ist jedoch nicht in jedem Fall nötig. Zur Reposition der Fragmente und Ausrichtung der Knochenachse können verschiedene Hilfsmittel angewandt werden. Eine Distraktion der Fraktur kann durch Zug am Bein schon vor dem Eingriff während der Vorbereitung eingeleitet werden. Durch das vorübergehende Anbringen eines Ilizarov-Halbrings oder eines Fixateur externe können die Fraktur distrahiert und die Fragmente ausgerichtet werden. Auch das Einbringen eines intramedullären Nagels kann die Knochenachse ausrichten und die Länge des Knochens wiederherstellen. Der Durchmesser des Nagels sollte jedoch nur 30 bis 50 % des Markraums betragen, um das anschließende Einbringen der Schrauben nicht zu behindern. Bei der Verwendung von winkelstabilen Knochenplatten muss auch bedacht werden, dass die Schrauben nicht angewinkelt werden können, sondern im 90 °-Winkel zur Knochenplatte eingebracht werden müssen. In manchen Fällen können perkutan angewandte, spitze Knochenhaltezangen die Reposition sichern, bis die Knochenplatte angebracht wurde. Der Einsatz von Knochenhaltezangen zur Manipulation der Fragmente sollte so gering wie möglich gehalten werden, da sie das Periost und die Blutzufuhr zum Knochen stark beeinträchtigen können.

Vorteile der minimalinvasiven Plattenosteosynthese

Die Vorteile der minimalinvasiven Plattenosteosynthese bestehen vor allem in der geringeren Zerstörung des Weichteilmantels. Die Implantate werden über kleine Zugänge oder einzelne Implantate über Stichinzisionen eingebracht. Die kleineren Zugänge verringern das Operationstrauma und reduzieren das Infektionsrisiko. Die Knochenfragmente werden so nur minimal von ihrem Weichteilmantel getrennt, das Blutkoagel im Frakturbereich nicht entfernt und die Blutzufuhr so maximal geschont. Bei einer Osteosynthese mit relativer Stabilität kommt es zur Knochenheilung über Kallusbildung, also zu einer indirekten Knochenheilung mit reduzierter Infektionsrate und schnellerer Rehabilitation. Ein weiterer Vorteil ist die kosmetische, kleinere Wunde. Dies mag bei Tierpatienten nicht so sehr ins Gewicht fallen wie beim Menschen, jedoch sind die Implantate im Frakturbereich vom Weichteilmantel verschlossen und das Risiko einer Wunddehiszenz durch Lecken oder/und eine Infektion ist geringer. Die Patienten erfahren dadurch postoperativ weniger Schmerzen aufgrund des geringeren Operationstraumas, was ein früheres Wohlbefinden und bessere Lebensqualität bedeuten. Bei guter Durchführung und Erfahrung des Chirurgen kann durch diese Methode Zeit eingespart und somit auch die Narkosezeit herabgesetzt werden. Ein weiterer Vorteil für die Patientenbesitzer liegt im postoperativen Handling – durch die kleinen Operationswunden und die meist intrakutane Nahttechnik ist fast keine Wunde sichtbar, die äußeren Hautirritationen werden somit sehr gering gehalten, es wird kein Halskragen benötigt und es müssen keine Fäden gezogen werden. Auch die Implantatentfernung kann ähnlich wie das Einbringen der Implantate durch einen minimalinvasiven Zugang durchgeführt werden. Dabei müssen die Schrauben entfernt werden, um die Platte lockern zu können. Bei winkelstabilen Implantaten kann das Entfernen der Schrauben problematisch sein, da sich die Verbindung des Schraubenkopfes mit der Knochenplatte eventuell nicht lösen lässt. Sind die Schrauben entfernt, wird die Knochenplatte entlang der Knochenachse unter dem Weichteilmantel gelöst und aus einem der Zugänge herausgezogen. Bei Implantaten, die längere Zeit belassen wurden, sowie Materialien wie Titan, die stärker zum Einwachsen in den Knochen neigen, kann die Kallus- und Knochenbildung die Implantate in die Kortex integrieren.

Nachteile der minimalinvasiven Plattenosteosynthese

Natürlich hat die minimalinvasive Plattenosteosynthese auch Nachteile. Sie ergeben sich vorwiegend aus der limitierten bzw. nicht vorhandenen Sicht der Knochenfragmente durch die kleinen Zugänge. Dabei können die Reposition, die Länge des Knochens und die Gelenkstellung falsch eingeschätzt werden, was zu Fehlstellungen (varus, valgus, Innen- oder Außenrotation) oder zu einer inadäquaten Reposition der Fragmente führen kann. Durch den Einsatz der Durchleuchtung können diese Probleme teilweise gelöst werden, es entsteht jedoch ein größerer operativer Aufwand. Das Einschätzen der Implantatgröße und der Implantatlänge kann bei offenen Zugängen direkt geschehen. Die gewünschte Knochenplatte wird auf die Fraktur gehalten und kann bei Bedarf gewechselt werden. Auch die Position der Knochenschrauben kann so visuell kontrolliert werden. Dieses direkte Feedback entfällt bei der minimalinvasiven Osteosynthese und muss durch Erfahrung ausgeglichen werden. Dabei ist gerade bei winkelstabilen Systemen die Positionierung der Knochenplatte sehr wichtig. Sie entscheidet über die Position der Schrauben, die mithilfe einer Bohrhülse im 90 °-Winkel zur Knochenplatte eingebracht werden. Liegt die Knochenplatte nicht korrekt über dem Knochen, so können die Schrauben den Knochen eventuell nur teilweise greifen. Trotzdem entsteht beim Einbringen der Schraube ein Gefühl der Sicherheit, wenn der Schraubenkopf im Plattenloch fixiert wird.

HKP 6 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2011.
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