HKP-3-2010
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Wer haftet für Personenschäden im Rahmen tierärztlicher Behandlungen?
Wer haftet für Personenschäden im Rahmen tierärztlicher Behandlungen?
Haftung des Tierhalters gegenüber dem Tierarzt Teil 1
In folgender Artikelreihe stellt Sabine Warnebier anhand aktueller Urteile die Voraussetzungen und Grenzen der Haftung des Tierarztes gegenüber dem Tierhalter ebenso wie die Haftung des Tierhalters gegenüber dem Tierarzt dar und zeigt dem Tierarzt zudem Möglichkeiten auf, sein eigenes Haftungsrisiko zu begrenzen.
Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen und richterlicher Entscheidungen ist die Frage, ob ein Tier anlässlich einer tierärztlichen Behandlung gesundheitliche Schäden erlitten und inwieweit der Tierarzt hierfür einzustehen hat. Oft kommt es jedoch auch zu Situationen, in denen der Tierarzt selbst oder ein Patientenhalter verletzt werden. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass ein Pferd anlässlich einer Untersuchung austritt und dabei den hinter ihm stehenden Tierarzt trifft oder ein Tierhalter bei der Durchführung der Behandlung „assistiert“ und hierbei von seinem Tier verletzt wird. Hierbei können sowohl auf Seiten des Tierarztes als auch des Tierhalters erhebliche gesundheitliche Beschwerden mit teilweise lang andauernden Folgen entstehen, welche insbesondere auf Seiten des Tierarztes z.B. bei einer Arbeitsunfähigkeit zu empfindlichen wirtschaftlichen Einbußen führen können. Insofern ist auch hier zu klären, ob eine Haftung seitens der Beteiligten besteht und welche Schäden im Zweifel ausgeglichen werden müssen.
Fallgestaltung 1 Haftung des Tierhalters gegenüber dem Tierarzt
Der erste Teil der Reihe beschäftigt sich mit den Fällen, in welchen der Tierarzt bei der Verrichtung seiner Tätigkeit einen Schaden durch das zu behandelnde bzw. zu untersuchende Tier erleidet. Grundsätzlich handelt jeder Tierarzt bei der Ausübung seines Berufes „auf eigene Gefahr“. Dies bedeutet, er ist zunächst selbst für seine Sicherheit und die Vermeidung bzw. Minimierung der „berufsspezifischen Gefahren“ verantwortlich. Auf der anderen Seite normiert § 833 BGB die Voraussetzungen der sogenannten „Tierhalterhaftung“ also die Haftung des Tierhalters für Schäden, welche sein Tier verursacht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diesbezüglich in seinem Urteil vom 17.03.2009 (Az. VI ZR 166/08) zu entscheiden, ob ein Tierarzt von einem Tierhalter Schadensersatz verlangen kann, wenn der Tierarzt anlässlich einer rektalen Fiebermessung bei einem Pferd von diesem getreten wird und hierdurch einen Trümmerbruch am rechten Daumen erleidet. Die ersten beiden Instanzen hatten die Klage des Tierarztes auf Schadensersatz abgewiesen, da die dortigen Gerichte der Auffassung waren, dass im vorliegenden Fall die Tierhalterhaftung aus § 833 BGB aufgrund eines Handelns auf eigene Gefahr (der Tierarzt hätte wissen müssen, dass das Pferd austreten und ihn verletzen könnte und daher entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen) vollständig ausgeschlossen wird. Der BGH jedoch hat der Revision des Tierarztes stattgegeben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Der BGH führte zur Begründung aus, dass zwar in Ausnahmefällen Konstellationen denkbar seien, in denen eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr eintrete. Dies komme aber regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt habe, um aufgrund vertraglicher Absprachen mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der Fall sei. Ein Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorge, handele in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Vielmehr setze er sich der Tiergefahr aus triftigem Grund aus.
Der BGH hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass auch der fachkundige Tierarzt, der sich einem Tier in Kenntnis der aus einer Untersuchung oder Behandlung resultierenden Gefahren nähert, nicht grundsätzlich haftungsrechtlich „ungeschützt“ ist. Jedoch ist zu beachten, dass selbstverständlich Versäumnisse oder Fehler auf Seiten des Tierarztes bei der Durchführung der Untersuchung oder Behandlung (z.B. unsachgemäßer Umgang mit dem Tier) im Rahmen einer Mitverursachung bzw. eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB zu Berücksichtigen sind und so zu einer Reduzierung der Tierhalterhaftung bis zu deren vollständigem Ausschluss führen können. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Tierhalter für Schäden, die sein Tier im Rahmen tierärztlicher Untersuchungen bzw. Behandlungen anrichtet, grundsätzlich einzustehen hat, der verletzte Tierarzt sich jedoch eigene Versäumnisse und Fehler u.U. schadensersatzmindernd anrechnen lassen muss.
Der Umfang sowie die Höhe des Schadensersatzes richten sich zudem nach den konkret entstandenen Schäden. Hierbei sind nicht nur die Behandlungskosten und ein angemessenes Schmerzensgeld in Ansatz
zu bringen, sondern es ist auch an weitere Schäden wie z.B. Kosten für die Fahrten zu Ärzten bzw. Krankenhäusern, Verdienstausfall, Kosten für die Beschäftigung eines Vertreters etc. zu denken. Soweit ein Tierarzt also Schäden bei der Durchführung einer Untersuchung oder Behandlung durch ein Verhalten des Tieres erleidet, sollte er den Tierhalter in jedem Falle auffordern, die zuständige Haftpflichtversicherung bekannt zu geben und den Schadensfall dort zu melden. Sollte sich der Tierhalter weigern, die Daten bekannt zu geben oder die Haftpflichtversicherung ihre Einstandspflicht ablehnen, empfiehlt es sich, fachkundigen Rat einzuholen.
warnebier@moenigundpartner.de
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