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Fauchen und Pfeifen

Atemwegserkrankungen bei Schlangen – Ursachen und Möglichkeiten der Diagnostik

Reptilien sind als poikilotherme Lebewesen in extremem Maße von den angebotenen Umgebungsbedingungen abhängig und Erkrankungen insbesondere der Lungen haben häufig eine Ursache in der fehlerhaften Unterbringung. Dazu kommen auch Infektionserkrankungen,
die sich seuchenhaft im Bestand ausbreiten können. Die Anatomie und Physiologie der Schlangenlunge stellt bei der Diagnostik allerdings besondere Anforderungen an den Tierarzt.

Anatomische und physiologische Besonderheiten

Die Schlangenlunge stellt sich als sackförmiges Organ dar, welches aus einem kleineren, kranialen, gasaustauschenden Teil und kaudal aus einem großen nicht respiratorischen Luftsack besteht. Ein Bronchialbaum ist nicht ausgebildet. Die Lungen reichen von der Herzspitze, nach kaudal über Leber, Gallenblase und Teile des Gastrointestinaltrakts hinweg. Die linke Lunge ist deutlich kleiner als die rechte oder fehlt völlig. Schlangen fehlt ein Zwerchfell, deshalb können sie entzündliche Sekrete nicht abhusten, sie sammeln sich oft im ventralen Bereich der Lunge an. Im Gegensatz zum Säuger können Reptilien auch bei nicht ausreichender Sauerstoffsättigung verhältnismäßig lange klinisch unauffällig bleiben, deshalb werden die Tiere meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium vorgestellt.

Symptome

Respiratorische Erkrankungen zeigen sich bei Schlangen durch Nasenausfluss, entzündliche Veränderungen und Auflagerungen in der Maulhöhle sowie Atmung bei geöffnetem Maul. In der Maulhöhle wird oft eine begleitende Stomatitis festgestellt. In extremen Fällen überstrecken die Tiere den Kopf nach oben und reißen das Maul so weit als möglich auf. Die Trachealöffnung stellt sich häufig gerötet und geschwollen dar, nicht selten kann bei Schlangen auch in der Trachea eitriges Sekret diagnostiziert werden.
Atemgeräusche können teilweise deutlich hörbar sein, typisch ist ein Fauchen oder Pfeifen. Diese Geräusche sollten, um sie von Drohgeräuschen differenzieren zu können, in Ruhe beurteilt werden. Insbesondere virale Infektionen wie die Paramyxovirusinfektion und die Inclusion Body Disease zeigen sich nicht nur in respiratorischen Störungen, sondern auch in zentralnervöser Symptomatik wie Inkoordination, Verlust des Umdrehreflexes und abnormer Körperhaltung.
Auch eine generelle Schwäche, Abmagerung und Apathie kann natürlich ihre Ursache in einer Erkrankung des Respirationstraktes haben, insbesondere in fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist der Stoffwechselumsatz der Tiere dann häufig so weit reduziert, dass die respiratorische Symptomatik nicht mehr offensichtlich ist. Deshalb empfiehlt sich die genaue Beurteilung des Respirationstraktes bei allen erkrankten Tieren.

Ursachen und Diagnostik

Da insbesondere bakterielle Erreger bei Schlangen meist nur fakultativ pathogen sind, führt oft erst das Zusammentreffen verschiedener Faktoren – beispielsweise einer Erregeranreicherung im Terrarium und unzureichende klimatische Bedingungen – zu der Ausprägung klinischer Symptome.
Die Diagnostik zielt einerseits auf den Nachweis des auslösenden Agens ab, hierzu sind entsprechende mikrobiologische Untersuchungen erforderlich. Andererseits liefern die bildgebenden Verfahren dazu einen Überblick über das Ausmaß der Erkrankung und erlauben eine entsprechende Prognose bzw. eine Kontrolle des Heilungserfolges.
Grundsätzlich kommt der nicht artgerechten Haltung und Fütterung eine entscheidende Bedeutung zu, entsprechend ist die Haltungsoptimierung essentieller Bestandteil jeder Therapie. Von Bedeutung ist unter anderem ein Bewegungsmangel durch unzureichende Terrariengrößen, da hierdurch eine adäquate Lungenbelüftung eingeschränkt sein kann. Die allgemeinen hygienischen Verhältnisse sind ebenfalls von großer Bedeutung und können zu einer Schwächung der allgemeinen Krankheitsresistenz beitragen. In ungeeignetem Bodensubstrat können sich problematische Keime anreichern. Des Weiteren ist eine optimale Temperatur essentiell für ein funktionierendes Immunsystem. Reptilien sind hier grundsätzlich auf externe Wärmequellen und einen Temperaturgradienten im Terrarium angewiesen. Die Luftfeuchtigkeit muss den physiologischen Bedürfnissen angepasst sein. So benötigen Baumpythons (Morelia viridis) beispielsweise eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Bakterielle Infektionen sind sowohl als primäre Ursache als auch als Sekundärerreger von Bedeutung. Die am häufigsten isolierten und als pathogen betrachteten Erreger sind Aeromonas, Pseudomonas, Stenotrophomonas, Klebsiella, Salmonella und Proteus. Grundsätzlich können diese Erreger auch aus der Maulhöhle bei gesunden Tieren als Teil der autochthonen Flora isoliert werden. Der Nachweis in Reinkultur ist aber als problematisch anzusehen. Aussagekräftiger als ein Abstrich aus der Maulhöhle ist der Nachweis aus dem unteren Atmungstrakt mittels Trachealspülung.
Die Entnahme von Trachealspülungen ist einfach und für die Diagnostik bei Atemwegserkrankungen dringend zu empfehlen: Hierzu wird zunächst der Bereich des Trachealeinganges mit einem Schleimhautdesinfizienz (z. B. Octenisept®) gesäubert, um eine Kontamination der Sonde beim Einführen in die Trachea zu verhindern. Anschließend wird ein steriler Schlauch entsprechender Größe in die Trachea eingeführt und ca. die Hälfte der geschätzten Tracheallänge vorgeschoben.Dann werden bis zu 2 ml/kg Körpermasse sterile angewärmte physiologische Natriumchloridlösung in die Trachea eingegeben. Anschließend wird der Kopf des Tieres nach unten gehalten und ein Teil der Flüssigkeit wird rückgewonnen.
Die so gewonnene Flüssigkeit kann direkt unter dem Mikroskop untersucht oder auf einen Tupfer verbracht und dann bakteriologisch- mykologisch ausgewertet werden. Auch der Nachweis von Virusinfektionen aus diesen Proben ist sinnvoll. Zwei bedeutende virale Erkrankungen können bei Schlangen zu respiratorischen Problemen führen: die Paramyxovirusinfektion und die durch ein unbekanntes Virus (vermutlich ein Retrovirus) hervorgerufene „Inclusion Body Disease der Boiden“. Beide Erkrankungen betreffen nicht nur den Atmungstrakt, sondern auch andere Organsysteme. Symptome sind ZNS-Störungen, Erbrechen und allmähliche Abmagerung. Im akuten Verlauf können eine hochgradige Dyspnoe, Atmung mit geöffnetem Maul sowie teilweise blutige Schleimabsonderungen auftreten. Da beide Erkrankungen in ihrer Bedeutung stark zugenommen haben und auch in augenscheinlich gesunden Beständen zu finden sind, besteht hier ein großer Forschungsbedarf. Die Klinik für Vögel und Reptilien führt hierzu gezielte Untersuchungen durch (siehe Aufruf).
Zur Diagnostik der Paramyxovirusinfektion werden Tupferproben aus Rachen, Trachea (s.o.) und Kloake, welche in steriler physiologischer Natriumchloridlösung bzw. in Spezialmedium versandt werden, empfohlen. Die Diagnostik der Inclusion Body Disease gestaltet sich schwieriger, da das genaue auslösende Agens noch nicht
bekannt ist. Es werden intrazytoplasmatische Einschlusskörper in Bioptaten bzw. in Blutzellen nachgewiesen. Die gebräuchlichsten Verfahren am lebenden Tier sind die ultraschallgeführte Leberbiopsie und die Untersuchung des Buffy-Coats nach Färbung. Letzteres Verfahren ist einfach aber weniger sensitiv.
Für beide Erkrankungen ist bei Nachweis bei einem Tier ein Bestandsscreening und eine gezielte Selektion der Tiere unerlässlich, um den Bestand sanieren zu können! Bei den bildgebenden Verfahren ist die Röntgenuntersuchung meist eher unergiebig, da sich die Schlangenlunge kaum darstellt. Demgegenüber zeigen moderne bildgebende Verfahren wie die Computertomographie exakt die Veränderungen und ermöglichen eine genaue Beurteilung. Des Weiteren können auch endoskopische Verfahren genutzt werden, um die Lunge zu beurteilen. Die
Ergebnisse der bildgebenden Diagnostik helfen, die mikrobiologischen Befunde besser zu interpretieren und ein geeignetes Therapieschema wählen zu können.

pees@vogelklinik.uni-leipzig.de

HKP 1 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2009.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
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Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.