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HKP-7-2015 > Verletzt – na und?

Verletzt – na und?

Niederfrequente, ultraschallassistierte Wundbehandlung bei Pferden

Wundheilungsstörungen sind ein bekanntes Problem bei Pferden, vor allem an exponierten Stellen, im Bereich von Gelenken und an der distalen Gliedmaße. Schlecht heilende Wunden zeigen typischerweise ein chronisch infiziertes und überschießendes Granulationsgewebe. Bei ähnlichen Wunden wird in der Humanmedizin schon seit einigen Jahren ultraschallassistierte Wundbehandlung eingesetzt.

Aktuelle Behandlungsprotokolle sehen zwei bis drei Behandlungen pro Woche vor. In der Zeit zwischen den Behandlungen werden die Wunden mit nicht adhäsiven Wundauflagen abgedeckt (Bäumler et al. 2003, Dissemond et al. 2003, Tan et al. 2007). Die Methode wird seit einigen Jahren an der Klinik für Pferde der FU Berlin eingesetzt. Wir berichten hier über erste Erfahrungen mit der ultraschall-assistierten Wundbehandlung beim Pferd.

Effekte der Ultraschall-assis­tierte Wundbehandlung (UAW)

Bei der UAW werden am Ultraschallgerät nieder­frequente Schallwellen im Bereich von 0,75 bis 3MHz erzeugt. Diese werden bei den heutigen Geräten in der durch eine Spülflüssigkeit her­gestellten Kontaktzone zwischen der Spitze des Handstücks (Sonotrode) und dem Gewebe umgesetzt. Die Spitze des Handstücks wird während der Behandlung direkt auf die Wunde aufgesetzt und ständig in Bewegung gehalten. Die erzeugten Schwingungen lösen dabei sowohl thermische als auch mechanische Effekte aus (Dissemond et al. 2003). Das Handstück wird während der Anwendung durch den kontinuierlichen Flüssigkeitsdurchlauf gekühlt. Dafür können verschiedene Antiseptika, Vollelektrolyt­lösungen oder physiologische Kochsalzlösung verwendet werden. Bei der niederfrequenten, ultraschallassistierten Wundbehandlung kann der thermische Effekt nahezu vernachlässigt werden (Bäumler et al. 2003, Davis und Ovington 1993, Young und Dyson 1990a). Wird der Ultraschallfrequenzbereich jedoch erhöht, kommt es auch zu einer messbaren Temperaturer­höhung im geschädigten Gewebe (Byl et al. 1993). Der mechanische Effekt ergibt sich durch die Schwingungen an der Sondenspitze. Hierbei kommt es zusammen mit dem Flüssigkeitsfilm, gebildet durch die Spülflüssigkeit, auf der Wundoberfläche zu einem Kavitationseffekt, der ein zyklisch implodierendes Vakuum nach sich zieht (Davis und Ovington 1993, Dyson 1987). Dies zerstört Bakterienzellwände, Biofilme auf der Wunde und mobilisiert lose Zell- und Gewebsfragmente (Schoenbach 1994, Stanisic et al. 2005). Der Spüleffekt, der durch die Flüssigkeitszufuhr zustande kommt, wird durch den mechanischen Effekt der Kavitation somit noch verstärkt (Bäumler et al. 2003, Tan et al. 2007). Durch die schmerzfreie Ablation der Wundoberfläche wird die oberflächliche bakterielle Besiedelung herabgesetzt und die Wunde aufgefrischt (Bäumler et al. 2003, Schoenbach 1994). Intaktes Gewebe wird dabei von der ­Sonotrode nicht angegriffen, sodass der Epithelsaum intakt bleibt (Stanisic et al. 2005). Bei In-vitro-Versuchen wurde zudem eine Aktivierung der Fibrinolyse in der Wunde unter der Behandlung mit niedrigfrequentem Ultraschall festgestellt (Francis et al. 1992). Während der Proliferationsphase regt es bei In-vivo-Versuchen an Schweinen die Fibroblasten zur vermehrten Bildung von Kollagen an (Byl et al. 1992, Dyson 1987, Young and Dyson 1990b). In weiteren tierexperimentellen Studien wurde durch die UAW auch ein positiver Effekt auf die Angio­genese beschrieben (Young und Dyson 1990a).

Anwendung der UAW in der Humanmedizin

Bereits seit einigen Jahrzehnten wird UAW in der Humanmedizin erfolgreich bei chronisch-infizierten Wunden mit Wundheilungsstörungen und diabetischen Ulcera eingesetzt (Peschen et al. 1997, Tan et al. 2007). Der Kopf der Sonotrode wird während der Behandlung direkt auf die Wundoberfläche aufgesetzt, wodurch das Granu­lationsgewebe durch den mechanischen Effekt der Kavitation unter der Spülung schonend debridiert wird (Abb.1). In der humanmedizinischen Behandlung werden UAW-Therapien zumeist ohne systemische Schmerzstillung durchgeführt. Bei Ulcera mit knöcherner Beteiligung wird auf jeden Fall vor der Behandlung ein Lokalanästhetikum in Gelform aufgetragen. Die Patienten klagten zumeist lediglich über leichte Schmerzen und ein unangenehmes Kribbeln (Bäumler et al. 2003, Tan et al. 2007). Die üblichen, aktuellen Behandlungsprotokolle sehen zwei bis drei Behandlungen pro Woche vor, welche zumeist ambulant durchgeführt werden.


Abb.1: Sprühnebel während des Einsatzes

UAW-Anwendung beim Pferd

Aufgrund der unterschiedlichen Wundheilung zwischen Mensch und Pferd war vor der Anwendung der UAW beim Pferd nicht bekannt, wie das Granulationsgewebe auf die Behandlung reagiert. Bei Pferden kommt es bei chroni­schen Wunden im Vergleich zur Humanmedizin häufig zur Bildung von Hypergranulations­gewebe. Staphylococcen, die häufigsten Keime auf chronischen Wunden beim Pferd, neigen häufig zur Bildung von Biofilmen (Westgate et al. 2011), bei deren Bekämpfung die UAW in der Humanmedizin bereits gute Erfolge erzielt hat. Der erste Einsatz der UAW beim Pferd war eine seit anderthalb Jahren bestehende Wunde an der Unterbrust eines Vollblutwallachs, die durch Verbände nur sehr schlecht abzudecken war (Abb.2). Die Behandlung ließ sich ohne Probleme dreimal wöchentlich am stehenden Tier ohne Sedierung durchführen (Rheiner et al. 2011). Während der Behandlungen kam es zu Blutungen, die in den ersten beiden Wochen deutlich stärker waren als in der Folgezeit. Der Behandlungszeitraum umfasste sechs Wochen, in deren Verlauf die Wunde zur vollständigen Abheilung gelangte und die Narbe auch eineinhalb Jahre später noch stabil war (Abb.4).


Abb.2: Seit 1,5 Jahren bestehende, chronische Wunde an der Unterbrust bei Beginn der UAW-Therapie


Abb.3: chronische Brustwunde nach der ersten UAW-Behandlung


Abb.4: chronische Brustwunde nach 6-wöchiger Therapie,
vollständig verheilt auch nach weiteren 1,5 Jahren

Für die Behandlung aller in der Folge behandelten Patienten wurde an der Klinik für Pferde der FU Berlin das Sonoca 180 der Firma Söring verwendet (Abb.5). Dieses Gerät ist mittlerweile seit vier Jahren im Routineeinsatz und es wurden bereits vielfach chronische Wunden, vor allem im Bereich der distalen Gliedmaße, mithilfe der UAW behandelt. Hinsichtlich der Bildung von Hypergranulation zeigten sich hierbei bei zwei bis drei Behandlungen pro Woche gute Erfolge. Die Wunden wurden in der Zeit zwischen den Behandlungen soweit wie möglich mit einer nichtadhäsiven Wundauflage abgedeckt und unter Verband gehalten. Bei keinem dieser Patienten war das Abtragen von Hypergranulation mit dem Skalpell während der Heilungsphase nötig, da das regelmäßig angewendete, schonende Debridement mittels UAW der Bildung von Hypergranulation erfolgreich entgegenwirkte (Abb.7 und 8). Die UAW wird seither auch initial beim Debridement von frischen Wunden erfolgreich eingesetzt, sowohl unter Vollnarkose als auch am stehenden Tier (Abb.9 und 10). Bei stark kontaminierten bzw. infizierten und großflächigen Wunden erfolgt das Debridement vorerst chirurgisch mittels Skalpell. Anschließend werden unzugängliche Stellen wie Wundtaschen oder -höhlen oder Wunden in Gelenknähe schonend mit dem Kopf der Sonotrode exploriert, gespült und debridiert (Abb.13).


Abb.5: Das Sonoca 180


Abb.6: Blutungsneigung der Wunde nach der Behandlung


Abb.7: großer Hautdefekt, kontinuierlich mittels UAW behandelt, keine Tendenz zur Hypergranula­tion, vitales Granulationsgewebe, breiter Epithelsaum


Abb.8: keine Hypergranulation bei vitalem, breitem Epithelsaum


Abb.9: stark verschmutze, kontaminiere Wunde


Abb.10: Einsatz des Sonoca 180 intraoperativ


Abb.11: Heilungsverlauf der kontaminierten Wunde im Bereich der Fessel nach Verbandsabnahme


Abb.12: Ehemals kontaminierte Wunde im Bereich der Fessel nach UAW-Behandlung


Abb.13: Exploration und Debridement einer Wundhöhle

Für die sichere Anwendung beim stehenden Pferd, vor allem im Bereich der distalen Gliedmaße, wird eine Sedierung des Patienten empfohlen. Aufgrund der hohen Blutungsneigung des Granulationsgewebes sollte darauf geachtet werden, dass der Bodenbelag, auf dem das Pferd steht, rutschfest sowie leicht zu reinigen und zu desinfizieren ist. Durch die Vernebelung der Spülflüssigkeit werden die Wundkeime verteilt, sodass während der Therapie das Tragen von geeigneter Schutzkleidung und Mundschutz angezeigt ist.

take home

Die niederfrequente, ultraschallassistierte Wundbehandlung ist eine vielversprechende Methode, die leicht zu erlernen und durchzuführen ist. Das Gerät eignet sich sehr gut für den stationären Einsatz und ist einfach zu reinigen. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß, der Größe und der Lokalisation der Wunde.

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Foto: © istockphoto.com| debibishop

HKP 7 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2015.
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