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Kinetische Tapes am Pferd

Kinetische Tapes am Pferd

Flexible Bänder

Der japanische Chiropraktiker Kenzo Kase suchte in den 1970er-Jahren nach einer Möglichkeit, die positiven Effekte der Hautverschiebungen im Bereich der Rezeptoren ohne manuelle Techniken zu erreichen. Er entwickelte spezielle, dehnbare Klebestreifen, arbeitete mit verschiedenen Tape-Anlagen und entwickelte spezielle, dem Problem angepasste Techniken.

Kase veröffentlichte seine Arbeit 1980. Über den Leistungssport gelangte die Technik nach Deutschland. Inzwischen wird sie weltweit verfeinert und auch für die Stimulation von Akupunkturpunkten genutzt. Kinesio-Tapes sind gut kombinierbar mit anderen Therapieformen, da sie im Allgemeinen keine Neben- oder Wechselwirkungen aufweisen. Es tritt erstaunlich schnell eine Wirkung ein. Die Wirkprinzipien sind gut erklärbar und mehrere Studien belegen den durchschlagenden Erfolg des Kinesio-­Tapings beim Menschen.

Das Tapen von Pferden wird ebenfalls seit einigen Jahren praktiziert. Früher war es aufgrund von schlechter Klebwirkung auf dem Pferd nicht anwendbar, inzwischen hat sich das grundlegend geändert, da es Firmen gibt, die sich intensiv mit der Entwicklung von Tapes für den Veterinärbereich beschäftigen. Das Wort „Kinesio“ bezieht sich auf den Wortsinn, nämlich die Bewegung. Es ist keinesfalls Sinn und Zweck der Therapie, einen Körperbereich stillzulegen, vielmehr soll Bewegung intensiviert, stimuliert und bewusster gemacht werden.


Taping zur Stimulation eines Dermatoms


Narbentape im Bereich flächiger Narben (beispielsweise Brandzeichen beim Pferd)

Indikationen

Besonders gut sind Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates zu therapieren. Verspannungen oder Muskelschwächen reagieren umgehend auf eine korrekte Tape-Anlage, ebenso Reizungen oder Verletzungen der Sehnen. Ebenfalls können Bänder und der Kapselapparat der Gelenke sinnvoll unterstützt werden. Für den Abbau von Hämatomen werden ebenfalls Tapes eingesetzt, was zu einer besseren Resorption führt und ihr Abkapseln im Gewebe verhindert. Auch Schmerz- und Triggerpunktbehandlungen sind Indikationen für die Behandlung mit Kinesio-Tapes. Jede Bewegung des Pferdes führt zur Stimulation der Punkte.

Ebenso sind Abflussstörungen und Ödeme des Lymphsystems mit flexiblen Tapes behandelbar. Hier hat man eine gute Begleittherapie zur manuellen Lymphdrainage. Die Abklärung der Beschwerdeursache ist Bedingung für eine funktionierende Tape-Anlage. Nach korrekter Anlage und kurzzeitiger Ruhe, um dem Kleber Gelegenheit für optimale Haftung zu geben, ist ausreichende Bewegung das A und O dieser Therapie. Sowohl mit als auch ohne Reiter ist jede Bewegung wünschenswert.

Kinesis bedeutet Bewegung

Dennoch eignet sich diese Therapie auch bei tierärztlich angeordneter Ruhigstellung des Tieres. Beispielsweise kann eine erkrankte Sehne getapt werden, sobald eine eventuelle akute Entzündung abgeklungen ist. Die Resorption von Schwellungen wird unterstützt, das Gewebe durch Reizung von Rezeptoren aktiviert.

Auch Schmerz- und Triggerpunkte können bei Patienten mit Boxenruhe getapt werden, damit eine Verschlimmerung der ischämischen Zustände in der Muskulatur vermieden werden kann. Tape-Anlagen im Verlauf gestörter Nervenbahnen, gestauter Meridiane und eingeschränkter Faszienzüge können dem bewegungsreduzierten Patienten ebenfalls Linderung verschaffen.

Kontraindikationen

Eine Ruhigstellung beispielsweise von Gelenken ist mit dehnbaren Tapes nicht zu erreichen und auch nicht gewollt. Daher ist eine Anwendung bei Rupturen von Sehnen, Bändern und bei knöchernen Verletzungen nicht sinnvoll. Eine weitere Kontraindikation sind frische Haut­verletzungen oder offene Hauterkrankungen, da die Tapes nicht auf einer Unterzugbinde, sondern direkt auf der Haut/dem Fell aufgebracht werden. Auch bei frischen Einblutungen/Hämatomen sollte man zunächst abwarten, bis die Einblutung vorbei ist, um diese durch Anhebung des Gewebes nicht zu verstärken. Danach ist das Tapen im Hämatombereich äußerst effektiv.


Spatanlage

Material

Die Tapes bestehen aus dehnbarem Gewebe, das in Längsrichtung elastisch ist. Der Klebstoff ist wellenförmig aufgebracht, sodass er verwringende Bewegungen in den Geweben schafft. Die ursprüngliche Länge wird mit 30–40% übertroffen. Diese Flexibilität entspricht in etwa der von organischem Gewebe. Tapes sind frei von medizinischen Wirkstoffen und somit im eigentlichen Sinne dopingirrelevant. Allerdings hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) das flexible Taping im Wettkampf unterbunden, es wird als physikalisches Doping angesehen. Obgleich die richtige Anlage entscheidend für den Therapieerfolg ist, werden die Tapes in verschiedenen Farben angeboten. Die mechanischen und die Klebeeigenschaften sind unabhängig von der Farbe identisch. Im Allgemeinen steht Blau für detonisierende, Rot für tonisierende Anlagen. Man versucht dabei, die Sinne des ­Patienten optisch mit anzusprechen sowie die Wellenlänge verschiedener Farbspektren zu nutzen. Bei Pferden muss erstere Wirkung angezweifelt werden, da sie kaum eine Farbwahrnehmung haben, die für das Tapen relevant wäre.

Sogenannte Cross patches sind gitterartige Tapepflaster, die auf Narbengewebe, Triggerpunkten oder Akupunkturpunkten zum Einsatz kommen. Sie können fertig gekauft oder selbst zurechtgeschnitten werden. Die folgenden Anlagearten, die beim Pferd zum Einsatz kommen, unterscheiden sich in Zuschnitt und Anlagetechnik und entfalten so ihre individuelle Wirkung.

Man unterscheidet

// Tonisierende Muskelanlagen
// Detonisierende Muskelanlagen
// Ligamentanlagen für Band-, Sehnen und Triggerpunktbehandlungen
// Narbenanlagen
// Korrekturanlagen (funktionelle-, oder Faszienkorrektur)
// Lymphanlagen
// Fibroseanlagen
// Anlagen im Meridianverlauf
// Anlagen im Nervenverlauf
// Segmentanlagen im Bereich der Dermatome
// Anlagen im Bereich von Head´schen Zonen
// Anlagen im Bereich von Mc Kenzie Zonen

Wirkung

Nach erfolgter Anlage können drei grundsätzliche Effekte beobachtet werden:
Rein mechanisch kommt es durch das Tape zu einem Abheben der Haut. Die Durchblutung wird verbessert und Ödeme oder andere Lymphstauungen werden deutlich reduziert. Die Durchblutungsverbesserung führt häufig auch zu einer schnellen Schmerzreduktion. Schon bei Kindern kann man beobachten, wie sie sich eine schmerzende Stelle reiben und damit einen schmerzstillenden Effekt über Verschiebung der Haut und Aktivierung von Mechanorezeptoren erreichen. Der zweite Effekt ergibt sich einfach durch das Aufbringen von Material auf dem zu behandelnden Gebiet. Es entsteht eine Unterstützung für die Muskelpumpe, wodurch Blut- und Lymphabfluss verbessert werden. Die dritte ist die eigentlich entscheidende Wirkung. Durch das Bekleben der Haut mit elastischem Gewebe wird in der Bewegung die Haut daran gehindert, dem darunter liegenden Gewebe (Faszie oder Muskel) zu folgen, wie es das tut, wenn Einschränkungen vorliegen. Es entstehen dynamische Verschiebungen und Verklebungen werden gelöst. Außerdem werden die in diesem Bereich liegenden Rezeptoren spezifisch gereizt, was zur hauptsächlichen, nämlich zur neurophysiologischen Wirkungsweise führt.

Über die ganze Zeit, die das Tape auf der Haut haftet, entstehen die oben genannten Effekte. Daher sind der sportliche Einsatz und das Training mit kinetischen Tapes besonders empfehlenswert. Individuelle Tape-Anlagen können dem Besitzer gezeigt werden, der sie dann bei Bedarf erneuert. Mit kinetischen Tapes nimmt der Patient ein Stück Therapie mit nach Hause.

take home

Taping eignet sich als unterstützende Maßnahme bei einer Vielzahl von Indika­tionen. Sei es begleitend, unterstützend während einer Erkrankung, im täglichen Training zum Muskelaufbau oder einer gezielten Wahrnehmungsverbesserung. In der Humanphysiotherapie und im Besonderen der Leichtathletik ist das Taping ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil. Auch in der Arbeit mit Pferden und Hunden gewinnt diese sanfte Therapiemethode immer mehr an Bedeutung.

Fotos: © Markus Schebsdat

HKP 4 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2015.
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.