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Endoskopische Laserlithotripsie in der Kleintiermedizin

Ran an den Stein

Harnsteinbildung gehört zu den häufigen Ursachen von Krankheitsbildern bei Hunden und Katzen mit einer Prävalenz von bis zu 2%. Harnsteine in den Harnleitern und in der Harnröhre, Letzt­genannte eher bei männlichen Tieren, können lebensbedrohliche Zustände auslösen, während Urolithen in der Harnblase in der Regel einen eher chronischen Krankheitsverlauf verursachen.

Zur Entfernung von Harnsteinen bei Hunden und Katzen sowie weiteren Heimtieren kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, die hier in der Folge der Häufigkeit gelistet sind

// Zystotomie (bei erfolgreicher Freispülung der Harnröhre)

// Miktionsurohydropropulsion (wenn der Steindurchmesser kleiner ist als der Harnröhrendurchmesser)

// Auflösung durch Futter­umstellung und Medikamente (nur bei Blasen- und Nierensteinen mit Ausnahme von Calciumsteinen)

// Urethrotomie/Urethrostomie (bei erfolgloser Freispülung der Harnröhre)

// Lithotripsie

In der Humanmedizin sind bei der Entfernung von Harnsteinen schon lange minimal- bzw. nichtinvasive Methoden im Einsatz, dabei spielen die Fragmentierung (Zertrümmerung) durch extrakorporale Schock­wellen, elektrohydraulische Stoß­wellen und die durch Endoskope eingebrachten optischen Fasern von Farb- und gepulsten Lasern die wichtigste Rolle. Die naheliegenden Vorteile solcher nicht-invasiver urologischer Verfahren konnten in der Kleintiermedizin lange Zeit höchstwahrscheinlich aus Kostengründen kaum Berücksichtigung finden. Inzwischen gibt es aber zunehmend Mitteilungen erfolgreicher Anwendung der Laserlithotripsie und sogar vergleichende Studien aus den Vereinigten Staaten und relativ aktuell auch aus der Schweiz.


Thermische Bohrlöcher in einem Harnstein nach 10 sek. Kontakt mit der Holmiumlaserfaser (2080nm, 8Hz, 0,6 Joule).


a?–?c Kontakt der Laserfaser mit dem Harnstein aus Calciumoxalat (a), Fragmentierung (c) und Zustand der Harnröhre nach Abspülen der Fragmente (d).

Wirkungsprinzip der Laserlithotripsie

Die Anwendung von Lasern zur Zertrümmerung von Harnsteinen hat sich vor allem deshalb durchgesetzt, weil die sehr dünnen Fasern auch durch flexible Endoskope eingebracht werden können. Die Übertragung der Energie entsteht durch Kontakt der optischen Faserspitze mit dem Stein (contact-mode), dabei entsteht eine Luftblase durch Verdampfen der Flüssigkeit (Harn oder Spülflüssigkeit) und sorgt für die Übertragung der Energie. In Flüssigkeit verliert der am häufigsten benutzte Hol­miumlaser seine Energie auf einer Strecke von weniger als 0,5mm. Deshalb ist die Anwendung auch sehr sicher, solange die Laserfaser nicht längere Zeit im Kontakt mit der umliegenden Schleimhaut aktiviert wird. In einer experimentellen Studie an Rüden wurden durch einen gemittelt 167 Sekunden dauernden Kontakt mit einer optischen 320m-Faser und einer Energie von gemittelt 1418 Joule Harnröhrensteine erfolgreich pulverisiert. Dies war unabhängig von der Beschaffenheit der Steine möglich.

Die Fragmentierung von Steinen beruht nach dem aktuellen Kenntnisstand auf einer thermischen und akustischen Einwirkung. Man kann eine Art Bohrloch (thermische Umwandlung in Plasma) auch bei der Anwendung nachvollziehen, dann bricht der Stein durch schwache Schockwellen auseinander. Diese schwachen Schockwellen beobachtet man auch beim Kontakt mit sehr kleinen Steinen, die dann im flüssigen Medium bewegt werden. Deshalb ist die Anwendung bei festsitzenden Harnröhrensteinen einfacher und schneller. Im Gegensatz zu den meisten anderen in der Chirurgie angewendeten Lasern handelt es sich bei den in der Lithotripsie verwendeten Geräten um gepulste Diodenlaser aus Holmium und Yttrium-Aluminium-Granat (YAG). Die Pulsfrequenz des meist 20 Watt starken Lasers liegt bei 4–8 Herz und die Wellenlänge des Lichtes bei 2080 Nanometer. Damit kann zwar auch Gewebe koaguliert oder abgetragen werden, aber nicht so schnell und sicher wie mit anderen Lasern, die mit anderer Frequenz und Energie arbeiten und deshalb nicht zur Fragmentierung von Steinen geeignet sind.


a–d Calciumoxalatsteine in der Harnröhre eines Yorkshireterriers röntgenologisch und mikroendoskopisch dargestellt,
vor (a,b) und nach Lithotripsie (c,d).

Instrumentarium

Um Laserlithotripsie bei Hunden, Katzen und Heimtieren anwenden zu können, bedarf es endoskopischer Apparatur. Bei weiblichen Tieren können auch starre Endoskope verwendet werden. Für die Anwendung bei Rüden braucht man ein flexibles Endoskop mit geringem Außendurch­messer. Es muss ein Arbeitskanal für die optische Faser vorhanden sein und die Möglichkeit der Spülung, um das Gewebe vor der Linse auseinanderzudrücken und klare Sicht zu schaffen. Der Autor nutzt für Rüden mit einem Körpergewicht >5–6kg ein Videoendoskop mit einem Außendurchmesser von 3mm (Ureterorenoskop Flex-Xc von Storz Tuttlingen) und für Kater, Katzen und Rüden < 5kg KGW ein semiflexibles Mikroendoskop (PCNL-Optik 120° halbstarr 310x0,6 mm mit Lichtleiter 6000 Pixel von Polydiagnost, Hallbergmoos). Für Katzen und Hündinnen < 15kg wird ebenfalls eine starre Standard - 0o Optik mit einem Durchmesser von 1,9mm genutzt und für Hündinnen mit einem Körpergewicht > 15kg eine starre Standard-­0o-Optik mit einem Durchmesser von 4mm. Die Laserfasern sind in den Stärken 230, 365 und 600m Durchmesser verfügbar und werden angeschlossen an einen 20 Watt Holmium Laser (Calculase II, Storz Tuttlingen). Bei Betrieb dieses Lasersystems sind Sicherheitsbestimmungen für die Anwendung von Klasse IV-Lasern zu berücksich­tigen (Spezialschutzbrillen für Laserlicht mit einer Wellenlänge von 2080?nm, geschlossener Raum mit Kennzeichnung des Laserbetriebs). Steinfänger, sogenannte Baskets, können in einigen Fällen nützlich sein, um größere Fragmente unter endos­kopischer Begleitung aus den Harnwegen heraus zu ziehen; in der Regel wird aber die Miktionsurohydropropulsion nach Lulich (1993) angewendet.


Harnsteinfragmente im Steinfänger zur manuellen Entfernung.

Studien zur Anwendung bei Kleintieren

Nach der ersten experimentellen Studie von Davidson et al. (2004) bei Hunden wurde die Methode der endoskopisch-­assistierten Laserlithotripsie bei bis zu 73 Hunden mit natürlich auftretenden Harnsteinen angewendet und beschrieben (Adams et al. 2008). Dabei gelang die Fragmentierung aller Steine und erfolgreiche Entfernung durch Basketextraktion oder Miktionsuro- hydropropulsion bei allen Hündinnen und 87% der Rüden. Eine vergleichende Studie von jeweils 66 Hunden mit Harnblasensteinen, behandelt durch Laserlithotripsie oder Zystotomie (Bevan et al. 2009), ergab eine etwas geringere Erfolgsrate bei 77%, verglichen mit 80% in der Zystotomiegruppe. Grundsätzlich sind Harn­röhrensteine leichter und schneller zu zertrümmern (Adams et al 2008, Grant et al. 2008, Lulich et al. 2006,2009); in der ­retrospektiven Studie von Thomsa und ­Mascherbauer (2013) bei neun Rüden und einer Hündin führten aber hochgradige Schäden an der Urethra durch vorausgehende Manipulation mit Kathetern letztendlich doch zu Komplikationen und in zwei Fällen zur Urethrostomie. In der vergleichenden Studie von Bevan et al. (2009) gab es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Erfolg und Komplikationen im Vergleich zur Zystotomie; die endoskopische Entfernung der Blasensteine nach Laserlithotrispie dauerte gemittelt aber 23 Minuten länger, dafür konnten die Tiere eher entlassen werden.


Mikroendoskopiesystem (entwickelt für die perkutane Nephrolithotripsie PCNL) mit einem Außendurchmesser von 1,3mm (entsprechend einem Katerkatheter) mit Anschlüssen für die Spülung und 0,235mm Laserfaser.

Eigene Erfahrungen

Im Zeitraum von 2013 und 2014 wurde die Methode bei 30 Hunden und vier Katzen angewendet. Es handelte sich um 26 Rüden und vier Hündinnen diverser Rassen im Alter von 5–13 Jahren (Mittelwert 8,5J.) und einem Körpergewicht von 2,4–46kg (Mittelwert 21,7kg), einem Kater und drei weiblichen Katzen. Bei den Hunden waren die Harnsteine in sechs Fällen nur in der Urethra, bei fünf Tieren nur in der Harnblase und in 19 Fällen sowohl in der Harnblase als auch der Harnröhre lokalisiert. Die Harnsteinanalyse ergab Calciumoxalat in 15 Fällen, Struvit und Cystin bei je vier Tieren, Urat in drei Fällen und Calciumkarbonat, Harnstoff und Silikat bei den verbleibenden Patienten. Bei 21 Hunden wurden alle Steine erfolgreich unter endoskopischer Kontrolle zertrümmert und entfernt. Bei fünf Rüden wurden aufgrund der Anzahl und Größe der Harnblasensteine nur die Harnröhrensteine zertrümmert und die Blasensteine über eine Zystotomie entfernt. Diese Tiere wurden am gleichen Tag entlassen.

Aufgrund der bestehenden Schäden der Harnröhrenmukosa wurde bei drei Rüden ein Katheter an einem Auffangsystem für 24–48 Stunden belassen. Bei der Miktionsurohydropulsion und Steinextraktion war in zwei Fällen keine ausreichende Entfernung kleinerer Konkremente möglich, und in einem Fall kam es zur Harnblasenruptur. Bei den vier Hunden, bei denen nur eine Mikroendoskopie technisch möglich war (Körpergewicht <6kg), gelang die Harnsteinentfernung in zwei Fällen komplikationsfrei. Bei den anderen beiden musste eine Urethrostomie ausgeführt werden. Bei den Katzen gelang es nur einmal die Steine erfolgreich zu zertrümmern und abzuspülen, bei den anderen behinderten vor allem Blutungen aus der Mukosa die Sicht und führten zur Chirurgie.

take home

Die Laserlithotripsie ist als minimal invasive Methode zur ­Behandlung von Harnsteinen nach Kenntnis des Autors in mindestens vier Tierkliniken in Deutschland bereits im Einsatz. Bisherige Studien belegen den Nutzen für die Patienten, am deutlichsten für die Harnröhrensteine bei Rüden. Denn die Operation an der Harnröhre, sei es Urethrotomie oder Urethrostomie (sogenannte Fistel), ist in der Nachbehandlung aufwendig und von vielen Komplikationen begleitet. Die persönlichen Erfahrungen des Autors stellen den Nutzen bei der Entfernung sehr vieler und sehr großer Harnsteine nur in der Harnblase infrage, denn die Entfernung der kleinen Fragmente gelingt nicht immer. Außerdem behindert Hämaturie manchmal die Sicht und die Dauer der Manipulation ist angesichts der Schnelligkeit und Komplikationsarmut einer ­Zystotomie ein offensichtlicher Nachteil. Allerdings muss man berücksichtigen, dass auch bei der klassischen Zysto­tomie die komplette Entfernung aller Harnsteine in nur 80% der Fälle gelingt, wie retrospektive Studien zeigen (Bevan ­et al. 2009; Grant et al. 2010).

Literatur beim Autor
Foto: © istockphoto.com, hershin

HKP 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2015.
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