29.03.2024 09:32 - Über uns - Mediadaten - Impressum & Kontakt - succidia AG - Partner
Nutztiere RSS > Dysenterie

Dysenterie

Ursache für Durchfall beim Schwein

Durchfallerkrankungen kommen bei Schweinen in allen Altersklassen häufig vor und spielen aufgrund von schlechterer Futterverwertung, verminderter Mastleistung und erhöhten Behandlungskosten eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Prof. Dr. Werner Zimmermann und Anna Hillebrand berichten über eine der weltweit wichtigsten Darminfektionen von Mastschweinen.

Die Erreger

Brachyspiren sind Bakterien, die sich in krank machende und nicht krank machende Untergruppen einteilen lassen. Die beiden wichtigsten pathogenen Spezies beim Schwein sind Brachyspira hyodysenteriae und Brachyspira pilosicoli. Der Erreger der Schweinedysenterie ist Brachyspira hyodysenteriae, ein Gram-negativer, sauerstofftoleranter, anaerob wachsender Spirochät. Alle Altersklassen können betroffen sein, am häufigsten erkranken jedoch von der Sau abgesetzte Ferkel und Mastschweine zwischen 40 und 70 kg. Zuchttiere und Saugferkel sind wesentlich seltener betroffen. Brachyspira pilosicoli ist der Erreger der porcinen intestinalen Spirochätose (Spirochätendurchfall), diese Erkrankung ist eine der Schweinedysenterie sehr ähnliche Erkrankung, die jedoch meist milder verläuft. Der Durchfall ist wässrig-schleimig, häufig ohne Blutbeimengungen.

Krankheitsbild

Durch orale Aufnahme von infiziertem Kot gelangt der Erreger in den Verdauungstrakt. Im Dickdarm, wo die Bakterien in die Krypten eindringen, sich dann an die Epithelzellen anheften und in die Becherzellen eindringen, zerstören sie die epitheliale Barriere und die Flüssigkeit im Darm kann nicht mehr genügend rückresorbiert werden. Dies sind die Gründe für die Entstehung von Durchfall. Die Bakterien vermehren sich in den Becherzellen, was eine vermehrte Schleimproduktion zur Folge hat, es entstehen Ödeme, Blutungen und Nekrosen. Die abgestorbene Darmschleimhaut wird mit dem Kot abgesetzt. In der Sektion ist eine mukofibrinöse bis hämorrhagisch-nekrotisierende Kolitis festzustellen. Die Inkubationszeit ist variabel, meist zwischen 4–14 Tagen. Stressbedingte Faktoren wie Stall- oder Futterwechsel, ungünstiges Stallklima oder auch der Transport spielen oft eine begünstigende Rolle. Bei Beginn der akuten Dysenterie wird der gesamte Dickdarm schlagartig entleert, die Tiere haben eingefallene Flanken, wodurch der Eindruck plötzlicher Abmagerung entsteht. Der schleimig-blutige Kot wird wiederum von anderen Tieren gerne gefressen und stellt die Hauptinfektionsquelle dar. Einige Tiere zeigen Fressunlust und haben leichtes Fieber bis 40.5 °C. Die Morbidität wird mit 90 % angegeben, die Mortalität beträgt je nach Behandlung bis zu 30 %. Die Verschleppung auf freie Bestände erfolgt meist durch den Zukauf und Transport von latent infizierten Schweinen. Aber auch belebte und unbelebte Vektoren tragen zu einer möglichen Erregerverbreitung bei ([1] Waldmann, 1992). Als belebte Vektoren sind vor allem Schadnager wie Mäuse und Ratten zu nennen ([2] Joens und Kinyon, 1982), aber auch Vögel können gerade in Betrieben mit Auslauf- oder Freilandhaltung, wenn in der Nachbarschaft infizierte Bestände angesiedelt sind, ein Risiko darstellen ([3] Hampson et al., 2006).

Diagnose

Nur aufgrund der Symptome ist die Diagnose schwierig zu stellen. Zementfarben-breiiger bis schleimig-blutiger Durchfall rechtfertigt den Verdacht und sollte zu weiteren Untersuchungen führen. Bei blutigem Durchfall gilt es stets auch andere Ursachen abzuklären, an erster Stelle die Salmonellose. Aber auch Endoparasiten wie Trichuris suis oder der Erreger der porcinen intenstinalen Adenomatose (Lawsonia intracellularis) oder Magenulzera können ein ähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Der Nachweis der Brachyspiren erfolgt mittels real-Time-PCR direkt aus dem Kot oder nach einer kulturellen Anzucht. Der alleinige kulturelle Nachweis gestaltet sich häufig schwierig, da andere, apathogene Brachyspirenarten die Kultur überwuchern können.

Therapie

Die Schweinedysenterie wird auf Bestandsebene, meist per oraler Medikation über das Futter therapiert. Dies sollte mindestens drei Wochen durchgeführt werden, auch wenn die Symptome oft schon nach einigen Tagen deutlich zurückgehen. Da gerade akut erkrankte Schweine eine reduzierte Futteraufnahme zeigen, kann die Medikation auch über das Trinkwasser erfolgen, schwer erkrankte Einzeltiere müssen gegebenenfalls parenteral behandelt werden. Als Medikamente können Tiamulin, Valnemulin, Tylosin oder Lincomycin eingesetzt werden, wobei sich bereits gewisse Resistenzen ausgebildet haben. Der Einsatz der aufgezählten Medikamente sollte immer erst nach einer Wirksamkeitsüberprüfung mittels eines Antibiogrammes erfolgen, da schon einige Resistenzen oder nur noch intermediäre Wirksamkeiten bestehen. Die Hygiene sollte neben der Therapie stets verbessert werden, nur eine Verbesserung des Managements bringt den erwünschten Erfolg der Behandlung. Eine Rein-/Raus-Belegung sowie eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Ställe, vor jeder Neubelegung sollte konsequent durchgeführt werden.

Sanierungsprogramme in der Schweiz

In der Schweiz gibt es seit April dieses Jahres eine Richtlinie des SGD (Schweingesundheitsdienst), die das Vorgehen bei Feststellung von Schweinedysenterie regelt. Die Sanierung von Remontierungsbetrieben (Herdbuchbetriebe) ist verpflichtend, die Sanierung bei Mästern und Ferkelerzeugern ist freiwillig. Je nach Betriebsaufbau und Umsetzungsmöglichkeiten wird teilsaniert oder totalsaniert. Das Mittel der Wahl zur Desinfektion ist Alzogur®, ein Biozid, das nur in leeren Ställen angewendet werden darf. Ebenso wird die Restgülle damit behandelt, da sich die Bakterien dort lange aufhalten können. Zusätzlich wirkt Alzogur zuverlässig gegen Fliegenlarven. Das Desinfektionsmittel muss gründlich abgespült werden, da es für die Tiere toxisch ist. Die Gülle kann ausgebracht werden. Erste Betriebe haben eine Totalsanierung durchgeführt und befinden sich in der Überwachungsphase. Im Rahmen einer Doktorarbeit sollen nun die Risikofaktoren mithilfe eines Fragebogens ermittelt werden. Ist auf einem Bestand schleimig-blutiger Durchfall festgestellt worden, sollten weitere Untersuchungen folgen. Ebenso gilt es andere Ursachen für blutigen Durchfall abzuklären, vor allem die Salmonellose als meldepflichtige Krankheit gilt es auszuschließen. Kotproben sollten von Tieren genommen werden, die Durchfall zeigen. Für die PCR-Untersuchung benötigt man spezielle Probengefäße (z. B. Eppendorf-Gefäße) mit einem Nährmedium. Einfache Wattetupfer genügen für die Probenahme, kleine Kotmengen – direkt rektal entnommen – reichen aus. Ein Resistenztest sollte durchgeführt werden, da schon einige Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika festgestellt wurden. Ebenso sollte die Medizinierung über mindestens drei Wochen durchgeführt werden. Eine Sanierung ist anzusprechen und je nach Betrieb individuell zu planen. Sie sollte in den wärmeren Monaten stattfinden, (April-Oktober), da die Brachyspiren gegenüber Wärme und Austrocknung empfindlich sind.

Literatur
[1] Waldmann K. H. (1992): „Voraussetzungen und Massnahmen zur Sanierung von Ferkelerzeugerbetrieben mit latenter Schweinedysenterie“, Tierärztliche Praxis, 20: 159–163.
[2] Hampson D. J., Fellström C., Thomson J. R. (2006): Swine Dysentery. In: Diseases of Swine. 9th Edition. Straw B. E., Zimmermann J. J., D’Allaire S. and Taylor D. J. Ames, Iowa, USA. Blackwell Publishing Professional, 9: 78–806.
[3] Anonym: Brachyspiren Dysenterie Richtlinie RL 3 13, SGD Gesundheitsprogramm

HKP 6 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2011.
Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download

Die Autoren:

Weitere Artikel online lesen

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.