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Mehr als Standard

Lebererkrankungen gehen mit einer Vielzahl von klinischen Symptomen einher, die einen akuten oder chronischen Charakter aufweisen und zahlreiche andere Organsysteme einbeziehen können. Für den praktischen Tierarzt ist es nicht selten eine Herausforderung zu unterscheiden, ob eine Leberenzymerhöhung die Folge einer extrahepatischen Erkrankung, einer reaktiven Hepatopathie oder einer primären, möglicherweise auch progressiven Lebererkrankung darstellt. Dennoch ist eine frühzeitige spezifische Behandlung dringend erforderlich. Dr. Christian Stockhaus beleuchtet Symptomatik und therapeutische Möglichkeiten.

Die klinischen Symptome bei einer Hepatopathie können sehr variabel sein. Es werden Fieber, Inappetenz, Polyurie-Polydipsie, gastrointestinale Beschwerden, neurologische Symptome, Gerinnungsstörungen sowie bei einem Teil der Patienten Ikterus (Abb. 1) beobachtet. aboruntersuchungen dienen vor allem dazu, die Leber als erkranktes Organ zu identifizieren. Anhand des Laborprofils gelingt es zumeist nicht, eine konkrete Krankheitsdiagnose zu stellen.
Bei der hämatologischen Untersuchung können Leukozyten-, Erythrozyten- und Thrombozytenveränderungen nachgewiesen werden, ohne spezifisch für ein bestimmtes Krankheitsgeschehen zu sein. Mithilfe der klinischen Chemie soll zunächst die Leber als erkranktes Organ identifiziert werden. Darüber hinaus werden Hinweise über die betroffenen Funktionsbereiche der Leber und nur eingeschränkt über den Schweregrad der Hepatopathie gewonnen.
Untersuchungen zur Identifikation von Infektionskrankheiten können bei der Abklärung von Hepatopathien wichtige ätiologische Informationen liefern. Hierbei sind vor allem die Leptospirosediagnostik beim Hund sowie Hinweise auf eine FIP-Infektion zu nennen. Hormonelle Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypersomatotropismus, Hyperadrenokortizismus, Hypothyreose und die Hyperthyreose können zu Leberwerterhöhungen führen. Häufig gehen diese jedoch nicht mit schweren pathologischen Leberveränderungen einher. Von großer Bedeutung ist beim Vorliegen einer akuten Leberinsuffizienz sowohl beim Hund als auch bei der Katze die Überprüfung einer möglichen zu Grunde liegenden Pankreatitis mit der pankreasspezifischen Lipaseaktivität (c-PLI, f-PLI). In vielen Fällen gelingt es mithilfe bildgebender Untersuchungsverfahren wie Röntgenuntersuchungen oder abdominaler Sonografie nicht, die Art einer Hepatopathie zu identifizieren. Vor allem bei schweren Erkrankungen ist eine Gewebediagnostik ratsam. Diese kann zweistufig mit einer zytologischen und ggf. histologischen Untersuchung erfolgen. Bei Feinnadelbiopsien der Leber wird im Gegensatz zur Makrobiopsie mit deutlich kleineren Biopsienadeln gearbeitet, sodass kaum ein Blutungsrisiko besteht und häufig auch keine Narkose für den Eingriff notwendig ist.
Ein Nachteil beim Einsatz von Feinnadelbiopsien der Leber ist es, dass damit lediglich eine zytologische Untersuchung des gewonnenen Materials möglich ist. Hiermit können zwar zahlreiche Hepatopathien ausreichend zugeordnet werden, aber gerade Erkrankungen, für deren Identifikation eine Beurteilung der Architektur des Läppchensystems notwendig ist bzw. bei denen die Zuordnung von Entzündungszellen zu einer bestimmten Lokalisation erforderlich ist, können nicht sicher diagnostiziert werden. Daher ist hier eine mehrstufige Gewebediagnostik mit zunächst zytologischer und dann bei Bedarf histologischer Untersuchung ratsam.
Im Gegensatz zu Feinnadelbiopsien sind Leberbiopsien für eine histologische Untersuchung in den meisten Fällen nur in einer Kurznarkose durchführbar und es besteht ein gewisses Blutungsrisiko. Bei Patienten mit dem Verdacht auf eine Cholezystitis (Abb. 2) oder akute Cholangitis wird in der Literatur zunehmend eine zytologische und mikrobiologische Untersuchung von Gallenflüssigkeit empfohlen, die unter sonografischer Kontrolle aus der Gallenblase aspiriert wird.

Therapie bei Patienten mit Leberinsuffizienz

Bei der Versorgung eines Patienten mit Leberinsuffizienz sind verschiedene metabolische Entgleisungen zu erfassen und zu korrigieren. Bei schweren progressiven Lebererkrankungen kann keine empirische Therapie erfolgen, da zahlreiche einzusetzende Medikamente ein hohes Nebenwirkungspotenzial aufweisen.

Management von Dehydratation, Elektroltyimbalancen, Vitaminsubstitution

Viele Patienten mit einer schweren Lebererkrankung weisen im Zusammenhang mit Inappetenz sowie Verlusten durch Erbrechen und Durchfall eine leicht- bis mittelgradige Dehydratation auf, die mit kristalloiden laktatfreien Lösungen unter Berücksichtigung der Serumelektrolytkonzentrationen sowie -glukosekonzentrationen ausgeglichen werden sollte. Häufig liegt ein Mangel an wasserlöslichen B-Vitaminen vor, der unter Verwendung von Komplexpräparaten korrigiert werden kann. Eine Vitamin K-Gabe kann bei cholestatischen Hepatopathien beim Verdacht auf eine Malabsorption für einige Tage erfolgen.

Behandlung von Koagulopathien

Bei Patienten mit Lebererkrankungen kann eine klinische Blutungsproblematik als Folge eines Gerinnungsfaktorsynthesedefektes, einer disseminierten intravasalen Gerinnung oder einer Vitamin K-Malabsorption bestehen. Diese Veränderungen müssen spezifisch korrigiert werden.

Behandlung der Hepatoenzephalopathie (HE)

Begünstigende Faktoren einer HE sollten zunächst vermieden werden. Als solche sind zu nennen: methioninhaltige Arzneimittel („Leberschutzpräparate“), Dehydratation, gastrointestinale Blutungen, Verstopfung, Allgemeininfektion, Hypoglykämie, Azotämie, Hypokaliämie, Hypernatriämie, metabolische Alkalose, Verwendung älterer Bluttransfusionen mit erhöhtem Ammoniakgehalt und Diäten mit erhöhtem Ammoniakgehalt. Je nach Intensität und Charakter einer HE sind weitere spezifische Maßnahmen indiziert wie Propofolinjektionen, Mannitolinfusionen, Flumazenilgaben sowie rektale und orale Laktulosebehandlungen.

Kontrolle gastrointestinaler Blutungen

Gastrointestinale Blutungen werden bei Lebererkrankungen multifaktoriell verursacht und sind unbedingt zu behandeln. Dafür eignen sich H2-Blocker wie Famotidin (0,5 mg/kg, 2-mal täglich) oder auch der Säurepumpenblocker Omeprazol (1 mg/kg, 1-mal täglich) sowie mukosaprotektive Substanzen wie Sucralfat (0,5–1 g/Tier, 3-mal täglich). Sollte sich ein ulzeratives Geschehen ausschließlich im Dünndarm abspielen, sind diese Medikamente leider kaum wirksam.

Management des Aszites

Aszites entsteht bei Leberpatienten im Zusammenhang mit einer portalen Hypertension, renalen Salz- und Wasserretention oder einer Hypoalbuminämie. Als therapeutische Ansätze beim Aszites kommen diätetische Salzrestriktion, Diuretika und Aldosteronantagonisten wie Spironolacton infrage.

Therapeutische Ansätze bei speziellen Hepatopathien

Da bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen zu Grunde liegen können, sollte im Rahmen einer Intensivtherapie, basierend auf Gewebeuntersuchungen, möglichst frühzeitig eine spezifische kausale Therapie gestartet werden. Eine Zeitverzögerung von mehr als einer Woche führt nicht selten zu einer progressiven Nekrotisierung von Lebergewebe, was bei zahlreichen Patienten eine restitutio ad integrum dauerhaft verhindern kann.

Management einer bakteriellen Infektion

Da die Leber als wichtiges Organ des retikuloendothelialen Systems nicht adäquat im Stadium der Insuffizienz arbeitet, sind viele Patienten mit sehr ausgeprägten Lebererkrankungen immunsupprimiert. Daher kann der Einsatz von Antibiotika wie Amoxicillin + Clavulansäure, Marbofloxazin oder Metronidazol in niedriger Dosierung sinnvoll sein.

Therapie von intra- und extrahepatischen cholestatischen Zuständen

Intra- und extrahepatische Cholestasen (Abb. 3) haben sehr unterschiedliche Ursachen. Diese sollten identifiziert und spezifisch therapiert werden. Da es bei beiden Cholestaseformen zu einer Akkumulation von toxischen hydrophoben Gallensäuren kommt, ist unterstützend der Einsatz von Ursocholsäure (15 mg/kg täglich, 1-mal täglich) sinnvoll.

Management bei Leberzelldegenerationen

Auch aufgrund der durchblutungsbedingten Exposition der Leber können zahlreiche endogene Erkrankungen oder auch Intoxikationen die Bildung von freien Sauerstoffradikalen und die Entstehung von Zelldegenerationen der Leber begünstigen. Um solche oxidativen Zellschädigungen einzuschränken, arbeiten in der Leber verschiedene zelluläre Abwehrmechanismen wie die Superoxiddismutase, Glutathionperoxydase, Katalase sowie auch die Vitamine C und E.
Eine Unterstützung dieser Abwehrmechanismen kann medikamentös mit den Wirkstoffen Ursochol, Vitamin C, Vitamin E, Sadenosyl- Methionin, N-Acetylcystein, Cimetidin sowie Silimarin erfolgen.

Therapie chronischer Hepatitiden

Bei Hunden gibt es Formen chronischer Hepatitiden, die mit einer hohen primär portalen Infiltration des Leberparenchyms mit Lymphozyten und Plasmazellen und gleichzeitig mit schweren portalen apoptotischen Prozessen einhergehen. Bei Katzen können solche Erkrankungen vor allem pericholangär im Zusammenhang mit einer lymphozytären Cholangitis ablaufen. Beide Erkrankungen scheinen vor allem in frühen Krankheitsstadien auf Glukokortikoide anzusprechen. Somit wird beim Hund Prednisolon in einer anfänglichen Dosis von 1–3 mg/kg und bei der Katze von 2–4 mg/ kg/Tag empfohlen.

Vorgehen bei Leberfibrosierungen

Insbesondere chronische Hepatitiden und vereinzelt auch kongenitale Erkrankungen beim Hund können mit einer starken Fibrosierung von Lebergewebe einhergehen. Dieses ist ein kausaler Faktor, der zur Zerstörung der normalen Leberläppchenarchitektur wesentlich beiträgt. Bei schweren Fibrosierungen der Leber wird ggl. auf den Wirkstoff Colchizin (0,03 mg/kg einmal täglich) zurückgegriffen.

Therapie von Leberneoplasien

Lebertumoren können zu einer schweren Leberinsuffizienz führen. Dabei sind diverse Karzinomoder Sarkomformen sowie das maligne Lymphom als wichtigste Tumorformen zu nennen. Während bei diffus wachsenden Karzinomen oder Sarkomen oft keine Chemotherapieform eine ausreichende Wirksamkeit aufweist, können bei malignen Lymphomen mit Mehrkomponentenprotokollen durchaus längere Remissionen erzielt werden. Solide isoliert wachsende Leberzellkarzinome beim Hund können häufig erfolgreich chirurgisch reseziert werden.

Therapie von Leberzellverfettungen

Bei Katzen kann nach längerer Anorexie eine progressive Leberzellverfettung mit intrahepatischer Cholestase entstehen. Neben den oben schon erläuterten Aspekten der Rehydratation, Elektrolyt- und Vitaminsubstitution sind bei dieser Erkrankung weitere spezifische therapeutische Aspekte wie Taurin, Carnithin, Argininsubstitutionen sowie antioxidative Maßnahmen zu berücksichtigen. Als wichtige Komponente der Therapie wird die Sondenfütterung mittels Nasen, Ösophagus, Magenoder Jejunalsonde gesehen.

Spezifische Therapie bei pathologischer Kupferspeicherung

Eine ausgeprägte pathologische Kupferspeicherung (Abb. 4) kann bei primären kongenitalen Speicherkrankheiten wie z.B. bei Terrierrassen oder sekundär infolge Cholestase z.B. bei Hepatitiden erfolgen und wird mit einer kupferreduzierten Diät sowie Dpenicillamin (15 mg/kg, 2mal täglich, 30 Minuten vor Mahlzeit) behandelt.

stockhaus@tierklinik-haar.de

HKP 1 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2011.
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