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HKP-8-2012 > Die richtige Ernährung von Landschildkröten

Die richtige Ernährung von Landschildkröten

Europäische Landschildkröten (Testudo spp.) sind unter den Reptilien sicherlich die am häufigsten gehaltenen und beliebtesten Heimtiere. Sie gelten gemeinhin als genügsame Pfleglinge. Diese Ansicht ist jedoch falsch, da gerade Landschildkröten im Gegensatz zu vielen anderen Reptilien recht anspruchsvoll hinsichtlich der Haltungsbedingungen und insbesondere der Fütterung sind. Eine adäquate Fütterung von Schildkröten ist essenziell für das Wohlergehen der Tiere und eine erfolgreiche langfristige Haltung und gege benenfalls Nachzucht. Leider kann man gerade bei der Fütterung die meisten Defizite im Rahmen der Haltungsbedingungen feststellen, die aus mangelndem Wissen der Besitzer und einer gewissen Vermenschlichung resultieren. Krankheiten als Folge nicht bedarfs gerechter Fütterung sind in der Praxis demzufolge leider nach wie vor häufig zu diagnostizieren.

Werden Landschildkröten in der Praxis vorgestellt, sollten stets die Haltung und insbesondere die Fütterung hinterfragt werden. Auf nachfolgende Punkte sollte geachtet werden.

Genügend Wasser

Eine Badeschale, die stets sauber gehalten wird, sollte den Tieren immer zur Verfügung stehen. Da Landschildkröten bevorzugt beim Baden abkoten und Urin absetzen, kann unter Umständen mehrmals täglich eine Reinigung angezeigt sein. Außerdem sollte im Terrarium bzw. Freigehege immer eine feuchte Stelle vorhanden sein, an der sich die Schildkröten eingraben können. Es ist außerdem empfehlenswert, die Tiere einmal wöchentlich in handwarmem Wasser 20 Minuten zu baden und dabei Harn- und Kotabsatz zu kontrollieren. Damit beugt man Nierenschäden und bei Jungtieren einer Pyramidenbildung des Panzers vor.

Angepasste Futtermengen

In der freien Natur müssen Landschildkröten gerade in den heißen Sommermonaten relativ weite Strecken zurücklegen, um noch Fressbares zu finden. Im Terrarium oder Freigehege wird ihnen das Futter meistens klein geschnitten in einer Futterschüssel und immer am gleichen Platz vorgelegt. Dies ist für die Tiere natürlich sehr bequem, führt jedoch zusammen mit der beschränkten Bewegungsmöglichkeit zu einer Überversorgung mit Energie. Das Resultat ist meist eine Verfettung, die unter Umständen zu einer tödlich verlaufenden Leberverfettung führen kann. Bei übermäßiger Fetteinlagerung in der Leber kann es beim Winterschlaf bei zu hohen Temperaturen – analog zur hepatischen Lipidose der Katze zu Komplikationen kommen.
Jungtiere wachsen bei übermäßiger Fütterung zu stark und sind bei dieser Dampfaufzucht anfällig für Krankheiten wie MBD (Metabolic Bone Disease), da der schnell wachsende Panzer und die Knochen nicht mehr schnell genug mineralisiert werden können. Als adulte Tiere neigen solchermaßen aufgezogene Weibchen zu Legenot, einmal infolge des deformierten Panzers und zum anderen durch den Kalziummangel. Insbesondere Russische Landschildkröten (Agrionemys horsfieldii), die in ihrem natürlichen Habitat weniger als sechs Monate im Jahr aktiv sind, nehmen in dieser Zeit möglichst viel Futter auf, um die Winterruhe und die Sommerruhe sowie die Fortpflanzungsaktivitäten gut zu überstehen. In Menschenhand sind sie meistens stark überfüttert.
Landschildkröten sollten deshalb auch Bewegungsanreize geboten werden: Das Gehege sollte groß und abwechslungsreich gestaltet sein. Das Futter sollte über das ganze Gehege immer an verschiedenen Stellen verteilt werden, damit sich die Tiere viel bewegen. Außerdem sollte es nicht klein geschnitten werden, damit die Tiere mehr zu tun haben. Es sollte nur so viel Futter angeboten werden, dass am Abend nichts mehr übrig bleibt. Ein Tag pro Woche, an dem nur Heu oder eingeweichte Heucobs angeboten werden, kann einer Verfettung auch vorbeugen.

Das richtige Futter – viel Rohfaser und viel Kalzium

Salat ist zwar der Klassiker zur Fütterung von Landschildkröten, jedoch sind Salatsorten wie Kopfsalat und Eissalat aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht gut zur Fütterung für diese Tiere geeignet. In der Natur nehmen Landschildkröten rohfaserreiche, kalziumreiche und proteinarme Nahrung auf, d.h. vorwiegend Wildkräuter und gerade im Hochsommer auch eine erhebliche Menge vertrockneter Pflanzenteile. Diese weisen ein günstiges Kalzium- Phosphor-Verhältnis von 2 – 4 zu 1 auf, d.h., diese Nahrung enthält wesentlich mehr Kalzium als Phosphor. Kalzium ist wichtig, um ein gesundes Wachstum des Panzers und der Knochen zu gewährleisten. Das Verhältnis von Kalzium zu Phosphor in Kopfsalat oder Eissalat liegt unter 1. Bei Landschildkröten sollte es allerdings mindestens 2 – 1 sein, da es sonst bei jungen Schildkröten zu MBD führen kann. Um dem vorzubeugen, sollten Wildkräuter wie Löwenzahn, Vogelmiere, Wegerich, Brennnessel, Giersch und Ähnliches angeboten werden. Falls diese gerade nicht verfügbar sind, kann notfalls auch Romana- oder Batavia-Salat angeboten werden, dieser ist in Bezug auf den Kalzium- und Roh fasergehalt etwas günstiger als Kopf- oder Eissalat. Ab und zu können von Stacheln befreite Stücke von Feigenkakteen (Opuntien) angeboten werden, denn auch diese sind sehr reich an Rohfasern und Kalzium. Heu sollte, als Rohfaserquelle Nummer eins, stets zur Verfügung stehen. Obst ist zwar bei Landschildkröten sehr beliebt, aber nur sehr eingeschränkt zur Fütterung geeignet, weil es in der Regel sehr wenig Kalzium, aber viel Fruchtzucker enthält. Dies kann zu Fehl gärungen im Darm und damit zu Durchfall führen. Ebenso sind die meisten Salatsorten, Obst und Gemüse arm an Rohfasern, die für ein stabiles Darmmilieu erforderlich sind. Wenn solche Futtermittel angeboten werden, dann sollte dies nur in kleinsten Mengen erfolgen, quasi als Leckerbissen.
Es sollte auch stets eine Kalziumquelle zusätzlich angeboten werden, da insbesondere bei juvenilen und Eier legenden Landschildkröten der Kalziumbedarf sehr hoch ist. Empfehlenswert ist ein Kalziumgehalt der Ration von mehr als 2 % der Trockensubstanz. Als Kalziumquelle eignet sich Sepiaschale, wie sie auch für Ziervögel im Zoofachhandel erhältlich ist. Viele Halter geben auch regelmäßig eine Messerspitze Kalzium pulver (Kalziumkarbonat) über das Futter. Dies ist durchaus empfehlenswert, da überschüssiges Kalzium von den Tieren wieder ausgeschieden wird. Auch ein Zusatzpräparat, das Kalzium und Vitamin D enthält, kann bei wachsenden Tieren zwei- bis dreimal pro Woche, bei erwachsenen Tieren einmal pro Woche gegeben werden. Exakte Dosisangaben können leider nicht angegeben werden, da im Gegensatz zu Hunden und Katzen sowie Nutztieren keine Bedarfswerte für Nährstoffe bei Reptilien existieren.

Das richtige Futter – möglichst wenig Proteine

Auf keinen Fall sollte proteinreiches Futter wie Fleisch oder Hunde- und Katzennahrung an Landschildkröten gegeben werden, wie es in der älteren Literatur noch empfohlen wird. Auch manche im Zoofachhandel erhältlichen Schildkrötenpellets enthalten mehr als 15 % Protein in der Trockensubstanz, was zu Erkrankungen führen kann. Landschildkröten sind uricothel, das bedeutet, dass primäre Stoffwechselendprodukt von Protein ist Harnsäure. Diese wird, wenn sie in hohen Mengen anfällt (also bei Proteinfütterung) und/oder bei Wassermangel in den Nieren abgelagert, später auch in anderen Organen und zum Teil in Gelenken, was zu einer meist tödlich verlaufenden Gicht führt. Zur Vorbeugung von Gicht sollte daher nur pflanzliches Futter, jedoch kein handelsübliches Fertigfutter (so genannte Schildkrötenpellets) gefüttert werden. Eine Ausnahme stellt Fertigfutter dar, das auf der Basis von Heu bzw. Heucobs hergestellt wird. Dieses kann trocken oder eingeweicht verabreicht werden, jedoch nicht als Alleinfutter. Es sollte auf keinen Fall Fertigfutter verfüttert werden, bei dem keine Analyse der Inhaltsstoffe (speziell Rohprotein, Fett, Rohfasern und Kalzium) vorhanden ist. Pflanzen, die reich an Oxalsäure sind, sollten auch nicht auf dem Speiseplan von Landschildkröten stehen, da sie ebenfalls Nierenerkrankungen hervorrufen können. Dazu zählen beispielsweise Rhabarberblätter, Spinat, Sauerklee, Mangold und Ampfer. Nur in geringen Mengen sollten Kohlgewächse verfüttert werden, da sie in größeren Mengen eine Struma verursachen können.
Milchprodukte sollten überhaupt nicht verfüttert werden, da sie bei Reptilien aufgrund der generellen Laktoseintoleranz zu Durchfall führen können. Vitaminpräparate mit Ausnahme von Vitamin D sind bei Landschildkröten überflüssig und eher schädlich. Wenn diese Tiere abwechslungsreich mit verschiedenen Wildkräutern ernährt werden, nehmen sie alle erforderlichen Vitamine auf beziehungsweise können sie im Körper selbst herstellen.

UV-Licht und Vitaminbildung

UV-Licht ist notwendig, damit Vitamin D im Körper aus Vorstufen, die mit der Nahrung aufgenommen werden, selbst hergestellt werden kann. Gerade Tiere, die ohne entsprechend leistungsfähige UV-Beleuchtung mit UVB-Strahlung im Terrarium gehalten werden oder nur zeitweise im Freiland untergebracht sind, leiden sehr häufig unter Vitamin D-Mangel. Vitaminpräparate, die Vitamin A enthalten, sollten an Landschildkröten auf keinen Fall verabreicht werden, da sie zu einer Hypervitaminose A führen können. Dieses können Landschildkröten aus Karotinoiden, die in ihrer pflanzlichen Nahrung reichlich enthalten sind, selbst im Körper in der benötigten Menge produzieren. Eine zusätzliche Zufuhr kann zu massiven Dermatitiden mit Ablösung der oberen Hautschichten führen und ist nicht selten letal.
Da viele Landschildkröten zumindest in Süddeutschland bei der klinischen Untersuchung oder bei der Sektion eine vergrößerte Schilddrüse zeigen, sollte in Jodmangelgebieten auch Jod supplementiert werden. Dieses kann in Form von einer Prise Kaliumjodid dem Badewasser zugesetzt werden oder es wird ein- bis zweimal pro Monat eine Messerspitze Seealgenmehl über das Futter gegeben.

HKP 8 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.