Zahnersatz beim Pferd
Zahnersatz beim Pferd ist bis heute ein Problem. Zahnersatz würde jedoch insbesondere im Backenzahnbereich der Pferde zu einer Situationsverbesserung führen. In der Regel „händelt“ ein Pferd eine Backenzahnlücke nach Extraktion und es entsteht keine Beeinträchtigung
der Lebensqualität. Die Anschoppung von Futterresten in der Lücke bleibt jedoch ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Dauerzustand, dem aus tierärztlicher Sicht bisher nur mit regelmäßiger Kürzung des Gegenspielers entgegengetreten werden konnte. Dr. Klaus Bosler stellt nachfolgend in Zusammenarbeit mit Herrn Peter Mielecke, Geschäftsführer des Fräs- und Dienstleistungszentrums Deutschland, Möglichkeiten vor, die einen Zahnersatz beim Pferd denkbar machen.
Mut zur Lücke
Diese Formulierung ist in vielen Fällen der richtige Schritt und bedeutet die Extraktion eines erkrankten Zahnes. In den meisten Fällen ist dieser Schritt dann auch gleichzeitig das Ende der Zahnbehandlung. Die Probleme eines Zahnersatzes sind die exakte Anpassung, eine gute Verträglichkeit, ein unkomplizierter Implantationsvorgang sowie ein tragbarer und vom Besitzer akzeptierter Kostenfaktor. Der Seitenblick zu zahnmedizinischen Verhältnissen beim Menschen bringt hinsichtlich der Materialauswahl einen Ausschluss der gängigen Materialien in der Anwendung beim Pferd. Dieser Ausschluss bezieht sich auf Gold und Porzellan. Bei dem nachfolgend vorgestellten Material handelt es sich um PEEK (Polyetheretherketon). Ausschlaggebend für die Zahntechnik sind Eigenschaften wie die knochenähnliche Elastizität und die hohe Beständigkeit. In der Verarbeitung müssen in dem verarbeitenden Labor besondere Voraussetzungen vorhanden sein. Dies bezieht sich auf die Fräsmaschine sowie auf die Konstruktionssoftware. Aus diesem Grund ist PEEK in der Zahntechnik noch nicht häufig vertreten.
Die Voraussetzungen für das Labor
Der Zahnersatz aus PEEK kann anhand des extrahierten Zahnes erfolgen, falls dieser im Ganzen extrahiert werden konnte. Ansonsten dient als Modell ein provisorischer Zahnersatz, der hier im abgebildeten Fall aus einem Kaltpolymerisat für provisorische Kronen und Brücken im Humanbereich (Bosworth®Trim®) gefertigt wurde. Um den implantierfähigen Hochleistungskunststoff PEEK überhaupt verarbeiten zu können, benötigt man eine flüssigkeitsgekühlte Fräsmaschine, da der Werkstoff nur sehr schwer und mit exakt eingestellten Fräsparametern zu bearbeiten ist.
Die Anfertigung des PEEK-Zahnersatzes im Labor
Als Vorlage für die Erstellung eines virtuellen Pferdezahnes benötigen wir im Idealfall das Provisorium, das der Tier(zahn)arzt mithilfe eines frei anrührbaren Pulver-Flüssigkeitskunststoffes anfertigt. Das Provisorium stellt die Ausformung der durch Extraktion entstandenen Alveole und die Zahnkrone mit der exakten Bisshöhe dar. Der Zahn wird dann in einen Streifenlichtscanner eingebaut. Von allen Seiten wird die gesamte Oberfläche des Zahnimplantats erfasst und digitalisiert. Die 15 Messaufnahmen des Scanners werden mit einer Software in einem Maching-Prozess zu einem virtuellen 3D-Modell umgerechnet. Mithilfe einer CAD-Software können noch Korrekturen an der Form des Zahnimplantates vorgenommen werden. So kann die Zahnwurzel mit Unterstützung eines Offsets minimal in 3D vergrößert werden, um die Primärstabilität der Wurzel im Pferdekiefer zu erhöhen. Weiterhin ist es möglich, so genannte Retentionen in die künstliche Wurzel zu konstruieren. Nach der Konstruktion wird der virtuelle Zahn in Fertigungsdaten umgewandelt, um dann das Implantat in einer 5-Achs-Simultanfräsmaschine aus einer PEEK-Ronde zu fräsen. Nach dem Fräsvorgang wird die Zahnkrone auf Hochglanz poliert, der Übergang der Wurzel bleibt im maschinierten Zustand, der Wurzelbereich wird zur Oberflächenvergrößerung mit Aluminiumoxid angestrahlt. Diese Oberflächenabstufungen sind so aus der humanen Dentalimplantologie bekannt und bewährt. Durch die Oberflächenvergrößerung wächst die Wurzel im Knochen fest, sie osseointegriert. Die Fertigungszeit dauert ohne Versandzeiten einen Werktag.
Anbringung des Zahnersatzes
Die Implantation des Zahnersatzes kann am narkotisierten oder stehenden Pferd durchgeführt werden. Sowohl aus Risiko,- wie auch aus Kostengründen ist die Implantation am stehenden Pferd anzustreben. Das Einbringen des Implantates sollte in Anlehnung an humanmedizinische Standardvorgehensweisen erfolgen. Es sollte jedoch auch dem Tierbesitzer dargelegt werden, dass ein gleichwertiger Standard beim Pferd nicht erreichbar ist. Voraussetzung für eine Implantation sind infektionsfreie Verhältnisse in der Alveole. Die Behandlung einer Fistel durch ein Implantat beim Pferd ist denkbar, bedarf jedoch einer umfangreichen Besitzeraufklärung. Im Falle einer reaktionsfreien Alveole bedarf es der Reinigung, zum Beispiel mit Polihexanid sowie der Trocknung vor dem Einbringen des Zahnersatzes. Die vorteilhafte Anwendung von Druckluft muss beim stehenden Pferd von Fall zu Fall in Abhängigkeit von der Toleranzbereitschaft des Patienten entschieden werden. Für das Einbringen eines Implantates im hinteren Maulhöhlenbereich ist neben dem gängigen Instrumentarium ein speziell für diesen Anwendungszweck entwickeltes Instrumentarium notwendig, welches im Sinne einer Schlagkraftübertragung angewendet wird. Die Vorlage für dieses medizinische Gerät ist das Prinzip eines U-förmig hergestellten Eisens mit Positionierungsanteil, mit dem es möglich ist, das Implantat in der Maulhöhle durch externes Klopfen einzubringen. Ein derartiges Gerät ist in der Veterinärmedizin zurzeit noch nicht im Handel.
Kostenfaktor
Der Kostenfaktor bezieht sich auf die Vorlage eines extrahierten und intakten Backenzahnes und die Zusendung eines Provisoriums, welches im Labor als Vorlage herangezogen werden kann. Zurzeit betragen die Kosten für die Anfertigung eines Implantates ca. 600 bis 700 Euro netto. Der Preis ist über eine Erhöhung der Stückzahlen verbesserbar.
Blick in die Zukunft
Der Besitzer eines Pferdes mit einer Zahnextraktion im Backenzahnbereich hat in der Regel einen längeren Behandlungsweg mit entsprechenden Kosten hinter sich gebracht. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Kunden diesen Status quo beibehalten wird. Gerade jedoch die Besitzer von erfolgreichen Turnierpferden haben ein offenes Ohr für Methoden, die das Wohlbefinden des Pferdes und damit seine Leistungsbereitschaft verbessern. Diese Pferde mit Zahnlücken erhalten in der Regel mehrmals täglich eine Maulhöhlenspülung, um keine Nachteile durch Futterreste in der Lücke entstehen zu lassen. Gleiches gilt für Privatpferde mit hohem ideellen Wert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die beschriebenen Pferdebesitzer Zielgruppen sind, die bereit sind, die Kosten zu tragen. Der Rückblick auf die Entwicklung der Pferdemedizin zeigt auch auf, welch hohen Standard sich der Pferdebesitzer zwischenzeitlich wünscht. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die momentan gültige Formulierung „Mut zur Lücke“ ein Zeitphänomen ist. Es ist wünschenswert, dass dieser Abhandlung Fallbeispiele und irgendwann signifikante Verträglichkeitsergebnisse von PEEK in der Fachpresse folgen. Die Kausalfrage ist und bleibt die Osseointegration und damit die Stabilität des Implantates, die zu einem Großteil durch die Materialwahl bestimmt wird. PEEK erfüllt die Anforderungen für die Pferdezahnheilkunde. Dies heißt jedoch nicht, dass eine Osseointegration in jedem Fall problemlos erfolgt.
dr.klausbosler@t-online.de
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