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West-Nil-Virus

Ein Virus auf dem Vormarsch

Die durch Insekten übertragbaren Viruskrankheiten erfahren angesichts des eingeleiteten
Klimawandels bei Mensch und Tier eine zunehmende Beachtung. Von Dr. Ute Ziegler und Prof. Dr. Martin H. Groschup.

Zu diesen durch sog. Arbo-Viren (Abkürzung für „arthropod-borne“) verursachten Erkrankungen gehört auch das West-Nil-Virus (WNV), ein in Deutschland noch exotisches Virus der Familie Flaviviridae. In der Gattung Flavivirus gehört es neben dem bekanntem Gelbfiebervirus, Denguevirus und Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus zum Japan-Enzephalitis-Serokomplex.
Seit langem ist es als Ursache leichter fieberhafter Erkrankungen bis (selten) hin zu tödlichen Enzephalitiden in weiten Teilen Asiens, Osteuropas, Afrikas und in Australien bekannt. Auch in Südeuropa wurden in der jüngeren Vergangenheit immer wieder WNV-Ausbrüche bei Mensch und Tier festgestellt.
Das plötzliche Auftreten des WNV in New York im Jahre 1999 und seine rasante Ausbreitung über den gesamten nordamerikanischen Kontinent hat auf eindringliche Weise gezeigt, mit welcher Leichtigkeit ein Krankheitserreger in neue Gebiete eindringen und sich dort dauerhaft etablieren kann, wenn kompetente Wirtssysteme und Vektoren vorhanden sind. Die Virusinfektion kann beim Menschen als sog. Fehlwirt zu einer Enzephalitis führen und hat in den Vereinigten Staaten seit seiner Einschleppung 1999 zu mehr als 1.000 Todesfällen geführt.
Inzwischen wurde WNV auch nach Mittel- und Südamerika und in die Karibik verbreitet und führt dort zu jährlich wiederkehrenden epidemischen bzw. epizootischen Ausbrüchen.

Erregerreservoir und Übertragung

Das WNV wird hauptsächlich durch Stechmücken der Gattung Culex übertragen und in einem natürlichen Vermehrungszyklus wird das Virus zwischen lokalen Vogelund Stechmückenpopulationen übertragen, wobei die infizierten Vögel das eigentliche Virusreservoir darstellen. Es wird angenommen, dass das Virus durch Zugvögel
über weite Strecken transportiert und so aus Endemiegebieten in andere Gebiete eingeschleppt werden kann (Hubalek und Halouzka, 1999).
Unter Einbeziehung von Vektoren, die an unterschiedlichen Spezies ihre Blutmahlzeiten aufnehmen, kann es neben dem beschriebenen natürlichen Vermehrungszyklus zu einer Übertragung des WNV auf andere Spezies kommen. Eine besondere Rolle spielen hierbei Pferde und Menschen, bei denen sich massive Gesundheitsstörungen bis hin zum Tod entwickeln können. Eine Übertragung von einem Pferd bzw. Menschen auf andere Tiere/Menschen ist bislang nicht beschrieben, sodass davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei Pferd und Mensch um sogenannte Fehlwirte des Virus handelt.

Klinische Symptome

Bei Vögeln bleibt eine Infektion mit WNV in den meisten Fällen symptomlos, d.h. klinisch inapparent. Eine Reihe von Vogelarten ist jedoch sehr empfänglich für WNV, sodass es zu massiven Epidemien mit Todesfällen kommt. Hierbei sind besonders die Sperlingsvögel (Passeriformes), darunter vor allem die Rabenvögel (Corvidae), aber auch einige Greifvogelarten aus der Ordnung der Falconiformes zu nennen. Auch bei Wirtschaftsgeflügel kommt es immer wieder zu neurologischen Erkrankungen, die häufig tödlich enden (Israel 1997 – 2000, Ungarn 2003, USA 2005, Kanada 2007).
Die Infektion beim Menschen verläuft bei 80 % der Infizierten symptomlos. Bei nur etwa 20 % der Infizierten zeigen sich leichte Krankheitssymptome, wie Fieber und Grippe-ähnliche Symptome (sog. „West-Nil-Fieber“ (klassischer Verlauf)). In weniger als 1 % der Fälle kann allerdings auch ein schwerer, hoch fieberhafter Krankheitsverlauf mit Meningitis oder Enzephalitis auftreten, der zu bleibenden neurologischen Schädigungen führen kann und in jedem 10. Fall mit dem Tod endet (komplizierter Verlauf). Ältere Menschen gelten als besonders gefährdet.
Die Mehrzahl der Pferde, die mit WNV infiziert werden, entwickelt ähnlich dem Menschen keinerlei klinische Symptomatik. Etliche Tiere hingegen reagieren jedoch mit deutlichen zentralnervösen Ausfallerscheinungen aufgrund von Meningitiden oder Enzephalitiden. Zu den klinisch auffälligen zentralnervösen Störungen zählen Stolpern, Nachhandlähmungen, Ataxien, allgemeine Schwäche, Muskelzittern (Tremor) und Lähmungen bis zum Festliegen der Tiere. Die erkrankten Pferde zeigen seltener fiebrige Allgemeinerkrankungen, nur in ungefähr einem Viertel der infizierten Fälle. Pferde mit klinischen Anzeichen können die Infektion zwar überleben, behalten aber oft lebenslang neurologische Schäden zurück. Eine spezifische Behandlungsmöglichkeit existiert nicht, nur eine symptomatische Therapie ist möglich. Bei bis zu 40 % der infizierten Tiere kann die Erkrankung tödlich verlaufen.

Verbreitung

Bei ersten Studien in Deutschland (2000,2002 – 2005) wurden in bis zu 10 % der untersuchten Vogel-Serumproben Antikörper (Ak) gegen WNV nachgewiesen, meist jedoch mit niedrigem Titer. WNV-spezifische Nukleinsäuren waren jedoch in keiner der Proben zu finden (Linke et al. 2007). Gleiches gilt auch für die am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) durchgeführte Studie in den Jahren 2002 – 2003 zum WNV-Vorkommen bei ca. 1.000 untersuchten Wildvögeln. In den untersuchten 323 gepoolten Rachen- und Kloakentupferproben konnte kein WNV bzw. WNV-Genom nachgewiesen werden (Schirrmeier et al. 2004).
Das in letzter Zeit verstärkte Auftreten der Erkrankung in Süd- und Südosteuropa (Südfrankreich 2000, 2003 – 2004, 2006; Rumänien 2007, Ungarn 2003 – 2005) hat gezeigt, dass WNV-Infektionen auch für Deutschland ein Thema werden können. Die im letzten Jahr im Spätsommer vorgekommenen Erkrankungsfälle bei Pferden in Italien und bei Wildvögeln (vornehmlich Greifvögel) in Österreich zeigen, dass sich das Virus immer weiter nordwärts ausbreitet. Eine mögliche Einschleppung nach Deutschland ist deshalb durchaus naheliegend.

Monitoring-Untersuchungen

Da die als WNV-Vektoren fungierenden Stechmückenarten in Deutschland vorkommen, ist deren enzootische Etablierung nach einer primären Einschleppung prinzipiell nicht auszuschließen.
Stichprobenhafte Überwachungen können Aufschluss darüber geben, ob WNVInfektionen bei Vögeln, Pferden oder Menschen in Deutschland vorkommen.
Dazu wird derzeit seit 2007 ein Forschungsprojekt am FLI bearbeitet, das in ein Verbundprojekt zur Zoonoseforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingebunden ist. Im Rahmen dieser Studie werden serologische WNV-Untersuchungen und virus bzw. nukleinsäurebasierte Erregernachweise zur Überwachung der Zugvögel- und einheimischen Vogelpopulationen durchgeführt. Als serologische Methoden kommen Immunfluoreszenztest (IFT), ELISA und Virusneutralisationstest (VNT) zur Anwendung. Der Virusgenomnachweis erfolgt mittels spezifischer realtime-PCR-Verfahren. Es wurden bisher mehr als 2.500 Wildvogelproben und auch mehrere Tausend Proben von Freilandgeflügel (Enten, Gänse, Hühner) untersucht. Gleichzeitig gibt es Untersuchungen zur Seroprävalenz der Pferdepopulation, als ein möglicher Indikator für ein WNV-Geschehen in Deutschland. Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen kann geschlossen werden, dass WNV-Infektionen bei einheimischen Vögeln und Pferden bisher nicht vorkommen. Bei einzelnen Zugvögeln wurden dagegen serologische Hinweise auf eine überstandene WNV-Infektion nachgewiesen.

Ausblick

Die jetzt laufende Monitoring-Studie am FLI ist eine Status-quo-Erhebung zur Aufdeckung eines möglichen Vorkommens von WNV in Deutschland und zum gleichzeitigem Feststellen möglicher Antikörpernachweise, insbesondere auch unter Einbeziehung der Pferdepopulation.
Zur Abklärung von neurologischen Symptomen bei Pferden sollte man im Rahmen der Differentialdiagnose auch an eine mögliche WNV-Infektion denken.
Bei Verdachtsfällen kann eine WNV-Infektion nur über eine labordiagnostische Untersuchung abgeklärt werden. Diese kann im Referenzlabor für West-Nil-Virus am FLI durchgeführt werden. Zur postmortalen Diagnostik eignen sich vor allem Gehirn- und Rückenmarkgewebe. Besonders im Rahmen des Seuchengeschehens in den USA wurden verschiedene Impfstoffe für Pferde entwickelt: West-Nile- Innovator® (Fort Dodge), PreveNile® (Intervet) sowie Recombitek® (Merial). Der inaktivierte Vollvirusimpfstoff West-Nile-Innovator® ist seit Mitte Mai 2009 auch für Deutschland verfügbar.
Da sich derzeit jedoch für Deutschland kein akutes WNV-Geschehen abzeichnet, ist eine flächendeckende Vakzinierung der Pferdebestände nicht notwendig. Im Gegenteil, eine sichere Unterscheidbarkeit der gebildeten Antikörper aufgrund einer Impfung oder Feldinfektion ist damit nicht mehr gewährleistet. Bei einer Feldinfektion würde die massenhafte Anwendung der Vakzine die Aufdeckung eines möglichen WNVEintritts nach Deutschland erschweren. Deshalb sollte ein Einsatz dieser Vakzine genau abgewogen werden. Unabhängig davon können Pferde geimpft werden, die in nachgewiesene Endemie-Gebiete reisen.

Foto: College für Veterinärmedizin an der Kansas State University

Ute.Ziegler@fli.bund.de
Martin.Groschup@fli.bund.de

HKP 4 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2009.
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