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Anästhesie und Schmerztherapie beim neugeborenen Fohlen

Kaum auf der Welt – schon im OP

Die Durchführung einer Allgemeinanästhesie stellt beim neonatalen oder pädiatrischen Fohlen eine große Herausforderung dar. Eine Blasenruptur, ein patenter Urachus, eine Nabelresektion, gastrointestinale Probleme, muskuloskeletales Trauma oder auch eine Gelenksinfektion können jedoch eine Anästhesie während der ersten Lebenstage unabdingbar machen.

Fohlen haben im Vergleich zu gesunden, adulten Pferden während der ersten Lebenswoche ein 7,3-fach erhöhtes Risiko, im Verlauf einer Anästhesie zu versterben. Im Alter von 1 bis 4 Wochen ist das Risiko noch doppelt so hoch. Sind die Tiere erst einmal älter als 1 Monat, ist die Mortalitätsrate vergleichbar mit der von adulten Pferden, also etwa 0.9 %. Dies konnte in einer Evaluation von Todesfällen während einer Anästhesie gezeigt werden [1]. Diese Daten belegen, dass spezifische Kenntnisse zur umsichtigen Durchführung einer Anästhesie bei einem Fohlen notwendig sind.

Die spezielle Physiologie beim neugeborenen Fohlen

Neonatale Fohlen unterscheiden sich in ihrer Physiologie grundsätzlich von adulten Pferden. So kann auch bei einem gesunden Fohlen ein Herzgeräusch hörbar sein, da sich der Ductus arteriosus manchmal erst mehrere Tage nach der Geburt verschließt. Das Herzminutenvolumen ist beim Neonaten stark von der Herzfrequenz abhängig. Medikamente, welche die Herzfrequenz senken, oder auch eine Hypothermie führen zu einer dramatischen Reduktion des Herzminutenvolumens, was wiederum zu einer Gewebshypoxie führen kann. Die durchschnittliche Herzfrequenz liegt während der ersten Lebensmonate bei 100 Schlägen/min. Im Alter von drei Monaten sinkt sie schon auf 60 Schläge/min gesunken. Diese Veränderung reflektiert wahrscheinlich den Übergang von einer Dominanz des Sympathikus zu einer Erhöhung des Vagotonus, welcher mit der Reifung des kardiovaskulären Systems einhergeht. Anästhetika führen zu einer Reduktion des Herzminutenvolumens und des Gefässtonus, zusätzlich kommt es zu pulmonalen Atelektasen und einer reflektorischen Konstriktion der Lungengefäße: Mögliche Konsequenzen sind vaskuläre Shunts. Im Vergleich zum adulten Pferd haben Fohlen im Wachzustand einen höheren Grundumsatz, der von einem hohen Herzminutenvolumen abhängig ist. Fohlen haben im Allgemeinen aufgrund des niedrigeren systemischen vaskulären Widerstands einen tieferen Blutdruck als erwachsene Pferde. Der mittlere Blutdruck (MAP) liegt im Alter von 1 – 10 Tagen zwischen 70 und 90 mmHg, nach einem Monat sollte er auf 100 mmHg angestiegen sein. Wird die Anästhesie während der ersten Lebenstage durchgeführt, ist deshalb eine besonders gründliche Überwachung des kardiovaskulären Systems angebracht.
Fohlen haben ähnliche Atemzugsvolumina und einen vergleichbaren CO2-Partialdruck wie adulte Pferde, neben dem Atemminutenvolumen ist jedoch auch die Atemfrequenz höher. Im Alter von 1 Woche wird eine Atemfrequenz von 40 – 50 Atemzügen/min gemessen. Schon nach 1 Monat ist die Atemfrequenz mit einem adulten Pferd vergleichbar. Des Weiteren ist der arterielle Sauerstoffpartialdruck beim jungen Fohlen tiefer. Er variiert jedoch stark mit der Körperposition. Da bei diesen Tieren gleichzeitig der Sauerstoffverbrauch aufgrund des hohen Metabolismus höher ist, ist die Gefahr einer Hypoxämie besonders groß.
Auch die renalen und hepatischen Funktionen sind noch nicht vollständig ausgereift und der Anteil an Körperwassers ist höher. Dies kann die Aufnahme, die Verteilung und den Metabolismus der Anästhetika beeinflussen. Die starken und sofort einsetzenden Effekte von Sedativa wie alpha-2 Agonisten und Benzodiazepinen werden mit einer noch unausgereiften Bluthirnschranke erklärt. Eine Anästhesie verändert die Thermoregulation grundlegend, indem die Kontrolle des Hypothalamus gehemmt wird. Zusätzlich wird die Entwicklung einer Hypothermie aufgrund des spärlichen Unterhautfettanteils und der großen Körperoberfläche verstärkt. Die regelmäßige Überwachung der Körpertemperatur ist deshalb zentral. Sie sollte mittels Wärmedecken, die zirkulierende Luft oder Wasser enthalten, einer Erhöhung der Umgebungstemperatur oder auch mit warmen Infusionen aufrechterhalten werden.

Der Ablauf der Anästhesie

Eine Prämedikation führt zu einer ruhigeren Einleitung und einer stabileren Anästhesie. Benzodiazepine wie Diazepam oder Midazolam bewirken bei neonatalen Fohlen eine gute und sichere Sedation. Alpha-2 Agonisten wie Xylazin oder Romifidin führen hingegen zu einer starken Bradykardie und sollten bei Fohlen, die jünger als 1 Monat sind, möglichst vermieden werden. Ist ein Fohlen so unkooperativ, dass nicht darauf verzichtet werden kann, sollte mit sehr tiefen Dosierungen begonnen werden. Werden Benzodiazepine aufgrund von fehlenden analgetischen Effekten mit einem Opioid (Methadon, Morphin, Buprenorphin oder Butorphanol) kombiniert, führt dies durch synergistische Effekte neben einer guten Analgesie auch zu einer Verbesserung der Sedation. Sobald die Tiere tief sediert sind, sollte ihnen Sauerstoff mittels Maske oder Nasensonde verabreicht werden (Abb. 1).
Die Einleitung der Anästhesie kann sowohl mittels intravenöser Injektion von Anästhetika wie Ketamin, Propofol oder auch Thiopental als auch per Maske und Inhalation von Isofluran oder Sevofluran erfolgen. Diese Medikamente können auch miteinander kombiniert werden. Eine Einleitung per Maske sollte jedoch ausschließlich bei stark reduzierten Fohlen angewendet werden, da die Inhalation dieser Anästhesiegase aufgrund ihrer stark reizenden Wirkung zu großem Stress und starkem Abwehrverhalten führen kann. Eine Anästhesie wird normalerweise mittels Inhalationsanästhetika aufrechterhalten, während die Analgesie am effizientesten durch eine Leitungsanästhesie oder eine Lokalanästhesie am effizientesten gewährleistet wird. Wenn immer möglich, sollte eine Allgemeinanästhesie mit einer Lokalanästhesie kombiniert werden. Mit der Verminderung der chirurgischen Stimulation kann die Anästhesietiefe reduziert werden, wodurch als Folge eine Reduktion der kardiovaskulären und der respiratorischen Depression, die durch hohe Konzentrationen an Inhalationsanästhetika verursacht werden können, erzielt werden. Ist eine Lokalanästhesie nicht möglich, kann eine zuverlässige Analgesie auch mittels Dauertropfinfusion von Ketamin, Lidocain oder Fentanyl erreicht werden. Als Alternative zu einer Inhalationsanästhesie kann die Bewusstlosigkeit auch durch eine Dauertropfinfusion von Propofol oder Ketamin aufrechterhalten werden (Abb. 2).
Die Aufwachphase sollte möglichst ruhig, schmerzfrei und schnell verlaufen, sodass das Fohlen so bald wie möglich zur Mutter gebracht werden kann. Nur die schnellstmögliche Wieder aufnahme des Trinkverhaltens gewährleistet eine ausreichende Wasser- und Kalorienaufnahme und stellt die Mutter-Fohlen-Beziehung wieder her. Falls notwendig, können Opioide und nichtsteroidale Entzündungshemmer wie Flunixin-Meglumin (Finadyne) oder Meloxicam (Metacam) für die postoperative Schmerztherapie verwendet werden. Bei länger dauernder Therapie besteht jedoch die Gefahr schwerer Nebenwirkungen wie gastrointestinaler Ulzerationen, Nierenversagen und Plättchendysfunktion.

Foto: © Dr. Helene Rohrbach

HKP 7 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2012.
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