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Zoo - Interview mit Dr. Nicole Schauerte

Eine gehörige Portion Idealismus

Der Frankfurter Zoo wurde 1858 eröffnet und ist damit nach dem Berliner Zoo der zweitälteste Tierpark Deutschlands. Auf einer Fläche von 11 Hektar befinden sich 450 verschiedene Tierarten, ins gesamt beherbergt der Zoo Frankfurt ca. 4500 Tiere. Zwei Veterinärinnen kümmern sich um kranke und verletzte Tiere und untersuchen die Zootiere regelmäßig auch prophylaktisch. Bodo Fiedler und Masiar Sabok Sir begleiteten die Tier ärztin Dr. Nicole Schauerte bei ihrer Runde durch den Tierpark.

Frau Dr. Nicole Schauerte, Sie sind eine der beiden Tierärztinnen im Frankfurter Zoo. Wie kamen Sie dazu und was ist für Sie das Besondere an dem Beruf Zootierärztin?

Während meines Studiums habe ich, wie einige andere Veterinärmedizinstudenten auch, ein Praktikum im Zoo gemacht. Es war absolut spannend und mir war sofort klar: Das ist es! Nach meinem Studium begann ich mit meiner Dissertion über Große Ameisenbären im Zoo Dortmund und arbeitete neben meiner Assistenz im Zoo in einer Kleintierpraxis, was sehr wichtig ist, um alle chirurgischen Handfertigkeiten zu lernen. Sofort nach dem Studium im Zoo zu arbeiten, wäre eher schwierig, denn das Fach Zootiermedizin als solches wird an den Universitäten nicht gelehrt. Bis ich im Zoo Frankfurt angefangen habe, war ich in drei anderen Zoos angestellt und habe Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können. Ganz allgemein ist es im Zoo ein ganz anderes Arbeiten als in einer Tierarztpraxis, zu der sicher auch ziemlich viel Idealismus gehört. Bei uns macht man alles nur für die Tiere. Finanzielle Abstriche musste ich anfangs dabei in Kauf nehmen, aber das, was wir für unsere Arbeit zurückbekommen, ist viel mehr wert als ein dicker Gehaltscheck.

Soweit die Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus? Wie läuft ihr typischer Arbeitstag ab?

Den typischen Arbeitstag gibt es bei uns eigentlich gar nicht, weil unsere Arbeit extrem von dem abhängig ist, was die Tiere machen und wie es den Tieren geht. Wichtig ist für uns die Prophylaxe, dazu gehören z.B. Impfungen, regelmäßige Parasitenkontrollen und optimale Haltungsbedingungen, sodass die Tiere gar nicht erst krank werden. Ganz entscheidend dafür ist das Zusammenspiel zwischen Tierpfleger und Tierarzt. Der Pfleger muss aufzeigen, was ihm bei den Tieren auffällt, dann können wir agieren. Gegen 8 Uhr startet erstmal der Bürokram, denn neben der tierärztlichen Tätigkeit werden wir auch kurativ tätig und haben Managementaufgaben zu erledigen. Danach machen wir unsere Runde durch den Zoo, wobei wir in den einzelnen Revieren, wie schon beschrieben, ausführliche Gespräche mit den Pflegern führen. Auch die wissenschaftliche Forschung spielt bei uns eine große Rolle, denn viele Dinge, die unsere Wildtiere betreffen, sind uns noch gar nicht bekannt. Das Schöne ist aber, dass wir trotz allem viel draußen sind, direkt bei den unterschiedlichsten Tierarten.

Vor welchen Problemen stehen Sie bei Ihrer Arbeit?

Probleme klingt mir ein wenig zu negativ, ich würde es eher Herausforderungen nennen. Zum einen ist es so, dass wir zum Großteil Wildtiere behandeln, was sich von einer Heimtier-Behandlung grundlegend unterscheidet. Wildtiere verbergen sehr lange ihre Krankheit, weil sie in der Natur dann leichter Opfer ihrer Feinde würden. Hier ist das schon erwähnte Teamwork zwischen Pfleger und Tierarzt von entscheidender Bedeutung. Gerade bei Wildtieren ist es auch so, dass man immer von Fall zu Fall abwägen muss, was man tut. Muss wirklich eingegriffen werden oder heilt die Natur manchmal nicht doch am besten? Denn jeder Eingriff bedeutet Stress und birgt Risiken, was wiederum für die Heilung kontraproduktiv sein kann. Dann gibt es natürlich immer Fragen zum Thema Nachzucht, was ein ganz wichtiges Thema ist. Bei einer erfolgreichen und manchmal übermäßigen Nachzucht fragt man sich oft: Wohin mit den überzähligen Tieren? Vor allem bei den männlichen Tieren ergibt sich dieses Problem, Weibchen werden leichter von anderen Zoos übernommen. Dagegen birgt ein Eingriff in den Hormonhaushalt zwecks Kontrazeption immer auch Gefahren, wie wir z.B. leider durch Hormonimplantate bei unseren Großkatzen erfahren mussten.

Gibt es weitere „zoo-bedingte“ Schwierigkeiten mit den Tieren?

Ein spezielles Problem ist sicher das übermäßige Nahrungsangebot. In freier Wildbahn müssen die Tiere ihr Futter jagen oder suchen, im Zoo bekommen sie die Nahrung nun mal quasi auf einem Präsentierteller. Daraus können sich Probleme wie Adipositas o.Ä. ergeben. Auch Langeweile stellt sich bei den Tieren ein. Wir arbeiten allerdings mit Ernährungswissenschaftlern zusammen und entwickeln spezielle Ernährungspläne für die Tiere. Ganz allgemein legen wir großen Wert auf die hohe Qualität unserer Fütterung und entwickeln Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere. Außerdem werden Tiere durch optimierte Haltungsbedingungen und die medizinische Versorgung in einem Zoo sehr alt. Dies führt zu neuen altersbedingten Problemen wie z.B. Arthrose oder Zahnerkrankungen. Alterserscheinungen und Erkrankungen, die bei Tieren in freier Wildbahn gar nicht oder nur selten auftauchen. Die Entwicklung neuer Medikamente kann da aber Abhilfe schaffen.

Wurden Sie schon mal von einem der Tiere verletzt? Was muss man verinnerlichen, um ein guter Zootierarzt zu sein?

Ein Seebärbulle hat mir mal ins Knie gebissen, sehr schmerzhaft, aber zum Glück nicht weiter schlimm. Man darf keine Angst vor den Tieren haben, gleichzeitig muss man aber Respekt vor ihnen haben. Es muss einem klar sein, dass es Wildtiere sind und keine Heimtiere. Ab und zu braucht man als Tierarzt hier auch einen Dämpfer, damit man das nicht vergisst. Sehr kritisch finde ich die Zoo-Serien, die momentan ständig im TV laufen. Die meisten dieser Serien vermitteln den Eindruck, als bestehe die Arbeit eines Zootierarztes oder Tierpflegers nur aus Füttern und Streicheln. Das ist nicht die Realität. Wir haben hier keine „heile Welt“, so gehört z.B. auch das Sterben als etwas völlig Normales dazu.

Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und den Tieren im Frankfurter Zoo für die Zukunft alles Gute!

HKP 2 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2010.
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