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HKP-8-2014 > Harnsteine bei Hund und Katze – Ernährung als Ursache und Therapie

Harnsteine bei Hund und Katze – Ernährung als Ursache und Therapie

Passende Diät

Die Urolithiasis kann Hunde und Katzen gleichermaßen betreffen und insbesondere bei männlichen Tieren zu klinisch kritischen Zuständen führen. Während Urolithen aus Urat, Kalziumphosphat, Zystin oder Silikat eher selten vorkommen, haben Harnsteine bzw. Harngries aus Kalziumphosphat und Struvit (Ammonium-Magnesium-Phosphat) eine ungleich größere Bedeutung.

Entsprechend gilt der Rolle der Ernährung als Ursache sowie bei Therapie und Prophylaxe gerade bei diesen Harnsteinen eine besondere Aufmerksamkeit. Die mittlerweile immer vielfältigeren Fütterungsweisen (Trockenfutter, Nassfutter, Kochen, Barfen, vegetarisch etc.) ­machen nicht selten eine detaillierte Anamnese der Fütterung erforderlich.

Allgemeine Anamnese der Fütterung

Die Anamnese zur Fütterung und Wasseraufnahme stellt – neben den Fragen zu Harnabsatz, eventuell bestehenden Stoffwechselerkrankungen sowie bisherigen Erkrankungen des Urogenitaltraktes – einen unentbehrlichen Bestandteil des Gesprächs mit dem Patientenbesitzer dar. Zusätzlich kann eine genaue Prüfung der Futternährstoffe sogar erste Verdachtsmomente in Bezug auf die Steinart einer möglicherweise bestehenden Harnsteinerkrankung liefern. Grundsätzlich kann eine niedrige Wasseraufnahme aufgrund der erhöhten Konzentration u.a. konkrementbildender Substanzen im Harn (Übersättigung) als eine vorliegende Prädisposition zur Entstehung von Harnsteinen gewertet werden. Neben der Wasseraufnahme des Patienten, deren Menge ein Besitzer mitunter nur schwer einzuschätzen vermag, kann auch die allgemeine Angabe zur Art des Futters als Indiz herangezogen werden. Unter den Tieren, die Trockenfutter bekommen, neigen nicht wenige zu einer unzureichenden Wasseraufnahme. Insbesondere Katzen trinken vielfach zu wenig.

Prüfen der Futternährstoffe

Eine Überprüfung der im Futter enthaltenen Nährstoffe kann diagnostisch wertvolle Hinweise auf die vor­liegende Steinart geben, insbesondere wenn die Möglichkeit zur sofortigen mikroskopischen Analyse von Harnsediment nicht gegeben ist oder diese keinen eindeutigen Befund ergibt. Sofern ein Urolith für die Diag­nostik zur Verfügung steht, ergibt dessen chemische Analyse natürlich die sicherste Steinart-Diagnose.

Für die Mehrheit der Futterhersteller gilt, dass mit zunehmender Größe des Unternehmens und entsprechend vergesellschafteter Fachkompetenz und Qualitätssicherung die Wahrscheinlichkeit für gesundheits­gefährdende Missverhältnisse in der Nährstoffzusammen­setzung sinkt. Gerade aber bei sehr kleinen Unternehmen sollte in Zeiten geringer Reglementierungen für Futterhersteller nicht ausgeschlossen werden, dass Alleinfutter auf den Markt gebracht werden, die entgegen anderslautender gesetzlicher Vorgaben durchaus geeignet sind, der Tiergesundheit zu schaden bzw. konkret auch die Entwicklung von Harnsteinen zu fördern. Für die Entstehung der immer noch am häufigsten auftretenden Struvitsteine (Ammonium-Magnesium-Phosphat) sind hier entsprechend der Steinzusammensetzung die weit über dem Bedarf liegenden Werte für Protein (Stickstoff), Magnesium und Phosphat als kritisch anzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn aus den Mineralien des Futters ein alkalischer Harn-pH-Wert resultiert. Mit Blick auf die zweithäufigsten und zunehmend vorkommenden Kalzium-­Oxalat-Steine sind es über Bedarf vorhandenes Kalzium sowie hohe Anteile an glycinreichem Binde­gewebseiweiß (Oxalat/Oxalsäure ist Metabolit des Glycin­abbaus), die hinsichtlich des Anteils, den die Fütterung zur Entstehung dieser Steinart beitragen kann, vermieden werden sollten.

Problem „Zufütterung“

Neben einer Betrachtung des „Hauptfutters“ wird in der Anamnese auch alles erfragt, was zusätzlich gefüttert wird. Dies kann entscheidend sein, wenn die „Zufütterung“ eine relativ gesehen große Menge darstellt und außerdem in gewisser Regelmäßigkeit praktiziert wird. Neben dem klassischen „Verschneiden“ des ursprünglichen Futters mit eigenen Zutaten (Fleisch, Haferflocken) müssen auch die Zugabe bestimmter Ergänzungsfuttermittel (Mineralstoff-Produkte mit viel Kalzium-karbonat) und große Mengen an (mitunter zusätzlich mit einzelnen Nährstoffen wie Ca und P angereicherten) Leckerli als „Verschneiden“ gewertet werden. Jedes umfangreiche „Verschneiden“ eines als sogenanntes ­Alleinfutter konzipierten „Hauptfutters“ bedeutet eine Verdünnung seiner Nährstoffe insgesamt und/oder eine Veränderung bestimmter Nährstoffverhältnisse, die man nicht vernachlässigen sollte. Einer ganz besonderen Aufmerksamkeit bedarf die Prüfung der Nährstoff­zusammensetzung bei Patienten, die ausschließlich mit selbst zubereitetem Futter gefüttert werden. Nur ein Teil der Patientenbesitzer, die ihre Tiere bekochen oder barfen, verfügt über tiefer gehende Kenntnisse zu den Nährstoffgehalten der eingesetzten Zutaten bzw. praktiziert seine individuelle Fütterung auf Basis einer tierärztlichen Rationsberechnung. In der Folge sind Futter­rationen, die aufgrund unterschiedlichster Über- bzw. Unterversorgungen mit Nährstoffen die Gesunderhaltung des Tieres gefährden, keine Seltenheit. Auch Missverhältnisse, die hinsichtlich der Entstehung von Harnsteinen als kritisch anzusehen sind, kommen häufig vor. So weisen beispielsweise viele BARF-Rationen durch die Betonung von Fleisch und „Innereien“ immense Proteingehalte (viel Stickstoff) sowie einen vielfach über Bedarf liegenden Phosphorgehalt auf. Werden im Rahmen des Futterplans auch Knochen (rohe, fleischige Knochen/„RFK“) gefüttert, so geschieht dies selten im Rahmen konkreter Mengenvorgaben und resultiert entsprechend häufig in der Fütterung eines Vielfachen des Bedarfswertes für Kalzium sowie einer mittleren Überversorgung mit Magnesium.

Kationen-Anionen-Verhältnis und Harn-pH-Wert

Die mit dem Futter aufgenommenen Mineralien bestimmen maßgeblich den Harn-pH-Wert, der wiederum die Löslichkeit von potenziell konkrementbildenden Stoffen beeinflusst. Während Kationen wie Magnesium, Kalzium, Natrium und Kalium alka­lisierend wirken, verändern Anionen wie Phosphat, Chlorid und Schwefel den pH-Wert in Richtung des sauren Milieus. Die Berechnung des Kationen-Anionen-Verhältnisses (KAV) ist Voraussetzung für die anschließende Schätzung des Harn-pH-Werts. Das KAV errechnet sich mithilfe einer Formel, die aus praktischen Gründen ohne Berücksichtigung der selten deklarierten Methionin- und Cystein- bzw. Schwefelgehalte auskommt.

Abb. 1 Berechnung des KAV1 (Mineralgehalte in g pro 100 g Trockensubstanz des Futters)

KAV = Ca · 50 + Mg · 82 + Na · 43 + K · 26 - P · 65 - Cl · 28
Harn-pH (Hund) = (KAV · 0,019) + 6,5
Harn-pH (Katze) = (KAV · 0,021) + 6,72
1Meyer, Zentek; Ernährung des Hundes; Enke 2013

Der Sinn einer Schätzung des auf Basis der Fütterung zu erwartenden pH-Werts des Harns ist möglicherweise nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Schließlich kann der tatsächliche pH-Wert schnell und einfach mit einem Teststreifen bestimmt werden. Dennoch hat diese Schätzung einen diag­nostischen Wert, da sie einen gemessenen auffälligen pH-Wert bestätigen kann. Vor allem aber eignet sie sich zur indirekten Verdachtsdiagnose einer Harnwegsinfektion, wenn die Messung mittels Teststreifen – im Widerspruch zu einem erwarteten nichtalkalischen Schätzwert – einen alkalischen pH-Wert ergibt und die bakteriologische Untersuchung auf ureasebildende Bakterien negativ bzw. nicht eindeutig positiv war. Auch im Vorgriff auf konservative Therapien bzw. die Rezidivprophylaxe ist die Schätzung des pH-Wertes bzw. die vorherige Berechnung des KAV bereits nützlich, da sie dem Patientenbesitzer anschaulich die Problematik des aktuellen Futters bzw. bestimmter Futterkomponenten vermittelt und entsprechend positiven Einfluss auf die Compliance hat.

Diätetik als konservative Therapie und Rezidivprophylaxe

Eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen einer konservativen Therapie und wird zur Verhinderung von Rezidiven auch nach erfolgreicher Auflösung von Harn­sediment/Harnsteinen bzw. einer Operation dauerhaft beibehalten. Hierbei stellt eine umfangreiche Flüssigkeitszufuhr über die Futteraufnahme die einfachste Variante dar. Während Nassfutter bereits zu etwa 80% aus Wasser besteht und deshalb keiner Veränderung bedarf, sollte Trockenfutter bis zur Sättigung (mind. aber 3 Teile Wasser auf 1 Teil Futter) mit Wasser eingeweicht werden. Kochendes Wasser weicht Trockenfutter zwar schneller ein, ist aber aufgrund der Hitzeschädigung von im Futter enthaltenen Vitaminen nicht zu empfehlen. Neben der Flüssigkeitszufuhr über das Futter kann häufig auch die Aufnahme von Tränkwasser gesteigert werden. Wassernäpfe sollten in mehreren Wohnräumen platziert, regelmäßig gereinigt werden und täglich frisches Wasser enthalten. Das Angebot von bewegtem Wasser (Trinkbrunnen, Wasserhahn) sowie unterschiedlichste Verbindungen von Wasseraufnahme und Spiel können auch sehr „wählerische“ Katzen animieren, mehr zu trinken. Der Erfolg der Harnverdünnung (spezifisches Gewicht) kann auch vom Patientenbesitzer regelmäßig mittels Harnteststreifen bestimmt werden. Ein zuverlässigeres Messergebnis liefert jedoch ein Refraktometer.

Die Entscheidung hinsichtlich konservativer oder operativer Therapie ist in Abhängigkeit vom Einzelfall durch den behandelnden Tierarzt zu treffen. Grundsätzlich sind Struvitsteine leichter durch diätetische Maßnahmen aufzulösen (insbesondere bei Katzen) als Kalzium-Oxalat-Steine. Letztere lösen sich nur relativ langsam auf und legen daher häufiger ein operatives Vorgehen nahe. Mischsteine erfordern eine individuelle Anpassung der therapeutischen Maßnahmen. In einer gegen (die Neubildung von) Struvit gerichteten Harnsteindiät sind die dieser Steinart zugrunde liegenden Substanzen nur in einem notwendigen Minimum enthalten (Protein, Magnesium, Phosphat). Zusätzlich ergibt sich aus den im Futter enthaltenen Mineralien ein niedriger (Prophylaxe) bzw. negativer (Therapie) Wert für das Kationen-Anionen-Verhältnis und in der Folge ein saurer Harn-pH-Wert. Dieser ist letztlich die Voraussetzung für die Auflösung von Struvit und verhindert gleich­zeitig dessen Neubildung. Der Erfolg der pH-Wert-Senkung sollte regelmäßig mit Harnteststreifen kontrolliert werden. Bei Bedarf muss ein Wechsel des Diätfutters bzw. eine Änderung in der Diätration in Erwägung gezogen werden. Insbesondere in der Therapiephase können dem Futter zur Harnansäuerung auch Ammoniumchlorid oder Methionin in einer entsprechenden Dosierung zugefügt werden.

Kommerzielle Diätfuttermittel für Tiere mit Struviturolithiasis sind hinsichtlich der bereits erwähnten Nährstoffe optimiert und enthalten teilweise zusätzliches Ammoniumchlorid und/oder Methionin. Zumeist werden unterschiedliche Rezepturen für die Phase der Therapie bzw. der Prophylaxe angeboten. Alternativ zu Fertigfutter kann auch selbst zubereitetes Diätfutter eingesetzt werden. Bei kurzfristig angesetzten Therapien, die beispielsweise vorhandenes Harnsediment auflösen sollen, kann eine Ration gefüttert werden, bei der lediglich die diätetisch entscheidenden Parameter optimal einstellt sind (Tab.). Der Gehalt von Protein, Phosphat und Magnesium muss bedarfsdeckend, aber möglichst niedrig sein. Zusätzlich darf bei saurem Harn-pH-Wert – aufgrund der Gefahr der Entstehung von Kalzium-Oxalat-Steinen – der Kalziumgehalt im Futter nicht unnötig hoch sein und trotzdem muss das Kalzium-Phosphor-Verhältnis korrekt eingestellt werden. Als Faserquelle ist Obst oder Gemüse einzusetzen, das nur wenig Oxalat (Syn. Oxalsäure) enthält, z.B. Äpfel (0,5mg/100g). Sofern jedoch von einer längeren Therapiedauer auszugehen ist oder der Patient sich in der dauerhaften= Phase der Rezidivprophylaxe befindet, bedarf es einer Futterration, die neben den diätetisch einzustellenden Parametern auch die bedarfsdeckende Nährstoffversorgung insgesamt sicherstellt.

Die konservative Therapie von Kalzium-Oxalat-Steinen ist langwierig, sodass nicht selten eine operative Behandlung vorge­zogen wird. Im Falle des Vorliegens von Harnsediment anstelle größerer Harnsteine kann jedoch auch eine diätetische Therapie erwogen werden. Entsprechende Diätfuttermittel enthalten am Bedarf orientierte Mengen Kalzium und Vitamin D sowie weniger und dafür hochwertigeres Protein. Der resultierende Harn-pH-Wert sollte im neutralen bis leicht alkalischen Bereich liegen. Für alternative, selbst zubereitete Futterrationen gelten diese Vorgaben entsprechend. Zu vermeiden sind insbesondere tierische Zutaten, die einen hohen Anteil an Bindegewebe aufweisen sowie oxalsäurereiche pflanzliche Komponenten. Aufgrund der längerfristig anzulegenden Therapie ist dem Patientenbesitzer eine tierärztliche Rationsberechnung dringend zu empfehlen.

take home

Eine genaue Anamnese der Futternährstoffe mit nachfolgender Schätzung des Harn-pH-Werts kann wertvolle Hinweise für die Diagnose einer Urolithiasis geben und durch ein besseres Verständnis für die Entstehung dieser Erkrankungen die Compliance des Tierhalters fördern. Neben kommerziellem Diätfutter eignen sich auch selbst zubereitete Diät-Futterrationen für den Einsatz gegen Harnsteine bzw. zur Prophylaxe von Rezidiven.

Foto: © istockphoto.com, Chalabala

Stichwörter:
Stoffwechselerkrankungen, Ammonium-Magnesium-Phosphat, Nährstoff­zusammensetzung, Rezidivprophylaxe,

HKP 8 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2014.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.