HKP-1-2013
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Der Tierarzt als Schnittstelle zwischen Hundebesitzer und Hundeschulen
Der Tierarzt als Schnittstelle zwischen Hundebesitzer und HundeschulenHUNDE ...Der Stellenwert des Hundes in unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Das Interesse des Hundebesitzers, so viel wie möglich über das Verhalten seines Tieres zu wissen, ist so groß wie nie zuvor. Auch das Informationsangebot ist riesig. Es erscheinen immer wieder neue Bücher über die Erziehung von Hunden auf dem Markt und an jeder Ecke werden neue Hundeschulen aufgemacht. Für den Hundehalter ist es sehr schwierig, angesichts dieser Riesenauswahl herauszufinden, welche Hundeschule wirklich gut und welches Buch wirklich lesenswert ist. Eine Anlaufstelle für die Beratung sollte in diesem Fall der Tierarzt sein. Auch seine Aufgaben haben sich verändert. Neben der alten Funktion, Krankheiten der Vierbeiner zu heilen, werden in Zukunft die Prävention und die Beratung immer größere Stellenwerte einnehmen. Dies gilt auch für die Betreuung und Unterstützung bei Verhaltensfragen. Das Verhalten von Hunden ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Forschung gerückt. Und so bietet gerade dieser Sektor eine Reihe neuer Informationen, die den Weg zum Hundehalter finden sollten. Der neue Blick auf das Thema „Rangordnung“ Bei diesem Thema dürfen wir getrost ein paar alte Zöpfe abschneiden. Hatte der Hund früher Probleme im Verhaltensbereich, dann gab es eine Universaldiagnose, die lautete: Der Hund sei dominant und der Halter habe ein Rangordnungsproblem mit seinem Tier. Dem Hund wurde also die Eigenschaft unterstellt, ein Streithahn zu sein, und es wurden dann entsprechende Maßnahmen empfohlen wie: Man solle sich als Halter nur einmal durchsetzen und dem Hund zeigen, wer der Chef ist, indem man ihn z.B. auf den Rücken legt. So kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Hund und Halter, die ganz häufig für beide nicht gut verliefen. Aber diese „Kollateralschäden“ wie z.B. kleinere Bissverletzungen oder extrem gestresste Hunde galten als ganz normal. Schon in den 90er-Jahren gab es rund um dieses Thema sehr heftige Diskussionen und es wurde sehr bald erkannt, dass diese alte Sichtweise so nicht mehr haltbar ist und mehr Schaden als Nutzen bringt. Eine Änderung kam mit dem größer werdenden Einfluss der amerikanischen und englischen Verhaltensforschung in Deutschland. Der Schwerpunkt der angloamerikanischen Sichtweise lag vor allem auf dem Tiertraining. So wechselte die Diagnose, wenn ein Hund z.B. an der Leine zog, von einem Rangordnungsproblem zu einem Trainingsproblem. Der gewählte Therapieansatz erfuhr somit auch eine Veränderung von einer „Unterwerfung durch Strafe“ hin zu einer Trainingsaufgabe mit einem klar formulierten Trainingsweg. Die Positionen innerhalb der Gruppe wurden über die so genannte Ressourcenkontrolle erreicht. Darunter verstand man, dass alle Dinge, die Hunden im Allgemeinen wichtig sind, vom Halter ganz gezielt nur dann an die Hunde gegeben wurden, wenn diese dafür zuvor eine Leistung erbracht hatten. Ein Beispiel hierfür wäre, dass der Hund zuerst eine kleine Übung wie z.B. „Sitz“ machen musste, bevor er an seinen Futternapf durfte. In einigen Fällen wurde auch empfohlen, die Hunde ausschließlich gegen Leistung aus der Hand zu füttern. Die Kontrolle anderer Ressourcen kam ebenfalls hinzu. So wurde z.B. angeregt, immer zuerst durch die Tür zu gehen, dem Hund zu verbieten auf dem Sofa zu liegen usw. Zeitgleich mit dieser Herangehensweise nahmen die Freilanduntersuchungen an Wölfen zu und wurden durch Unter suchungen an frei lebenden Hunden wie z.B. Straßenhunden ergänzt. Man stellte fest, dass viele der Modelle bezüglich der Rangordnung, die man aufgrund des Verhaltens von Wölfen in Gefangenschaft entwickelte hatte, nicht zu dem Verhalten von Wölfen in freier Wildbahn passten. Auch die Hunde auf der Straße verhielten sich anders, als man in der Vergangenheit angenommen hatte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beziehungen von Hunden in einer Gruppe viel komplexer sind, als wir in der Vergangenheit gedacht haben. Von dem Modell einer linearen Rangordnung dürfen wir uns verabschieden. Auch das Exklusivrecht auf bestimmte Ressourcen ist nicht stimmig. Man glaubte z.B. eine ganze Zeit lang, dass nur der im Rang an höchster Stelle stehende Rüde, sich fortpflanzen darf, und musste in neueren Untersuchungen an Straßenhunden feststellen, dass eine Hündin sich während einer Läufigkeit von mehreren Rüden decken ließ. Das neue Gedankenmodell Was also gilt im Moment noch und was nicht? Kommen wir noch einmal auf die Schwachpunkte des Ressourcenmodells zurück. Das Hauptproblem lag vor allem darin, dass alle Hunde über einen Kamm geschoren wurden. Man ging wie selbstverständlich davon aus, dass allen Hunden dieselben Dinge wichtig wären, dass man der Chef im Hause wäre und alles super liefe, sobald man diese Dinge kontrollieren und ausschließlich gegen Leistung abgeben würde. Die jüngste Vergangenheit hat aber auch wieder einmal gezeigt, dass dieser Ansatz viel zu allgemein ist. Für einige Hunde stimmte dieses Gedankenmodell ganz genau. Andere hingegen kamen dennoch in Konflikte mit ihren Haltern. Entweder, weil ihnen etwas anderes so wichtig war, dass sie dafür bereit waren, aggressives Verhalten zu zeigen oder aber, weil dieser Ansatz, alle Ressourcen zu kontrollieren, für sie eine Belastung darstellte. Auch die Halter waren unter einem ständigen Druck, da sie das Gefühl hatten, sie dürften nicht mehr einfach nur aus Spaß mit ihrem Hund spielen. Es musste immer irgendein „wertvoller“ Zweck dahinter sein. An diesem Punkt stehen wir heute. Wir haben auf der einen Seite sehr viele Halter, die eine Menge wissen. Auf der anderen Seite aber haben wir auch eine zunehmende Verunsicherung, was man beim Hund eigentlich darf und was nicht, wie man das Zusammenleben in Einklang bringen kann, wie man auf positivem Weg trainieren kann und dennoch die Spielregeln vorgibt. Ein wichtiger Gedankenansatz hierzu stammt aus England. Es handelt sich dabei eigentlich um eine erweiterte Form des Ressourcenmodells. Um zu verhindern, dass ein Hund mit seinem Halter in einen Konflikt gerät, werden auch hier Ressourcen kontrolliert. Dabei werden die Persönlichkeit und die Geschichte des Hundes mitberücksichtigt. Aus Sicht des einzelnen Hundes haben Ressourcen eine unterschiedliche Wertigkeit. Es kann z.B. sein, dass einem Hund Futter ganz besonders wichtig, dass ihn aber strategisch wichtige Plätze gar nicht interessieren. Damit ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Hund mit seinem Halter wegen eines bestimmten Platzes in den Konflikt kommt, so gut wie null. Dieser subjektive Wert einer Ressource wird von vielen Faktoren mit bestimmt. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Rasse des Hundes. So sind z.B. die meisten Labrador Retriever sehr stark an Futter interessiert und würden hierfür alles tun. Mit welcher Vehemenz der Hund sich für diese Ressource einsetzt, hängt natürlich auch von seiner Emotionalität ab. Leicht erregbare Hunde, die sich gerne in eine Situation hineinsteigern, werden eine heftigere Reaktion zeigen, wenn es um ihre Lieblingsressource geht, als ein emotional ausgeglichener Hund. Ob er deshalb in einen Konflikt mit seinem Halter gerät oder ob er z.B. in diesem Zusammenhang kooperatives Verhalten zeigt, hängt sehr stark davon ab, was der Hund in diesem Zusammenhang gelernt hat. Kein Hund wie jeder andere Der neue Ansatz berücksichtigt also die Komponenten: subjektiver Wert einer Ressource, Emotionalität des Hundes, das Lernverhalten und den Gesamtzusammenhang. Dabei kommen die Persönlichkeit und die Geschichte des Hundes in diesem Modell zum Tragen. Doch was bedeutet das für uns und für das Training? Wenn wir wissen, dass die Persönlichkeit und die Vergangenheit eines Hundes Einfluss auf sein Verhalten haben, dann müssen wir diese im Training auch berücksichtigen. Das heißt, die Hundeschule, die wir mit unserem Hund aufsuchen, muss diese wichtigen Faktoren erkennen und ins Training mit aufnehmen. Die Hundetrainer müssen also über ein solides Wissen im Hinblick auf Ausdrucksverhalten, Normalverhalten und Lernverhalten verfügen. Sie müssen aber auch genug Erfahrung besitzen, die Persönlichkeit des Tieres in ihr Training zu integrieren. take home Hunde können aufgrund ihres Charakters und ihrer Vorgeschichte nie über einen Kamm geschoren werden. Ebenso waren die alten Ansätze zur Erziehung überholungsbedürftig. Hundeschulen müssen heute andere Bedingungen erfüllen und auch Tierärzte sehen sich mehr und mehr in der Beratungspflicht für den Halter. Halter sollten sich die künftige Hundeschule immer persönlich anschauen. Erkennt man, dass der Trainer ganz individuell ausbildet und die Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt, sind die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt. In jedem Fall sollte sich der Hundebesitzer auch auf menschlicher Ebene wohlfühlen. Eine kleine Hilfestellung bei der Suche nach der richtigen Hundeschule bieten die Tierärztekammern Niedersachen und Schleswig-Holstein. Seit einiger Zeit zertifizieren die beiden Kammern Hundetrainer. Diese werden sowohl theoretisch als auch praktisch geprüft und müssen über ein solides Wissen verfügen. Die bereits zertifizierten Trainer finden sich auf den Websites der Kammern. Foto: © panthermedia | Ingeborg Knol |
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