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HKP-6-2012 > Ernährung erwachsener Hunde (Erhaltungsbedarf)

Ernährung erwachsener Hunde (Erhaltungsbedarf)

Doch lieber BARF?

In Bezug auf Hundefutter gehen sowohl die Vorlieben als auch die Überzeugungen bei Hundebesitzern sehr weit auseinander. Dabei ist gut zu wissen, dass es nicht das beste, sondern nur das passende Futter für einen Hund – und seinen Besitzer gibt.

Wie füttern Sie Ihren Hund?

Auf diese einfache Frage erhält man in der Praxis neben der Schilderung der kompletten Lebenssituation des Besitzers auch Angaben wie: „…einen Becher Trockenfutter aus dem gelben Sack, dazu ein halbes Leberwurstbrötchen am Morgen und viele Extras vom Lebenspartner.“ Oder: „Mein Hund wird gebarft. Er bekommt neben rohem Rindfleisch Hühnerhälse, Quark, gekochten Reis, Möhren, Broccoli, Zucchini, Apfel, Banane, drei Himbeeren, Eierschale, verschiedene Öle und fünf Kürbiskerne.“

Die Besitzer wissen meist nicht, wie viel sie füttern

Die wenigsten Hundebesitzer wissen, welches Quantum sie am Tag verfüttern. Ob die Menge stimmt, lässt sich einfach anhand des Body Condition Score (BCS, Abb. 1) bestimmen. Dabei erfolgt auf einer Skala von 1 (kachektisch) bis 9 (hoch gradig adipös) die Einschätzung des Unterhautfettgewebes des Hundes. Bei der Beurteilung des Ernährungszustandes gemeinsam mit dem Besitzer erntet man eher Zustimmung als bei der Feststellung, dass der Hund zu dick oder (seltener) zu dünn sei.

Gut gefüttert ist nicht immer optimal ernährt

Doch auch wenn der Hund einen optimalen Ernährungszustand zeigt, heißt das nicht, dass er bedarfsgerecht versorgt ist. Kriterien für eine gute Futterauswahl sind das Halten des Idealgewichts, Fresslust, gesunde Haut und glänzendes, rassetypisches Fell, der ein- bis zweimal tägliche Absatz von geformtem Kot und lebhaftes Verhalten. Klinisch werden Fehlversorgungen erst sehr spät oder bei besonderen Leistungen wie z.B. Trächtigkeit, Laktation oder Wachstum sichtbar. Die vom Besitzer gewünschte Routineblutuntersuchung hilft selten weiter, weil die Mengenelemente sehr stark reguliert werden, um die Homöostase im Blut aufrechtzuhalten. Lediglich die Untersuchung auf Spurenelemente wie z.B. Kupfer, Zink und Selen kann auf eine Fehlversorgung hinweisen. Empfehlenswert zur Rationsüberprüfung ist die moderne computergestützte Rationsberechnung. Aber auch ohne ins Detail zu gehen, können einige Tipps sowie Vor- und Nachteile unterschiedlicher Fütterungsmöglichkeiten helfen, eine Ration grob einzuschätzen (Tab.1).

Kommerzielles Futter – für 75 % aller Hunde in Deutschland

Das verwendete Trocken- oder Nassfutter sollte als Alleinfutter gekennzeichnet sein, um futtermittelrechtlich sicherzustellen, dass es zusammen mit Wasser geeignet ist, einen erwachsenen Hund zu ernähren. Richtwerte für die empfohlenen Deklarationen von Trocken- und Nass-Alleinfutter enthält Tabelle 2. Ein Ergänzungsfutter dagegen deckt den Tagesbedarf des Hundes nicht ab und muss dazu mit weiteren Einzelfuttermitteln kombiniert werden. Die Beurteilung der Qualität des Futters ist über die Angabe der Futterzusammensetzung in gewissem Umfang möglich. Diese gibt in absteigender Reihenfolge der Gewichtsanteile Auskunft über die verwendeten Einzelfuttermittel. Dabei können „Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse“ ein Hinweis darauf sein, dass Muskulatur oder aber bindegewebsreiches Material enthalten ist. Lammfleischmehl bedeutet vermahlenes Fleisch, bei Geflügelmehl wird jedoch der komplette Tierkörper zerkleinert. Die Fütterungsempfehlung des Herstellers sollte als Basis dienen und dem jeweiligen BCS des Hundes angepasst werden. Die Industrie bietet eine vielfältige Futterauswahl nach Alter, Aktivität, Größe, Rasse, Leistung und Erkrankung an. Aus Kostengründen enthält Trockenfutter einen hohen Getreideanteil, der von vielen Hundebesitzern abgelehnt wird. Die Dosierung von Trocken- und Nassfutter ist einfach zu handhaben, geht schnell und ist sauber. Bei Nassfuttergaben entsteht allerdings viel Abfall. Dafür bietet die lange Haltbarkeit einen deutlichen Vorteil gegenüber selbst zubereiteten Rationen.

Selbst zubereitet – gekocht oder roh für 6 – 10 % der Hunde in Deutschland

Wenn die Besitzer die nötige Zeit haben und über entsprechende Kühlmöglichkeiten verfügen, wollen sie die Ration oftmals gerne aus Einzelfuttermitteln zusammenstellen. Gerade die frische Zubereitung und selbst gewählte Qualität der Futtermittel wirken hier überzeugend. Außerdem können bei mehreren Erkrankungen Diätprinzipien besser umgesetzt werden. Leider fehlt jedoch häufig die erforderliche Sachkenntnis, um Rationen bedarfsgerecht zu gestalten: Ein Hund ist nun einmal kein kleiner Mensch! Erfahrungsgemäß sind ca. 90 % der Hunde mit selbst zubereiteten Rationen nicht bedarfsgerecht versorgt. Einen Überblick über die optimale Zusammenstellung der Futtermittel bei gekochten Rationen gibt Abbildung 2. Meist fehlt die passende Supplementierung – für einen Hund mit 10 kg Körpergewicht ergibt sich daraus folgendes Beispiel (Abb.3). Selbst zubereitete Rationen sind in der Regel proteinreich und gerade für ältere Hunde mit nachlassender Nierenfunktion problematisch. Der Trend geht eindeutig zur Rohfütterung (biologisch artgerechtes rohes Futter, BARF). Aber BARF ist nicht gleich BARF: Auf Nachfrage gibt es die klassischen Rationen aus rohem Fleisch, Innereien, Knorpel, Knochen, Obst, Gemüse, Ölen und Kräutern. Doch viele Besitzer geben zwar das Fleisch roh, den Rest gekocht oder gedünstet und nennen es, wie eingangs erwähnt, BARF. Von Vorteil sind hier wiederum die bekannten frischen Zutaten und die Möglichkeit, auch Allergikern passende Rationen zusammenzustellen. Ebenso werden das Kaubedürfnis befriedigt und die Zahnpflege unterstützt. Zu beachten ist dabei allerdings unbedingt, dass wegen der Gefahr einer Aujeszky-Virusinfektion niemals Schweinefleisch oder Wildschweinleber roh gegeben werden dürfen. Allgemein wird die Infektionsgefahr durch rohes Fleisch von Hundebesitzern deutlich unterschätzt. Bakterien, Protozoen und Würmer sind dabei auch für den Menschen keineswegs ungefährlich (Tab.3). Nicht zuletzt besteht bei Knochengaben das Risiko von Verletzungen im gesamten Magen-Darm-Trakt und nicht selten kommt es zu Verstopfungen (Knochenkot). Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht mögliche Fehlversorgungen gerade bei Ca, Cu, Zn, Mn, Jod, Vitamine A und D (Abb.4).

Fütterungspraxis – Abwechslung um jeden Preis?

Kommerzielles Futter kann grundsätzlich mit selbst zubereiteten Rationen gemischt werden. Dabei gilt jedoch: Je mehr ohne Supplementierung zu Trocken- oder Nassfutter ergänzt wird (verschneiden), desto stärker werden die Mineralien und Vitamine verdünnt mit der Folge, dass der Bedarf zunehmend nicht mehr gedeckt wird. Hunde, deren Mahlzeiten dem vom Menschen übertragenen Wunsch nach Abwechslung entsprechen, neigen häufiger zu Durchfall als solche, deren Fütterung im Wesentlichen konstant bleibt. Erwachsene Hunde sollten ein- bis zweimal täglich gefüttert werden, bei Erkrankungen oder Hochleistungen auch häufiger. Feste Futterzeiten sind ebenso wichtig wie die Ruhepausen nach dem Fressen.

Ohne Leckereien und Belohnungen geht nichts!

Nicht zu vergessen bei der Beurteilung einer Ration sind die Leckereien und Belohnungen, die den Hundealltag versüßen. Einen Vergleich energiegleicher Futtermengen stellt Tab. 4 dar. Ein Wiener Würstchen deckt beispielsweise knapp ein Viertel des Tagesenergiebedarfs eines 10 kg schweren Hundes.

Um die Abbildungen und Tabellen zu sehen, bitte das PDF (oben rechts) downloaden.

Literatur bei der Autorin.

Link BCS: http://www.proplanproficlub.de/NR/rdonlyres/42553ED8989441A395134306CF2C6FD6/0/BCS_Hunde.pdf

Foto: © istockphoto.com| knape

HKP 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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