Pacta sunt servanda
Rechtssicherheit durch fundierte Gesellschaftsverträge Teil 2
Der Grundsatz „Pacta sunt servanda“ (wörtlich: „Verträge sind einzuhalten“) beschreibt einen der wichtigsten Grundsätze des privaten Vertragsrechts. Dieser ist insbesondere auch im Bereich von Praxiskooperationsverträgen relevant. In Teil 1 des Beitrages wurde auf die Problemstellung eingegangen und diese anhand von aktuellen Beispielsfällen ausgeführt. Teil 2 zeigt Lösungen auf.
3. Musterverträge
Bereits an diesen wenigen, in der Praxis jedoch häufig vorkommenden Beispielfällen, lässt sich dokumentieren, welche Nachteile und Probleme entstehen können, wenn ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht existiert und damit die gesetzlichen Regelungen greifen oder aber ein unzureichend und sachwidrig formulierter Vertrag besteht. Es ist jedoch dringend abzuraten von der teilweise zu beobachtenden Praxis, „Musterverträge“ aus dem Internet oder ähnlichen Quellen abzurufen und zu unterschreiben. Auch diese Vertragsmuster sind nicht geeignet, die individuellen Problemstellungen zufriedenstellend zu lösen, da sie ebenso wie die gesetzlichen Regelungen für eine Vielzahl von Fällen gedacht und damit entsprechend neutral gehalten sind.
Vielfach erschöpfen sie sich im Wesentlichen in einer Wiederholung der Regelungen des BGB, sodass hierdurch keine wirkliche Verbesserung gegenüber dem Zustand ohne schriftlichen Gesellschaftsvertrag erzielt werden kann. Da diese Muster in möglichst vielen Konstellationen anwendbar sein sollen, finden sich teilweise sogar mehrere Regelungsalternativen zu einem Vertragspunkt. Da die Musterverträge in der Praxis teilweise ohne weitere Durchsicht „blind“ unterschrieben werden, sind bereits Situationen entstanden, in denen die Vertragsparteien zwar einen schriftlichen Vertrag geschlossen hatten und dieser sogar Regelungen zum streitigen Punkt enthielten. Da jedoch zwei von drei möglichen Regelungsalternativen nicht gestrichen waren, war aus dem Vertrag nicht erkennbar, was die Parteien bei Vertragsschluss gewollt bzw. vereinbart hatten und der Vertrag war dementsprechend für die Klärung dieser Fragen nicht verwendbar
4. Lösungsansätze
Die unter 2 a – h darstellten Probleme können im Wege eines individuellen Vertrages juristisch einwandfrei und den Bedürfnissen der Partner entsprechend gelöst werden. So kann z. B. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den ausscheidenden Partner vereinbart werden, soweit die hierfür geltenden rechtlichen Vorgaben hinsichtlich räumlicher und zeitlicher Ausdehnung eingehalten werden.
Sofern der die Gesellschaft kündigende Partner Eigentümer und damit Vermieter der an die Gemeinschaftspraxis vermieteten Immobilie sein sollte, kann zu seinen Gunsten für den Fall der Kündigung der Gesellschaft ein mietvertragliches Sonderkündigungsrecht und eine Einschränkung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eingeräumt werden. Im Bereich der Gewinnverteilung eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, z. B. Koppelung des Gewinnanteils an die eigenen erwirtschafteten Umsätze, kombinierte Modelle mit festen „Basisanteilen“ und darüber hinausgehenden flexiblen Gewinnbeteiligungen etc.
Ähnliches gilt für die Ausübung von Nebentätigkeiten. Hier können Regelungen vom Verbot der Ausübung von Nebentätigkeiten bis hin zu einer Einbeziehung der hieraus generierten Honorare und die Umsätze der Gesellschaft getroffen werden. Wichtig ist auch eine dezidierte Regelung der Kündigungs- bzw. Ausscheidensmodalitäten. Zum einen sollten angemessene Fristen vereinbart und zum anderen unterschiedliche Regelungen für die einzelnen Ausscheidensgründe (Berufsunfähigkeit, Tod, Kündigung, Ausschluss usw.) getroffen werden. Für den Fall des Todes eines Praxispartners kann die Möglichkeit der Fortführung durch den verbleibenden Gesellschafter
vorgesehen werden, ebenso wie eine Berechtigung des/der Erben, den Praxisanteil an einen Nachfolger zu verkaufen. Hier sollte allerdings ein „Vetorecht“ des verbleibenden Partners beim Vorliegen wichtiger Gründe in der Person des Nachfolgers aufgenommen werden. Für den Fall der Erkrankung eines Partners bieten sich Regelungen an, welche den anderen Partner berechtigen, nach Ablauf einer zu vereinbarenden Frist ein amtsärztliches Attest hinsichtlich der Berufsunfähigkeit des erkrankten Partners einzufordern. Zudem sollte geregelt werden, ob bzw. wann eine Anpassung des Gewinnanteils an die veränderten Verhältnisse stattfindet sowie unter Umständen eine Verpflichtung bzw. Möglichkeit, für die Zeit der Erkrankung einen Vertreter einzustellen.
5. Fazit
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sowohl mündliche Absprachen als auch schriftliche Musterverträge rechtlich verbindlich sind und zur Pflicht der Vertragstreue führen, allerdings häufig ungeeignet sind, um die benötigten individuellen Regelungen für die jeweilige Konstellation der Praxispartner bereitzustellen oder aber durchzusetzen. Allein durch die Abfassung eines ausführlichen und den jeweiligen Bedürfnissen der beteiligten Partner entsprechenden Gesellschaftsvertrages kann den Besonderheiten der jeweiligen Lebenssituation der Partner sowie allen Eventualitäten Rechnung getragen werden.
Außerdem birgt ein ausführlicher Gesellschaftsvertrag ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit, da jeder Vertragspartner von Anfang an genau weiß, was an welchem Punkt der Vertragsbeziehungen geschehen wird.
Da darüber hinaus auch die Berufsordnungen der Tierärztekammern schriftliche Gesellschaftsverträge fordern, kann Tierärzten, welche sich bereits in einer Kooperation befinden, hierzu aber keine schriftlichen Regelungen getroffen haben, ebenso wie Tierärzten, welche sich mit dem Gedanken tragen, eine Kooperation einzugehen, nur angeraten werden, einen schriftlichen Vertrag durch einen versierten Rechtsanwalt ausarbeiten oder den bestehenden Vertrag den Bedürfnissen des Einzelfalles anpassen zu lassen.
althaus@moenigundpartner.de
|