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Der Tierarzt in der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung

Immer Ärger mit der Haftung

Sie sind die Klassiker in der anwaltlichen Beratung, wenn es um die Haftung des Tierarztes geht: der schwere Behandlungsfehler und die Verletzung der Aufklärungspflicht. Zwei jüngst ergangene obergerichtliche Entscheidungen geben Anlass, beide Begriffe genauer zu beleuchten.

Grundsätzlich, so sind sich die Gerichte einig, gelten für Veterinäre nicht die gleichen Maßstäbe wie für Humanmediziner. Im Ergebnis wird jedoch in den entschiedenen Fällen eine Übertragung der Kriterien vorgenommen.

Was ist ein schwerer Behandlungsfehler?

Das Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 26.03.2015, Aktenzeichen 14 U 100/14) befasste sich mit einem Fall, in dem sich die Fissur des Unterschenkelknochens eines Pferdes zu einer vollständigen Fraktur entwickelte. Der behandelnde und in Anspruch genommene Tierarzt hatte zuvor jedoch nur eine äußere Wunde am Unterschenkel verschlossen und zwei Tage Schonung angeordnet. Der vom Gericht beauftrage Sachverständige stellte zunächst fest, der Tierarzt hätte die Möglichkeit des Bestehens einer Fissur erkennen und weitere Untersuchungen anordnen müssen. Da er dies nicht tat, habe er einen schweren Behandlungsfehler begangen. Grobe oder schwere Behandlungsfehler liegen vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und einen Fehler begeht, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint.

Welche Auswirkung hat die Feststellung eines schweren Behandlungsfehlers?

Nach der Bejahung eines schweren Behandlungsfehlers stellte sich die Frage, ob dieser ursächlich für die Fraktur geworden war. Der Sachverständige konnte dies nicht eindeutig beantworten. Deshalb kam es darauf an, wer in solchen Fällen die Beweislast trägt. Der Tierhalter dafür, dass die Ursächlichkeit vorliegt oder der Tierarzt dafür, dass die Ursächlichkeit nicht besteht? Grundsätzlich liegt die Beweislast beim Tierhalter. Gesetzlich ausdrücklich geregelt ist eine Beweislastumkehr bei schweren Behandlungsfehlern nur in der Humanmedizin (§ 630h Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch). Diese Vorschrift sei im Bereich der Veterinärmedizin nicht entsprechend anwendbar, so die Oldenburger Richter. Es sei nicht generalisierend, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Umkehr der Beweislast in Betracht komme. Hier sei sie aber anzunehmen, weil der Tierarzt durch den Rat, das Pferd könne nach zwei Tagen wieder geritten werden, das Risiko einer Fraktur noch wesentlich erhöht habe. Da der Sachverständige die Ursächlichkeit des schweren Behandlungsfehlers für die Fraktur nicht verneinen konnte, gelang es auch dem Tierarzt nicht, den Beweis zu führen, dass eben keine Ursächlichkeit gegeben war. Er haftet den Tierhaltern auf Schadensersatz.

In welchen Fällen spielt die Aufklärungspflicht eine Rolle?

Genauso erging es einem Kollegen vor dem Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 13.01.2015, Aktenzeichen 26 U 95/14), der nach Ansicht des Gerichts seine Pflicht zur Aufklärung verletzt hat. Grundsätzlich sei die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der Human­medizin zu vergleichen, weil es nicht um das schützenswerte Selbstbestimmungsrecht eines Patienten gehe. Es handele sich aber um eine normale vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht, wenn die Behandlung eines Tieres besonders risikoreich sei bis hin zum Totalverlust und andererseits hohe finanzielle Interessen relevant seien. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der behandelnde Tierarzt bei der Röntgenuntersuchung die Verdachtsdiagnose der Ataxie gestellt und eine chiro­praktische Maßnahme empfohlen, zu der das Pferd in Kurznarkose gelegt wurde. Es konnte nach der Behandlung nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später. Auch hier wurde ein Sachverständiger beauftragt. Nach dessen Beurteilung sei eine Voll­narkose bei einem ataktischen Pferd mit spe­ziellen Risiken verbunden, weil die Tiere beim Aufstehen besondere Koordinationsschwierigkeiten zeigen würden. Zudem habe es andere Behandlungsmöglichkeiten in Form einer operativen, medikamentösen oder chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd gegeben. Der Tierarzt habe jedoch versäumt, ausreichend über Risiken und weitere Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären.

take home

Es bleibt somit festzuhalten, dass die Haftungsregeln der Humanmedizin nicht schematisch oder generell angewandt werden können und insofern die Gerichte keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zur tierärztlichen Haftung vornehmen. Sind jedoch schwere Fehler oder große Risiken im Spiel, kommt eine Übertragung der Kriterien in bestimmten Fällen durchaus in Betracht, was die Vertei­digung in Haftungsprozessen für den Tierarzt erschweren kann.

HKP 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2015.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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