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MRSA

Staphylococcus aureus-Bakterien als Zoonose-Erreger

Staphylococcus aureus (S. aureus) ist bei vielen (Säuge-) Tieren und beim Menschen ein häufiger, asymptomatischer Besiedler der Haut und der Schleimhäute. Zudem kann der Erreger aber eine Vielzahl von Infektionen wie Lungenentzündungen, Mastitiden oder eitrige Wund- und Knocheninfektionen verursachen. Inwieweit S. aureus-Infektionen als „Zoonose“ des Menschen oder als „Humanose“ bei Tieren auftreten, gerät zunehmend in den Blickpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Dr. Robin Köck und Dr. Birgit Walther geben einen Einblick in die aktuelle Forschung.

MRSA beim Tier*

Besiedlungen und Infektionen durch MRSA (Methicillin-resistente S. aureus) bei Tieren wurden seit den 1970er-Jahren für diverse Spezies beschrieben. Dabei wurde MRSA bei Hunden, Katzen, Pferden, Kaninchen, Schweinen, Rindern, Schafen und Geflügel gefunden. Infektionen traten in den vergangenen Jahren vor allem bei Kleintieren und Pferden auf. So wurden in klinischen Proben von Tieren (hauptsächlich Hunden und Katzen), die im Raum Berlin behandelt wurden (vor allem Material von Wunden, systemischen Infektionen, Respirationstrakt, Urogenitaltrakt, Haut/Mukosa), in 5 – 7 % S. aureus gefunden. Davon waren 36 – 56 % MRSA. Ähnlich wie beim Menschen wurden auch behandlungsassoziierte Infektionen (postoperative Wundinfektionen) in Pferdekliniken beobachtet. Zusätzlich zur klinischen Bedeutung von MRSA als Infektionserreger lag ein Schwerpunkt der Untersuchungen in den vergangenen Jahren in der Feststellung von MRSA-Kolonisationen bei landwirtschaftlichen Nutztieren (Schweine, Rinder, Geflügel). In aktuellen Studien zeigt sich, dass MRSA in Deutschland in ca. 43 – 70 % der Schweine haltenden Betriebe nachweisbar ist, wobei bis zu 71 % der individuellen Tiere in einem Schlachthof besiedelt waren. Zudem wurde MRSA auch bei Rindern (15 – 30 %) und in Geflügelbeständen nachgewiesen. Obwohl Einzelfallberichte auch Infektionen von landwirtschaftlichen Nutztieren durch MRSA beschreiben, ist die Mehrzahl der Tiere asymptomatisch besiedelt.

S. aureus ist nicht gleich S. aureus

Mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten zur Typisierung von Infektionserregern, z.B. der Erstellung von genetischen Fingerabdrücken von Bakterien, können S. aureus Isolate immer besser voneinander enterschieden werden. Dies ermöglicht u.a. auch Rückschlüsse auf die Epidemiologie und Evolution dieser Bakterien. Gängige Verfahren zur Erstellung von genetischen Profilen sind die Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE), die Multilocus- Sequenztypisierung (MLST) und die partielle Sequenzierung des für das Protein A in S. aureus kodierenden Gens (spa). Je nach Art der angewandten Typisierungsmethode können sich die Bezeichnungen, die für die so charakterisierten S. aureus-Linien verwendet werden, überschneiden. So kommt es, dass ein einziges S. aureus-Isolat je nach verwendeter „Typisierungssprache“ mehrere „Namen“ bekommt. Ein Beispiel hierfür ist eine bei landwirtschaftlichen Nutztieren häufig gefundene klonale MRSA-Linie, die sich mittels eines gängigen PFGE-Verfahrens nicht typisieren lässt und deshalb als „NT-MRSA“ (non-typeable) bezeichnet wird; derselbe MRSA-Klon gehört bei Anwendung der MLST oft zum Sequenztypen (ST) 398 und zu einer ganzen Reihe verschiedener spa Typen wie z.B. t011, t034, t108, t567. Zusätzlich zu diesen genetischen Fingerabdruckverfahren lassen sich S. aureus durch Bestimmung von Resistenzeigenschaften oder Virulenz- und Pathogenitätsfaktoren (z.B. Enterotoxine, Leukozidine) charakterisieren. Solche Untersu chungen erlauben über epidemiologische und evolutionäre Betrachtungen hinaus Risikoabschätzungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für schwere Erkrankungen (z.B. tiefe, abszedierende Infektionen) oder für die Entwicklung besonderer Krankheitsbilder (z.B. Lebensmittelintoxikationen).

Übertragungen Tier-Mensch vs. Mensch-Tier

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Bedeutung von S. aureus als Zoonose-Erreger gering sei. Dies stützte sich auf Untersuchungen, die zeigten, dass vieleS. aureus Typen (genannt Ecovare) recht spezifisch bestimmte Tierspezies oder den Menschen besiedeln. Andererseits werden seit einigen Jahren aber auch S. aureus-Stämme beschrieben, die sowohl beim Tier als auch beim Menschen auftreten. Diese Stämme werden auch als „Extended hostspectrum“- Genotypen (EHSGs) bezeichnet. Mit der Beschreibung von EHSGs rückt aber der Aspekt der Übertragbarkeit von S. aureus in den Blickpunkt, wobei grundsätzlich zwei Richtungen der Übertragung denkbar sind: Tier-Mensch („Zoonose“) vs. Mensch-Tier („Humanose“). Bei Haustieren scheint S. aureus/MRSA nicht selten als „Humanose“ aufzutreten. Dies dokumentieren zahlreiche Beispiele, bei denen Haustiere (z.B. Katzen, Hunde) mit S. aureus/MRSA-Genotypen besiedelt oder infiziert waren, die eigentlich bei Menschen typisch sind. Dazu gehören klassische humane krankenhausassoziierte MRSA (z.B. ST22) sowie humane community-associated MRSA-Klone (z.B. ST8/ USA300, ST80). Diese Beobachtung ist insbesondere im Hinblick auf die in der Veterinärmedizin insgesamt zunehmenden Problematik durch nosokomiale Infektionen von besonderer Bedeutung, denn auch hier kann (nasal) besiedeltes Personal einen bedeutenden Effekt auf die Anzahl nosokomialer Infektionen durch MRSA bei den Patienten haben. Ferner stellt sich die Frage, ob und inwieweit besiedelte und/oder infizierte Heim- und Hobbytiere eine potenzielle Quelle für eine Übertragung von MRSA auf den Menschen darstellen, möglicherweise im häuslichen Umfeld. Zahlreiche Untersuchungen liefern Hinweise für Übertragungen vom Tier zum Menschen auch außerhalb von Praxen und Kliniken, insbesondere bei landwirtschaftlichen Nutztieren. Letztere sind oft mit MRSA einer besonderen klonalen Linie (ST398) besiedelt, die scheinbar häufig auf Personen mit direktem Tierkontakt übertragen wird.

MRSA ST398

Neueste Studien haben gezeigt, dass in Deutschland ca. 86 % der Schweinehalter sowie 12 – 45 % der Veterinäre nasale MRSATräger sind. In Regionen mit einer hohen Haltungsdichte für landwirtschaftliche Nutz -
tiere (in Deutschland z.B. Niedersachsen, Westfalen) werden MRSA ST398-Isolate häufig in Einrichtungen des Gesundheitswesens importiert. So lag der Anteil dieses speziellen MRSA-Klons bei Untersuchungen im Münsterland bei 17 % aller bei Krankenhausaufnahme nachgewiesenen MRSA in 2006 und der Kontakt zu Schweinen und Rindern waren unabhängige Risikofaktoren für eine Besiedlung mit MRSA ST398 bei Krankenhauspatienten. Obwohl MRSA ST398 beim Menschen Infektionen verursachen kann (z.B. Endokarditis, Pneumonie, Wundinfektionen), liegt eine systematische Erfassung der Inzidenz von MRSA-Infektionen unter Risikogruppen bisher nicht vor. So kann aktuell nicht abgeschätzt werden, ob Landwirte oder andere Exponierte häufiger an MRSA-Infektionen erkranken als die Allgemeinbevölkerung. Bei einer europaweiten Untersuchung von humanen MRSA-Blutkulturisolaten betrug der Anteil von MRSA ST398 an allen MRSA < 1 %. Insgesamt repräsentierte MRSA ST398 ca. 0,6 % aller humanen (meist nosokomialen) MRSA- Isolate, die am nationalen Referenzzentrum für Staphylokokken zwischen 2006 und 2008 untersucht wurden. In Regionen mit ausgeprägter Schweinehaltung jedoch lag 2006 – 2008 dieser Anteil deutlich höher (4,3 %). Dies deutet trotz der hohen Besiedlungsraten bei definierten Risikogruppen und trotz des Imports dieser Stämme in Krankenhäuser auf bislang geringe Fallzahlen von Krankenhausinfektionen durch MRSA ST398 hin. Das Risiko für Lebensmittelinfektionen durch MRSA wird derzeit von nationalen und europäischen Überwachungsbehörden als gering eingeschätzt. Obwohl MRSA (größtenteils ST398) in Rind-, Kalb-, Lamm-, Schweine-, Hähnchen-, Puten-, sonstigem Geflügel- und Wildfleisch aus dem Einzelhandel nachgewiesen werden konnte, deuten quantitative Untersuchungen auf eine Kontamination durch eher geringe Keimmengen hin. Hinweise auf Infektionen, die mit dem Kontakt zu oder dem Verzehr von MRSA-kontaminierten Lebensmitteln assoziiert wären, fehlen.

Forschungsverbund MedVet-Staph

Seit November 2010 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung den MedVet-Staph Forschungsverbund (http://medvetstaph.net/), der bis 2013 die zoonotische Bedeutung von S. aureus untersuchen wird. Ziel dieses interdisziplinären Forschungsverbunds ist es, die Mechanismen zu untersuchen, die zu einer speziesinternen und speziesübergreifenden Verbreitung von S. aureus/MRSA führen bzw. diese erleichtern. Die Erkenntnisse sollen helfen, eine zoonotische Verbreitung von S. aureus/ MRSA einzudämmen und rationale Präventions- und Kontrollstrategien zu entwickeln.

Literatur bei den Autoren

HKP 4 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2011.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
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