Tierärzte & Kliniken
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Prof. Dr. Carla Rohrer Bley
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Strahlentherapie bei Hund und Katze
Strahlentherapie bei Hund und KatzeDem Tumor geht’s an den KragenDie Strahlentherapie wird in der Veterinärmedizin vor allem bei Hund und Katze eingesetzt. Bestrahlt werden hauptsächlich Tumorerkrankungen, die Strahlentherapie wird aber auch in der Behandlung von benignen Krankheitsbildern wie Arthrose eingesetzt. Tumorerkrankungen gehören zu den Haupt todesursachen unserer Haustiere. Die drei Säulen der Krebsbehandlung bestehen aus chirurgischer Behandlung, Strahlentherapie und Chemotherapie, häufig wird der onkologische Patient auch mit einer Kombination der verschiedenen Modalitäten behandelt. So können chirurgisch unsaubere oder knapp exzidierte Hauttumore nachbestrahlt werden, wodurch sich die rezidivfreie Zeit massiv verlängert und viele Tumoren können so geheilt werden. Chemo therapie als systemische Behandlung kann eingesetzt werden zur Nachbehandlung von Tumoren, welche ein hohes Metastasierungsrisiko aufweisen oder bei systemischer Erkrankung wie dem multizentrischen malignen Lymphom. Die optimale Behandlung ist je nach Tumorart und dem Ausmaß der Erkrankung verschieden. Vor einer Behandlung wird das Tier deshalb genau aufgearbeitet, je nach Alter und Tumorart beinhaltet dies Blutuntersuchungen, verschiedene bildgebende Verfahren, Feinnadelaspirationen und Biopsien. Grundlagen der Strahlentherapie Heutzutage werden in der Veterinärmedizin hauptsächlich Linearbeschleuniger eingesetzt. Diese Geräte erzeugen Strahlen mit Energien im Bereich von Megavolt (>1 MV). Beim Linearbeschleuniger werden Elektronen mittels elektromagnetischer Wellen stark beschleunigt und können direkt für oberflächliche Tumoren oder zur Nachbestrahlung von Narben eingesetzt werden. Die Elektronen können aber auch zur Produktion von Photonen (> 4 MV) gebraucht werden, welche eine größere Eindringtiefe haben und deshalb ideal für tiefer liegende Tumoren sind. Je nach Ausrüstungsgrad variieren die eingesetzten Geräte stark in der Präzision. Die Behandlung mit sehr präzisen Geräten wie z.B. demjenigen der VetsuisseFakultät der Universität Zürich resultiert in weniger Nebenwirkungen beim behandelten Patienten oder in neuen Bestrahlungstechniken, die für den Patienten von Vorteil sind. In der Veterinärmedizin in Europa gibt es nur einige wenige Spezialisten mit dem Fachtitel für Strahlentherapie (Dipl. ACVR; Radiation Oncology), die eine adäquate Ausbildung in Strahlentherapie absolviert haben. Diese dauert in der Regel drei Jahre. Indikationen einer Strahlentherapie Zu Beginn der Therapieplanung wird entschieden, ob der Patient kurativ oder palliativ behandelt wird. Bei der kurativen Bestrahlung ist das Ziel eine lange Tumorkontrolle oder eine Heilung des Tieres (z.B. Hirntumore, Narbenbestrahlungen). Dabei werden eine aufwändigere Therapie mit einer größeren Anzahl an Sitzungen (16 bis 20, Gesamtdosis 45 bis 54 Gray) angestrebt und auch mehr Nebenwirkungen in Kauf genommen. Bei der palliativen Bestrahlung geht es in erster Linie um eine Schmerzund Symptomlinderung (z.B. Knochenmetastasen, fortgeschrittene Tumorerkrankungen), das Tumorwachstum wird nur verlangsamt oder vorübergehend gestoppt. Das Ziel der palliativen Bestrahlung ist es deshalb, dem Patienten für eine möglichst lange Dauer eine Verbesserung der Lebensqualität zu ermöglichen und es werden nur wenige oder keine Nebenwirkungen in Kauf genommen und die ganze Strahlentherapie besteht aus wenigen Sitzungen (eine bis fünf, Gesamtdosis 8 – 36 Gray). Für gewisse Tumorarten ist die Strahlentherapie die Therapie der Wahl. Dies ist der Fall, falls es sich um einen sehr strahlensensitiven Tumor handelt (lokalisiertes nasales Lymphom der Katze), falls eine chirurgische Exzision aus kosmetischen oder funktionellen Gründen zu einem unbefriedigenden Resultat führen würde (akanthomatöses Epulis/ Maulhöhlentumoren des Hundes, Tumoren im Bereich der Gliedmaßen, Plattenepithelkarzinom im Bereich der Nase der Katze) oder falls eine chirurgische Behandlung sehr riskant und mit einer geringen Heilungschance verbunden ist (Hirntumoren beim Hund, Nasenhöhlentumoren bei Hund und Katze). Oft wird die Strahlentherapie auch in Kombination mit der Chirurgie angewendet, wenn laut der histopathologischen Untersuchung Tumorzellen am Exzisionsrand vorhanden sind oder der Tumor mit ungenügenden Sicherheitsrändern entfernt wurde. Solche Narbenbestrahlungen werden häufig bei verschiedenen Hauttumoren des Hundes (Mastzelltumore, Weichteils arkome, maligne Melanome) und der Katze (vakzineassoziierte Sarkome) eingesetzt. Die Kombinationstherapie ermöglicht es, Hauttumore an anatomisch heiklen Lokalisationen (Gliedmaßen, Kopfbereich) marginal mit befriedigendem Resultat zu entfernen und die verbleibende so genannte „mikroskopische“ Erkrankung im Anschluss mit genügend Sicherheitsrändern zu bestrahlen. Nicht neoplastische Erkrankungen, welche mittels Strahlentherapie behandelt werden können, sind u.a. rezidivierende Sialocelen und Leckgranulome. Auch bei degenerativen Gelenkserkrankungen (Arthrosen), welche austherapiert sind oder bei denen die medikamentöse Therapie nicht vertragen wird, kann die Strahlentherapie im Rahmen einer Schmerzbehandlung eingesetzt werden. Therapieplanung Das Therapieziel (kurativ/ palliativ) und somit die Anzahl der Fraktionen (Sitzungen) und die Höhe der Dosis sind abhängig von Tumorart, lokalisation, Alter und Allgemeinzustand des Tieres. Dabei wird die Tatsache ausgenutzt, dass Tumorzellen sensitiver auf Bestrahlung reagieren als das umliegende Normalgewebe und sich Letzteres zwischen den einzelnen Fraktionen erholen kann, weshalb für die Bestrahlung – insbesondere die kurative Strahlentherapie – mehrere Sitzungen nötig sind. Für die Therapie mit Photonen wird meist eine Computertomografie (CT) durch geführt, um individuelle Positionierungshilfen wie Beißblock und Kissen anzufertigen und um einen CTbasierten Bestrahlungsplan erstellen zu können. In dieser PlanungsCT werden der Tumor, die zu bestrahlenden Sicherheit s ränder und in der Umgebung vorliegende sensiblen Organe (z.B. Gehirn und Augen bei Nasenhöhlentumoren) eingezeichnet. Mehrere Strahlenfelder von verschiedenen Winkeln werden festgelegt, damit der Tumor mit der höchstmöglichen Dosis bestrahlt wird, die umgebenden Gewebe jedoch mit einer möglichst geringen Dosis. Ein Beispiel für einen Bestrahlungsplan ist in Abbildung 4 ersichtlich. Bei oberflächlich gelegenen Tumoren oder Narben, welche mit Elektronen bestrahlt werden, ist keine CT nötig. Das zu bestrahlende Gebiet wird genau ausgemessen, die Größe und Tiefe des Bestrahlungsfeldes wird fest gelegt und berechnet. Bei beiden Arten der Bestrahlung wird der Behandlungsplan von einem interdisziplinären Team erstellt. Dies kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen und endet mit der Überprüfung durch einen spezialisierten Medizinphysiker. Ablauf einer Strahlentherapiesitzung Da eine präzise Bestrahlung des Tumors mit bestmöglicher Schonung des Normalgewebes angestrebt wird, muss der Patient während der Strahlentherapie absolut ruhig liegen und braucht daher eine Kurzanästhesie. Diese ist sehr oberflächlich, da die Bestrahlung keine Schmerzen verursacht und die Tiere nur für die Dauer der Positionierung und der Bestrahlung – also nur wenige Minuten – ruhig liegen müssen. Am Tierspital Zürich wird für jede Sitzung ein Venenkatheter gesetzt, die Tiere werden vorsediert, präoxygeniert, die Narkose eingeleitet und die meisten Patienten intubiert. Die Strahlentherapie ist eine ambulante Behandlung, in der Regel sind die Tiere nach einer Stunde wieder wach und können abgeholt werden. Meist äußern sich die Besitzer nach anfänglicher Skepsis positiv über die Strahlentherapie, da die Tiere die Kurzanästhesie in der Regel gut wegstecken. Nebenwirkungen Akute Strahlenreaktionen kommen vor allem bei der kurativen Strahlentherapie vor und bestehen aus Alopezie, Erythem, Dermatitis und/oder Mukositis im bestrahlten Bereich. Drei Wochen nach Ende der Strahlentherapie sind diese in der Regel abgeheilt, das Nachwachsen des Fells dauert etwas länger und meist wächst es danach in weißer Farbe nach. Betroffen von akuten Strahlenreaktionen sind Gewebe mit häufiger Zellteilung wie Haut und Schleimhäute. Akute Strahlenreaktionen sind selbstlimitierend und werden symptomatisch behandelt (Antibiose, Antiphlogistika, Analgetika). Zusätzliche mechanische Schä digung der bestrahlten Stelle muss unbedingt vermieden werden, weshalb meist ein Halskragen oder das Tragen eines TShirts nötig ist. Korrekte Behandlungspläne sind so berechnet, dass späte Strahlenreaktionen nicht oder mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit auftreten. Späte Strahlenreaktionen treten erst Monate bis Jahre nach Ende der Strahlentherapie auf und äußern sich als Strikturen und Fibrosen, die schwierig zu behandeln sind. Sie sind unerwünscht, mittels sorgfältiger Therapieplanung wird das Risiko ihres Auftretens minimiert. Spätreaktionen treten in Geweben mit niedriger Zellteilungsrate auf (Bindeoder Nervengewebe). Sie treten vor allem bei Bestrahlung mit großen Fraktionen auf, wie es bei der palliativen Bestrahlung der Fall ist. Bei Patienten mit tumorbedingter geringer Lebenserwartung kann dieses erhöhte Risiko im Rahmen einer palliativen Situation aber in Kauf genommen werden, da es primär um Schmerz/ Symptomlinderung geht und die Behandlung deshalb möglichst kurz und einfach sein soll. take home Die Strahlentherapie wird am häufigsten zur Behandlung oder Nachbehandlung von Neoplasien eingesetzt, findet aber auch bei nicht neoplastischen Erkrankungen wie der Behandlung von Arthrosepatienten oder rezidivierenden Sialocelen Anwendung. - Literatur bei den Autorinnen - Foto: © panthermedia | Ron Chapple |
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