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Strahlende Aussichten

Strahlende Aussichten

Entzündliche Skelett- und Gelenkerkrankungen spielen beim Pferd als
Ursache für Lahmheiten oder Rittigkeitsprobleme eine große Rolle. Wenn es
mit der klinischen Untersuchung, ggfs. unter Zuhilfenahme von Anästhesie,
Röntgen und Ultraschall nicht gelingt, den schmerzhaften Prozess zu lokalisieren, kann die Szintigrafie als bildgebendes Verfahren auch in der
Pferdemedizin die Möglichkeit eröffnen, den Krankheitsherd einzugrenzen und einer anatomischen Struktur zuzuordnen. Dr. Josef Hollerrieder stellt dieses Verfahren vor und weist darauf hin, dass – wie bei allen anderen weiterführenden Untersuchungstechniken – die Ergebnisse nicht losgelöst vom klinischen Bild des Patienten betrachtet werden dürfen.

Funktionsstörungen werden sichtbar

Im Gegensatz zu den anderen bild gebenden Verfahren, die morphologisch orientiert sind, handelt es sich bei der Szintigrafie um eine Funktionsuntersuchung. Bei Organen und Organsystemen, die eine messbare Perfusion aufweisen, kann anhand der Verteilungsmuster radioaktiver Stoffe beurteilt werden, ob physiologische oder pathologische Stoffwechselvorgänge vorliegen. Eine pathologische räumliche Verteilung kann mehrere Ursachen haben, weshalb die Szintigrafie als wenig spezifisch anzusehen ist. Gezielte weiterführende Untersuchungen mit anderen bildgebenden Verfahren müssen nahezu immer angeschlossen werden, um aus der Gesamtheit der funktionellen und morphologischen Ergebnisse eine exakte Diagnose zu stellen. Bei zahlreichen Erkrankungen gehen die Funktionsstörungen den bildlich darstellbaren Veränderungen voraus; die Szintigrafie eignet sich deshalb auch als Screening-Verfahren zur Früherkennung orthopädischer Probleme (hohe Sensitivität).

Physikalische Grundlagen

Zur Bild erzeugung werden die radio aktiven Eigenschaften bestimmter Atomkerne und kernphysikalische Messmethoden genutzt. Im Bereich der Pferdemedizin arbeitet man gegenwärtig vor allem mit der Skelett- oder Knochenszintigrafie. Das aus der Humanmedizin adaptierte Verfahren nutzt die chemische Affinität von radioaktiv markierten Phosphorverbindungen, so genannten Radiopharmaka, zum Knochen und zu knochennahen Strukturen. Das Technetium-Isotop 99m Tc hat sich dabei als idealer radioaktiver Marker erwiesen, weil es in einem Generator einfach hergestellt werden kann, eine kurze Halbwertszeit (von 6 Stunden) aufweist und eine ausreichend hohe Gammastrahlung aussendet. 99 m Tc wird, an Biphosphonate gekoppelt, intravenös verabreicht. Frühestens zwei Stunden nach der Applikation ist die Absorption des Phosphonats am Skelett abgeschlossen, wobei nur 50 % der applizierten Menge tatsächlich gebunden werden. Sobald der stabile statische Zustand der Aktivitätsverteilung erreicht ist, kann der gegenüber der Umgebung regional gestörte Knochenstoffwechsel in Form von „hot spots“, seltener von „cold spots“ bildlich dargestellt werden. Die beim Zerfall der radioaktiven Isotope frei werdende Gammastrahlung durchdringt aufgrund ihrer Wellennatur auch dickere Schichten und kann so außerhalb des Körpers auch in einem gewissen Abstand von der Oberfläche mit speziellen Kameras gemessen werden. Die Aktivitätsverteilung wird mit einem so genannten „Szintigramm“ farb codiert und digital dargestellt. Da die Aktivitätsverteilung im Skelett nicht homogen ist, müssen zur exakten Auswertung immer Vergleichsaufnahmen (andere Patienten, kontralaterale Gliedmaße) herangezogen werden. In der Veterinärmedizin ist man bislang auf die planare Darstellung der untersuchten Organe beschränkt, während beim Menschen auch dreidimensionale Aufnahmen durch rotierende Kameras möglich sind, vergleichbar mit der Computer- oder Magnetresonanztomografie (so genannte SPECT-Technik).

Indikationen

Trotz der auf den ersten Blick bestechend wirkenden Möglichkeiten müssen für die Durchführung der Szintigrafie auch beim Pferd klare Indikationen bestehen. Die Nuklearmedizin kann und soll weder eine klinische Untersuchung noch andere Verfahren ersetzen. Bei folgenden Indikationen kann die Szintigrafie wertvolle Informationen beisteuern:

- Wenn das Problem in einer Region vermutet wird, die mit anderen Verfahren nicht oder nicht ausreichend untersucht werden kann (Halswirbelsäule, Rücken, Becken) (Abb. 1 und Abb. 2).

- Zur Untersuchung unklarer Lahmheiten, v.a. in den oberen Gliedmaßenabschnitten oder wenn Anästhesien (an den Hintergliedmaßen) zu gefährlich sind.

- Zur Beurteilung des Gesundheitsstatus unklarer oder bekannter Röntgenveränderungen (Abb. 3 und Abb. 4).

- Zur Untersuchung von Lahmheiten/Bewegungsstörungen, die nur in vollem Arbeitstempo auftreten.

Die besten Ergebnisse erzielt man bei anästhesiologisch bereits lokalisierten Lahmheiten mit fehlendem Röntgenbefund in der Frühphase einer Erkrankung. Ungünstige Voraussetzungen sind ein unklarer Vorbericht zu Ganganomalien, zu Rittigkeitsproblemen und zur Leistungsschwäche. In diesen Fällen muss der Kunde darüber informiert werden, dass trotz des finanziellen Aufwandes unter Umständen keine weiteren Informationen zu erhalten sind. Der ideale Untersuchungszeitraum liegt zwischen 10 Tagen und 8 Wochen nach Eintritt des Schadens, weil in dieser Zeit die stärksten Knochenumbaumaßnahmen zu erwarten sind. Da die Anreicherung des radioaktiv markierten Phosphors perfusionsabhängig ist, können alle Maßnahmen, die die Durchblutung steigern, zu einer besseren Bildqualität und damit zu einer konkreteren Aussage beitragen: warme Umgebungstemperaturen, Decken, Bandagen, Longenarbeit vor der Injektion, Acepromazin als Sedativum.

Die modernen Softwaresysteme erlauben zudem eine Nachbearbeitung der aufgezeichneten Signale (Bewegungskorrektur, Ausblenden von stark überstrahlten Bereichen wie der Blase), was zu einer weiteren Verbesserung der Bildqualität führt. Durch die technische Weiterentwicklung sowohl der Kamerasysteme (Groß format) als auch der Bedienungsmechanik der mehrere hundert Kilo schweren Kameras ist heutzutage eine Untersuchung am stehenden Pferd mit kurzen Aufnahmezeiten möglich (Abb. 5). Dies erhöht die Akzeptanz für den Kunden, der sich nicht mit dem Gedanken an eine Allgemeinnarkose auseinandersetzen muss. Zum anderen ist die Strahlenbelastung für das medizinische Personal deutlich reduziert, weil der Kontakt zum Pferd auf ein Minimum beschränkt werden kann und die besonders kontaminationsgefährdeten Arbeitsgänge entfallen.

j.hollerrieder@tierklinik-hochmoor.de

HKP 2 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2010.
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