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FSME bei Tieren – (k)ein Problem?

FSME bei Tieren – (k)ein Problem?

Viren im Anflug

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist die wichtigste virale, durch ­Zecken über­tragene Zoonose in Europa und Teilen Asiens. Sie verursacht einige tausend Erkrankungen des Menschen pro Jahr. In Deutschland treten etwa 250 autochthone humane FSME-Fälle pro Jahr auf, allerdings mit erheblichen jährlichen Schwankungen.

Seit 2001 ist die Erkrankung meldepflichtig. Das Robert Koch-Institut veröffentlicht jährlich einen Bericht zur aktuellen Situation der FSME in Deutschland.

FSME bei Tieren

Die FSME ist als Erkrankung bei Tieren seit vielen Jahren bekannt, wird insgesamt aber selten diagnostiziert. Klinische Verläufe traten bei Hunden, Pferden und Affen nach einer Infektion via Zeckenstich auf, bei weiteren Tierarten wurden Antikörper nach­gewiesen. Bei Hunden können Erkrankungen sowohl mit akutem und sogar perakutem Verlauf als auch chronische bis klinisch ­inapparente Verlaufsformen vorkommen. Das klinische Bild einer Meningoenzephalitis zeigt mehr oder weniger ausgeprägt eine Reihe von Symptomen aus dem neurologischen Formenkreis wie Apathie bis Übererregbarkeit, Fieber, Krampf­anfälle, Störungen unterschiedlichen Grades im Bewegungsablauf sowie teilweise bis generelle Hyperalgesien.

Die FSME beim Pferd wurde 1981 mit einem sehr dramatischen klinischen Verlauf geschildert. U.a. wurden folgende Symptome beschrieben: deutlich gestörtes Allgemeinbefinden, Inappetenz, Bewusstseinstrübungen, Zittern, Zähneknirschen, Erhöhung von Körpertemperatur und Pulsfrequenz, Schreckhaftigkeit, Kreisbewegungen, Krämpfe, ataktischer Gang sowie epilep­tiforme Anfälle. Rinder, Schafe und Ziegen sind für FSME-Viren empfänglich und bilden nach Kontakt mit FSME-Viren Antikörpertiter aus. Klinische Fälle sind bei diesen Tierarten extrem selten. Dennoch kommt diesen Tierarten insofern eine besondere Bedeutung zu, da in der Virämiephase FSME-Viren auch in der Milch ausgeschieden werden und über den Verzehr von Rohmilch und Rohmilchprodukten eine alimentäre Infektion des Menschen möglich ist. Solche auf alimentärem Wege erworbenen FSME-Fälle sind zwar im Verhältnis zur durch Zeckenstich erworbenen Infektion selten, traten in den letzten Jahren jedoch immer wieder auf. Berichte gab es z.B. aus Österreich, Ungarn, der Slowakei und Estland. In Deutschland wurden derartige Fälle zuletzt in den Jahren 1961/62 beobachtet.


Zeckenbearbeitung im Labor





Vektor Ixodes ricinus und FSME-Viren

Der Erreger, das FSME-Virus, wird in West- und Mitteleuropa durch Ixodes (I.) ricinus, den Gemeinen Holzbock, übertragen. Diese ­hämatophagen Ektoparasiten entwickeln sich vom Ei über das sechsbeinige Larvenstadium zur achtbeinigen Nymphe und ­danach zum ebenfalls achtbeinigen adulten männlichen oder weiblichen Individuum. Dabei ist für jeden Entwicklungsschritt eine Blutmahlzeit an einem geeigneten Wirt erforderlich. I. ricinus verfügt über ein sehr breites Wirtsspektrum, das nicht nur zahlreiche Säugetierspezies, sondern auch Vögel und Reptilien umfasst. Die Infektion der Zecken mit FSME-Viren erfolgt beim Saugakt in der Virämiephase des Wirtstieres, wobei vor allem Kleinsäuger eine Rolle spielen. Eine transovariale und transstadiale Übertragung der FSME-Viren findet innerhalb des Entwicklungszyklus der Zecken statt. Daneben kommt insbesondere das so genannte „co-feeding“ als sehr effektiver Weg für die Verbreitung des Virus vor. Beim ­„co-feeding“ nehmen infizierte und nicht infizierte Zecken zeitgleich und mit geringem Abstand voneinander am Wirtstier ihre Blutmahlzeit ein, wobei es zur Übertragung der FSME-Viren auf die nicht infizierten Zecken kommt, ohne dass dafür eine Virämiephase im Wirtstier erforderlich ist.



Vorkommen von FSME-Viren

Im Gegensatz zu Borrelien, die mehr oder weniger häufig überall da in Deutschland nachgewiesen werden können, wo Zecken vorkommen, sind FSME-Viren in größeren und kleineren Naturherden verbreitet. Diese ähneln einem Flickenteppich mit Schwerpunkt in Süddeutschland. Bisherige Untersuchungen zeigten, dass sich solche Naturherde neu herausbilden können, in manchen Regionen über Jahrzehnte stabil existieren, in anderen Gebieten aber über kurz oder lang wieder erlöschen. Die Gründe dafür sind noch weitgehend unklar.

Diagnostik – Direktnachweis der FSME-Viren

Es gibt eine Reihe von publizierten RT-q­PCR-Protokollen, die für den Nachweis von FSMEV-RNA geeignet sind. Der Nachweis kann sowohl in Serum oder Liquor als auch in Gewebeproben bei pathologischen Untersuchungen durchgeführt werden und außerdem im Rahmen epidemiologischer Fragestellungen auch in Zecken erfolgen. Zwei dieser PCR-Protokolle sollen hier vorgestellt werden: Die beiden FSMEV-Assays amplifizieren unabhängige konservierte Abschnitte in der 3`- bzw. 5`-nicht translatierten Region des FSMEV-Genoms. Die Detektion der viralen RNA wird dabei mit unterschiedlichen internen Kontrollsystemen kombiniert. Einerseits wird eine Ixodes-spezifische Extraktionskontrolle (16S) zusammen mit der FSMEV-RNA co-amplifiziert. Im zweiten Assay erfolgt der FSMEV-Genomnachweis zusammen mit einer hetero­logen Inhibitionskontrolle in einer Duplex-RT-qPCR. Dadurch wird sowohl die erfolgreiche Extraktion der RNA aus Zecken parallel zum Erregernachweis geprüft als auch die partielle Inhibierung des Amplifikationsprozesses ausgeschlossen. Als Positivkontrolle wird RNA aus dem gering pathogenen Stamm Langat eingesetzt. Darüber hinaus sind weitere Methoden zum Direktnachweis möglich, die aber Spezial­laboren vorbehalten sind, da u.a. die Anzucht der FSME-Viren in Zellkulturen nur unter S3-Laborbedingungen erlaubt ist.

Diagnostik – serologische Untersuchungen bei Tieren

Die Anzahl der für die Veterinärmedizin verfügbaren Testkits ist sehr begrenzt. Sollen Seren von Tieren auf FSME-Virus-Antikörper untersucht werden, empfiehlt sich ein Vorgehen in zwei Schritten – zunächst Screening der Seren mit einem all-species-ELISA-Test und Bestätigung der ELISA-­positiven Proben im Serum-Neutralisationstest (SNT). Diese Methode bietet den Vorteil, dass ein kommerziell erhältlicher ELISA-Test verwendet werden kann, der für alle Tierarten einsetzbar ist. Gleichzeitig wird durch das Screening mittels ELISA vermieden, dass von vornherein alle Seren im arbeitsaufwändigeren SNT untersucht werden müssen. Da die all-species-ELISA-Tests auf dem Einsatz von Protein G basieren, sind allerdings unspezifisch positive Ergebnisse möglich, die mittels SNT abgeklärt werden müssen.

Als ELISA-Test geeignet ist u.a. der Immunozym FSME IgM Kit (Progen GmbH) in modifizierter Form zur Bestimmung des Gesamt-Ig durch Weglassen des IgG-Blocking-Schritts. Die Zahl der unspezifischen Reaktionen kann durch die Berücksichtigung eines tierartabhängigen cut-off deutlich reduziert werden.

Da die Virämiephase sehr kurz ist und ein Direktnachweis der FSMEV-RNA nach Auftreten klinischer Symptome häufig nicht mehr gelingt, können durch die serologische Unter­suchung Verdachtsfälle mit neuro­logischer Symptomatik, insbesondere bei Pferden und Hunden, auf das Vorliegen eines Erregerkontaktes geprüft werden. Eine FSME kann durchaus aufgrund der nicht sehr charakteristischen Symptomatik in der Vergangenheit übersehen und deswegen nicht diagnostiziert worden sein. Ein weiteres Einsatzgebiet der serologischen ­Methoden könnte die prophylaktische Untersuchung von Schaf- und Ziegenherden mit Weidegang sein, wenn die Tiere der Milchgewinnung dienen und Rohmilchprodukte her­gestellt werden, da auch in Deutschland das Auftreten einer alimentären FSME insbesondere in FSME-Risikogebieten durch den Verzehr von Rohmilch oder Rohmilchprodukten durchaus möglich ist. Ein Herdenscreening kann hier bezüglich eines potenziellen Kontaktes mit FSME-Viren Klarheit schaffen. ­Darüber hinaus können serologische Untersuchungen von Schaf- und Ziegenherden als „Sentinels“ zur Detektierung von FSME-Virus-Naturherden im Rahmen epidemiologischer Untersuchungen von Nutzen sein.

take home

Die FSME ist die wichtigste virale, durch Zecken übertragene Krankheit in Europa. Bei Tieren wird sie jedoch selten diagnostiziert. Klinische Fälle sind besonders bei Hunden und Pferden beschrieben, der Verlauf kann klinisch inapparent bis perakut sein. Schafe, Ziegen und Rinder können in ihrer kurzen Virämiephase FSME-Viren über die Milch ausscheiden und damit beim Verzehr von unpasteurisierten Rohmilchprodukten eine alimentäre FSME-Infektion des Menschen verursachen. Neben dem klinischen Bild können pathologisch-histologische Untersuchungen sowie der direkte und indirekte Erregernachweis zur Diag­nostik herangezogen werden.

Literatur bei der Autorin
© Foto: istockphoto.com | MarkCoffeyPhoto

Stichwörter:
Frühsommer-Meningoenzephalitis, FSME-Viren, co-feeding, Flickenteppich, Virämiephase, serologische Unter­suchung, Symptomatik, Rohmilchprodukte, FSME-Risikogebieten, serologischen ­Methoden, pathologisch-histologische Untersuchungen, Diag­nostik

HKP 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2014.
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