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Das Vestibularsyndrom bei Hund und Katze

Das Vestibularsyndrom bei Hund und Katze

Schwindel und Schwanken

Akute oder chronische Gleichgewichtsstörungen gehören zu den häufigsten neurologischen Fragestellungen bei Hunden und Katzen. Kardinalsymptome des Vestibularsyndroms sind Kopfschiefhaltung, Ataxie und/oder Nystagmus. Der Schlüssel zur Durchführung einer zielgerichteten diagnostischen Aufarbeitung ist die korrekte neuroanatomische Einordnung der Läsion in ein zentrales oder peripheres Vestibularsyndrom. Die Durchführung einer ausführlichen neurologischen Untersuchung ist daher essenziell.

Neurologische Ausfälle beim Vestibularsyndrom

Bei einem peripheren Vestibularsyndrom beschränken sich die neurologischen Ausfälle auf die Fehlfunktion des N. vestibulocochlearis bzw. des Vestibularapparats. Bei einer zentralen Läsion liegen Funktionsstörungen des Hirnstamms bzw. Kleinhirns vor. Ein sehr häufiges neurologisches Defizit bei beiden Formen des Vestibularsyndroms ist eine Kopfschiefhaltung. Eskommt zur Rotation des Kopfes um die Längsachse und der Kopf wird nach schräg unten gehalten (Abb.1). Mit Ausnahme des paradoxen Vestibularsyndroms zeigt die Seite der Kopfschiefhaltung immer die erkrankte Seite an. Ein weiteres häufiges Symptom ist ein pathologischer spontaner Nystagmus. Dabei lassen sich in Ruhe spontane rhythmische Augenbewegungen beobachten. Neben dem spontanen Nystagmus kann auch ein positioneller pathologischer Nystagmus vorliegen. Diese Form des Nystagmus tritt nur bei Stimulation des Vestibularsystems auf und wird durch Lageveränderung des Kopfes provoziert. Die Richtung des Nystagmus ist häufig horizontal oder rotierend. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass ein vertikaler Nystagmus oder eine Richtungsänderung des Nystagmus auftreten. Nicht selten lässt sich ein positioneller ventraler Strabismus beobachten. Beim Anheben des Kopfes kommt es zu einem ventralen Absinken des Bulbus auf der erkrankten Seite. Dieses Symptom wird auch als vestibulärer Strabismus bezeichnet. Auch Gangstörungen sind ein typisches Symptom bei einem Vestibularsyndrom, die sich als vestibuläre Ataxie zeigt. Zusätzlich können die Tiere die Neigung haben, zur erkrankten Seite zu fallen oder in kleinen Kreisen zur betroffenen Seite hin zu laufen.
Erscheint ein Tier mit vestibulären Ausfällen bewusstseinsverändert, so sollte man immer die Möglichkeit einer zentralen Läsion in Betracht ziehen. Einschränkend muss man allerdings sagen, dass auch Patienten mit einer peripheren vestibulären Erkrankung desorientiert erscheinen können. Ausfälle in den Haltungs- und Stellreaktionen gehören mit zu der sensitivsten Untersuchung, um zu entscheiden, ob es sich um eine zentrale oder periphere Lokalisation handelt. Bei einem peripheren Vestibularsyndrom kann ein Horner-Syndrom vorliegen. Es spiegelt eine fehlende sympathische Innervation des Auges wider und zeigt sich klinisch durch die klassische Trias: Miosis, Ptosis und Enophthalmus. Oft fällt sekundär das dritte Augenlid vor. Auch eine Fazialisparese (Abb. 2) oder paralyse kann bei einem peripheren Vestibularsyndrom beobachtet werden. Ausfälle anderer Gehirnnerven sind hinweisend auf eine zentrale Lokalisation. Bei einem zentralen Vestibularsyndrom sind am häufigsten die Gehirnnerven V (N. trigeminus) und VII (N. fazialis) betroffen, da sie den Nuclei vestibularis eng benachbart im Hirnstamm angeordnet sind.

Diagnostik

Der erste Schritt zu einer zielgerichteten diagnostischen Aufarbeitung ist die Zuordnung des Vestibularsyndroms in eine periphere oder zentrale Erkrankung. Dies erfolgt anhand der Befunde der neurologischen Untersuchung. Ziel der Untersuchungen ist es dann, eine korrekte Diagnose und damit eine optimale Therapie und Prognose zu erstellen. Grundsätzlich sollte bei beiden Lokalisationen zu Beginn immer eine vollständige Laboruntersuchung mit Blutbild, Serumbiochemie, sowie ein Schilddrüsenhormonprofil angefertigt werden. Da Infektionen des äußeren Gehörganges eine häufige Ursache für ein Vestibularsyndrom sind, sollte auch immer eine Otoskopie durchgeführt werden. Im Falle eines Ergusses im Mittelohr kann eine Myringotomie mit anschließender bakteriologischer und zytologischer Untersuchung der Flüssigkeit erfolgen. Je nach Lokalisation und möglichen Differenzialdiagnosen gehört die bildgebende Diagnostik des Kopfes zu den wichtigsten weiterführenden Untersuchungen. Dabei stehen heutzutage die Magnetresonanz (MRT) und die Computertomografie (CT) zur Verfügung, wobei die MRT der CT vorzuziehen ist. Die MRT ermöglicht eine hervorragende Darstellung des Neuroparenchyms, insbesondere der Strukturen des Hirnstammes und Kleinhirns sowie des Mittel- und Innenohrs.
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Meningitis oder Meningoenzephalitis stellt die Liquoranalyse eine sinnvolle weitere Untersuchungsmethode dar. Die Ableitung von Hirnstammpotenzialen, auch „brainstem auditory evoked potentials“ (BAEP) genannt, kann als ergänzende Untersuchungsmethode angewandt werden.

Literatur bei der Autorin

Foto: © Dr. Tanja Steinberg

HKP 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2012.
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