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Diabetes mellitus bei der Katze – Diagnose und Therapie

Zu viel Zucker

Diabetes mellitus (D. m.) ist eine wichtige ­Endokrinopathie der Katze. Insgesamt steigt die Prävalenz des felinen D. m. an und wird derzeit mit 1–2% angegeben. Betroffen sind v.a. männlich kastrierte Tiere, die älter als zehn Jahre sind. Physische Inaktivität, wie sie bei Wohnungshaltung resultiert, ist auch ein Risiko­faktor. Übergewicht verschlechtert die Insulinsensitivität um mehr als 50%, eine adipöse Katze hat ein 3,9-fach erhöhtes Risiko, Dia­­be­tiker zu werden.

Leitsymptome/klinisches Bild/Anamnese

Relativer oder absoluter Insulinmangel führt zur verminderten Nutzung von Glukose, Aminosäuren und Fettsäuren im Gewebe. Dies hat eine vermehrte Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber zur Folge. Es entsteht eine Hyperglykämie. Wenn die Blutglukose die Rückresorptionskapazität des proximalen Tubulus der Niere überschreitet, was bei einem Blutglukosespiegel von mehr als 250mg/dl (> 13,8mmol/l) der Fall ist, kommt es zur Glukosurie. Die Glukosurie führt zur osmotischen Diurese, was eine Polyurie verursacht, die durch eine Polydipsie kompensiert wird. Da Glukose intrazellulär nicht als Energielieferant zur ATP-Gewinnung zur Verfügung steht, werden Fette abgebaut. Durch ß-Oxidation werden in der Leber Ketonkörper aus Acetyl-CoA gebildet, die während des Insulinmangels als Energieträger dienen. Dadurch wird Körpersubstanz abgebaut. Der Patient leidet unter einem ständigen Hungergefühl (Polyphagie). Zusammenfassend wird das klinische Bild durch die Hauptsymptome Polydipsie, Polyurie und Polyphagie bestimmt. Nichterkennen der Erkrankung oder eine unzureichende Behandlung des Patienten können nach Wochen und Monaten die Entwicklung von Neuropathien und Ketoazidose begünstigen. Aufgrund einer geringen Aldose-Reduktase-Aktivität in der Linse der Katze wird bei Hyperglykämie nur wenig Sorbitol gebildet. Damit ist eine Katarakt sehr selten.

Ätiologie und Pathogenese

Ca. 80% der Katzen leiden zum Zeitpunkt der Diagnosestellung an einer Diabetesform, die dem Typ 2-Diabetes des Menschen entspricht. Dies ist jedoch nur ein Schätzwert, da die Differenzierung zwischen Typ 1 und 2 eine klinische Herausforderung bei Katzen darstellt. Ursächlich liegen bei betroffenen Katzen eine beeinträchtigte Insulinwirkung in Leber, Muskulatur und Fettgewebe (Insulinresistenz) und dysfunktionale pankreatische ß-Zellen vor. Zu Beginn der Erkrankung können die ß-Zellen die Blutglukose durch eine Steigerung der Sekretion noch regulieren. Durch zwei weitere Phänomene, der sog. Glukose- und Lipotoxizität, kommt es zu degenerativen Veränderungen der pankreatischen ß-Zellen. Durch lang anhaltende Hyperglykämie und erhöhte zirkulierende freie Fettsäuren kommt es zur ß-Zell-Apoptose in den Inselzellen des Pankreas. Somit herrscht zunächst ein relativer, später dann aber ein absoluter Insulinmangel. Histo­logisch liegen bei der Katze im Pankreas chronisch-entzündliche Veränderungen und Amyloid-Ablagerungen vor. Allerdings ist noch nicht klar, ob diese Ablagerungen die Ursache oder die Folge der ß-Zelldysfunktion sind.

Insulinresistenz umschreibt einen Zustand, indem endogenes Insulin oder exogen zugeführtes Insulin zu keinem blut­glukosesenkenden Effekt führen. Insulinresistenz kann somit zum Entstehen des ­D. m. führen als auch seine Einstellung ­erschweren. Insulinresistenz wird v.a. durch Übergewicht oder durch Sekretion von insulinantagonistischen Hormonen mediiert (siehe Tab.). Es kommt zu Interferenzen mit der Bindung von Insulin an den Rezeptor und/oder Hemmung der Signaltransduk­tion nach der Interaktion von ­Insulin mit seinem Rezeptor.

Befundung und Diagnose

Die Diagnose des D. m. selbst ist unkompliziert: Persistierende Nüchtern-Hyperglykämie und Glukosurie sollten nachgewiesen werden. Ein erhöhtes Fruktosamin stellt ­sicher, dass eine Stresshyperglykämie als Ursache ausgeschlossen wird. Bei Pa­tienten mit einem sehr kurzfristig bestehenden D. m. (und sehr aufmerksamen Besitzern) kann das Serum-Fruktosamin jedoch im Normalbereich liegen, da es als gly­kosyliertes Protein eine Halbwertszeit von ca. zwei Wochen besitzt und somit den Blutglukosespiegel dieses Zeitraumes reflektiert. Auch eine zeitlich bestehende Hyperthyreose kann durch erhöhten Protein­katabolismus das Fruktosamin erniedrigen. Sobald die Diag­nose gestellt ist, sollte ­neben einem Laborprofil (Hämatologie und Serumbiochemie) eine komplette Urin­untersuchung inkl. bakteriologischer Kultur eingeleitet sowie Gesamt-Thyroxin (T4) und die feline pankreasspezifische Lipase (fPLI) bestimmt werden. Diese Untersuchungen sind wichtig, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob Begleiterkrankungen (z.B. Nephropathien, Hepatopathien, Hyperthyreose oder Pankreatitis) vorliegen.


Therapie

Die Therapie hat zum Ziel, die klinischen Symptome des D. m. zu eliminieren und Komplikation (Hypoglykämie, Ketoazidose, bakterielle Infektionen) und Spätfolgen (Neuropathien, Glomerulopathie) zu vermieden. Ein ideales Körpergewicht sollte erreicht werden. Da man mittlerweile weiß, dass zwischen 30–80% der diabetischen Katzen in Remission gebracht werden können, ist das Erreichen einer Remission für viele Katzenhalter somit ein mögliches weiteres Behandlungsziel. Diabetische Remission beschreibt einen Zustand, in dem eine ehemals diabetische Katze in der Lage ist, ohne exogene Insulinzufuhr ihren Blutglukosespiegel zu regulieren.

Behandlungsoptionen

Eine erfolgreiche Stabilisation ist i.d.R. nur mit Insulintherapie möglich. Auch wenn es vereinzelt Katzen gibt, die ohne Insulin­therapie stabilisiert werden können, ist das Vorenthalten einer Insulintherapie bei einem diabetischen Patienten immer mit einem Risiko verbunden. Da einer der bestimmenden Faktoren zur Erreichung einer Remission die Zeitspanne ist, in der ein Pa­tient stabilisiert werden kann, empfiehlt es sich, sobald wie möglich nach Diagnosestellung mit der Insulintherapie zu beginnen. Derzeit ist die einzige Möglichkeit, Tieren wirksam Insulin zuzuführen, die Injektion ins Unterhaut-Fettgewebe. Empfohlen wird die Injektion in die seitliche Brust- und Bauchwand. Neben der Insulintherapie sind die Fütterung einer diabetesgerechten Diät, regelmäßige Bewegung und ein gleichförmiger Tagesablauf von Bedeutung.

Insulintherapie

Insuline werden aufgrund ihrer Formulierung, Wirkungsdauer und Herkunft eingeteilt. Sie können vom Schwein stammen, rekombinante humane Insuline sein oder als rekombinante Insulinanaloga konzipiert sein. Die Insulinkonzentration kann entweder 100 International Units (IU) pro Milli­liter (ml) oder 40IU/ml betragen. Veterinärmedizinisch einsetzbare Insuline sind 40 IU-Insuline; diese können bei Applikation kleiner Mengen etwas genauer dosiert werden. §56a des Arzneimittelgesetzes (AMG) regelt die Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln durch Tierärzte. Hiernach müssen Insuline für die behandelte Spezies zugelassen sein. Eine Umwidmung auf ein humanmedizinisches Insulin darf nach Gesetzeslage erst erfolgen, nachdem ein zugelassenes Präparat keinen Behandlungserfolg erbracht hat.

Caninsulin® ist ein porcines Lentein­sulin mit 40?IU/ml. Durch eine Suspension mit Zink werden eine verzögerte Absorp­tion und eine verlängerte Wirkung nach subkutaner Injektion erreicht. In dieser ­Insulinformulierung sind 35% amorphes Zink­insulin und 65% kristallines Zinkin­sulin verarbeitet. Dadurch erhält das Insulin eine biphasische Aktivität. Es ist für die Katze zugelassen. Bei normalgewichtigen Katzen wird die subkutane Injektion von initial 1?IU/Katze (0,25 IU/kg) im 12-Stunden-Intervall empfohlen. Die mittlere Insulindosis in einer Studie betrug 0,5?IU/kg Körpergewicht. Für rund ein Drittel der Katzen hat dieses Insulin allerdings eine zu kurze Wirkungsdauer (oft nur 4–8h), um eine adäquate Einstellung zu gewährleisten.

Protamin Zink rekombinantes humanes Insulin (PZIR) ist eine Insulinformulierung, deren aktive Substanz strukturell dem humanen Insulin identisch ist. PZIR ist eine Insulinformulierung mit Langzeitwirkung. ProZinc ist in den USA für die Katze zugelassen und wird vermutlich bald in Deutschland verfügbar sein. Bei normalgewichtigen Katzen wird die subkutane Injektion von 1–3IU/Katze (0,22–0,66 IU/kg) im 12-h-Intervall empfohlen. PZIR besitzt eine lange Wirkungsdauer. Die zweimal tägliche Applikation ist dennoch anzuraten.

Glargin (Lantus®) ist ein gentechnisch hergestelltes, rekombinantes Insulinanalogon mit Langzeitwirkung. Durch Austausch zweier Aminosäuren wird der isoelektrische Punkt des Insulins verändert und bei Injektion in ein Milieu mit physio­logischem pH-Wert bilden sich Mikropräzipitate, die sich langsam lösen und zu einer langsamen Insulinfreisetzung führen. Es ist ein 100 IU-Insulin und besitzt keine Zulassung für die Katze. Es empfiehlt sich eine Startdosis von 1 IU/Katze, wobei Glargin bei einem Blutzuckerspiegel >20mmol/l auch mit 2 IU/Katze dosiert werden. Die Mehrzahl der Katzen benötigt eine zweimal tägliche Insulinzufuhr, um gut eingestellt zu sein. Die Vorteile dieses Insulins bei der Katze sind die lange Wirkungsdauer und eine damit meist verbundene gute glykämische Einstellung.

Detemir (Levemir®) ist ein neueres synthetisches Insulinanalogon mit einer langen Wirkungsdauer. Es geht eine reversible Bindung mit Albumin ein und wird langsam ins Plasma freigesetzt. Es ist ein 100 IU-Insulin und besitzt keine Zulassung für die Katze. Insgesamt liegen noch wenig Langzeiterfahrungen mit diesem Insulin vor und es sollte sehr zurückhaltend ein­gesetzt und nicht als primäres Insulin verwendet werden. Es empfiehlt sich eine Anfangsdosis von 1 IU/Katze zweimal täglich.

Fazit bei der Wahl eines Insulins

Zugelassen ist derzeit das Caninsulin und sollte als primäres Insulin eingesetzt werden. Lässt sich in den ersten sechs Behandlungswochen mit diesem Insulin kein Therapieerfolg erzielen, sollte auf Insulin Glargin umgestellt werden. Obwohl große kontrollierte Studien fehlen, sind die bis­herigen Ergebnisse hinweisend, dass mit Insulin Glargin bei vielen Katzen eine sehr gute glykämische Kontrolle erreicht werden kann. Die damit verbundene reduzierte Glukotoxizität der Betazellen erleichtert die endogene Insulinproduktion. Damit kann der Bedarf an exogen zugeführtem Insulin langfristig gesenkt und die Möglichkeit, eine Remission zu erreichen, eröffnet werden. Wenn eine Katze länger als zwei Wochen normale Blut­zuckerwerte hat, kann der Versuch unternommen werden, langsam das Insulin zu reduzieren. Idealerweise sollte die Katze weiterhin diabetikergerecht ernährt werden.

Diät, Fütterungszeit und Bewegung

Umstellung auf diabetikergerechte Nahrung ist ein wichtiger Teil zu einer erfolgreichen Einstellung diabeteskranker Katzen. Das Ziel der diätetischen Umstellung ist es, den Insulinbedarf zu reduzieren. Studien haben belegt, dass Diäten mit einem reduzierten Kohlenhydratgehalt und einem erhöhten Proteingehalt zu präferieren sind. Der Rohfasergehalt sollte eher niedrig liegen. Falls keine gute glykämische Kontrolle zu erreichen ist oder Gewichtszunahme besteht, kann auf eine rohfaserreiche Diät gewechselt werden. Bei zeitgleicher Nierenerkrankung sollte auf einen niedrigen Phosphatgehalt geachtet werden. Die Fütterung sollte idealerweise kurz nach der Insulinapplikation erfolgen, damit Insulin bereits in der Blutbahn vorhanden ist, um die nun ins Blut übertretene Glukose verstoffwechseln zu können. Normalgewichtige Katzen können ad libitum über den Tag gefüttert werden. Übergewichtige Katzen sollten hingegen auf feste Rationen (2–3/Tag) eingestellt werden. Regelmäßige Bewegung ist wichtig, um die Aufnahme von Insulin in die Körperzellen zu verbessern. Hierfür reicht bei Wohnungskatzen bereits zweimal tägliches Spielen von jeweils 10–15 Minuten aus.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe:
Kontrollen und Komplikationen bei der Insulintherapie

take home

Diabetes mellitus ist eine wichtige endokrine Störung bei der Katze. Rund 80% der betroffenen Tiere leiden unter einem Typ 2-Diabetes, der sich durch Insulinresistenz und ß-Zelldysfunktion manifestiert. Insulintherapie und Fütterung einer proteinreichen und kohlehydratarmen Diät sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Regulation des Patien­ten. Viele Katzen profitieren von Insulinpräparaten mit langer ­Wirkungsdauer, die die Chance auf Remission erhöhen.

Foto: © istockphoto.com, RooIvan

Stichwörter:
Leitsymptome, Anamnese, Polyphagie, Ätiologie, Zelldysfunktion, Blutglukosespiegel, Behandlungsoptionen, Insulintherapie,

HKP 1 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2014.
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.