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Hüftgelenk beim Hund

Was tun, wenn die Schmerzen kommen?

Die Hüftgelenksarthrose ist eine der häufigsten orthopädischen Erkrankungen des Hundes. Ursachen sind die Hüftgelenkdysplasie, die „lockere Hüfte“, Traumata und selten Infektionen.

Unterschiedliche Gründe für eine Arthroseentwicklung der Hüfte

Die bekannteste Ursache für einen Verschleiß des Hüftgelenks ist die Hüftgelenkdsyplasie (HD). Sie ist eine vor allem genetisch bedingte Fehlbildung der Hüfte, bei der die Passform von Azetabulum und Kopf nicht korrekt ist, sodass es zu Instabilität und Punktbelastung des Knorpels mit Drucknekrose und Abrieb kommt. Die HD entwickelt sich während des Wachstums, später ändert sich nur noch der Arthrosegrad, der von der Schwere der Dysplasie abhängt. Ein dysplastisches Hüftgelenk entwickelt sich nur in eine Richtung („Einbahnstraße“), eine Besserung kann nicht eintreten.
Die HD-Kommission in Deutschland hat zwischen 1991 und 1994 60 % der Hunde mit A (frei) oder B (Übergangsform) bewertet, aber auch jeden siebenten Hund mit D (mittel) oder E (schwer). Die Verbreitung der Hüftdysplasie ist seitdem etwas gesunken, eine neuere Auswertung zwischen 1995 und 2000 aus der Schweiz ergab nur noch bei jedem elften Hund einen mittel- oder schwergradigen Dysplasiebefund. Dabei ist die Häufigkeit zwischen den einzelnen Rassen sehr unterschiedlich verteilt. (Tab. 1).
Dysplastische Hüftgelenke fallen meist in der Jugend auf und beeinträchtigen die Tiere zum Teil erheblich. Die Hunde sind bewegungsunlustig und erscheinen träge, legen sich häufig ab und sind nicht belastbar. Um die Schmerzen zu reduzieren, verlagern sie Gewicht auf die Vordergliedmaßen, sodass häufig Probleme an den Ellbogen die Folge sind. Wird die Erkrankung nicht erkannt, werden die Hunde erst vorgestellt, wenn die Gewichtsverlagerung nicht mehr funktioniert oder die Muskulatur durch die Minderbenutzung soweit zurückgebildet ist, dass eine Gangunsicherheit der Hintergliedmaßen auffällig wird.
Von der Dysplasie muss man die lockere Hüfte unterscheiden. Die Pfanne und der Kopf sind passgenau entwickelt, aber das Gelenk findet wegen mangelhaft ausgebildeten Band- und Kapselstrukturen keinen ausreichenden Halt. Dabei kann es zu Überschneidungen mit der Dysplasie kommen, wenn z.B. der Öffnungswinkel des Pfannendachs (DAR-Winkel: Dorsal- Acetabular-Rim-Winkel) zu offen ist. Hunde mit einer lockeren Hüfte entwickeln trotz guter anatomischer Ausformung der Hüfte die gleiche Degeneration wie dysplastische Hunde, sodass später kein Unterschied zwischen beiden Formen mehr zu sehen ist.
In seltenen Fällen kommt es zu Verletzungen des Gelenks, die für einen späteren Verschleiß verantwortlich sind. Betroffen sind dabei vor allem Jungtiere, bei denen durch die weichen Bandstrukturen noch eine erhöhte Beweglichkeit möglich ist, sodass z.B. Verletzungen am dorsalen Pfannendach auftreten. Daneben sind alle Arten von Verletzungen, bei denen es zu Läsionen des Knorpels oder zu Inkongruenz kommt, für eine spätere Arthroseentwicklung verantwortlich (Luxation, Frakturen).

Diagnose der Hüfterkrankung

Die bekannteste Form der Hüftuntersuchung ist das HD-Röntgen. Um ein endgültig ausgeformtes Hüftgelenk beurteilen zu können, wird diese Untersuchung ab dem zwölften Lebensmonat, bei Riesenrassen ab dem 15. Lebensmonat durchgeführt. Beurteilt werden definierte Kriterien, die einen anatomischen Vergleich innerhalb der Rasse und mit anderen Rassen erlauben. Damit kann eine Einstufung erfolgen, die einen teilweisen Rückschluss auf die genetische Anlage des untersuchten Hundes und seiner Elterntiere zulässt. Durch die übliche ventro-dorsale Lagerung mit gestreckten und angewinkelten Gliedmaßen kann eine lockere Hüfte übersehen werden, da die Drehung der Hüftkapsel bei gestreckten Beinen und der Druck nach medial bei angewinkelten Beinen den Hüftkopf passiv ins Azetabulum drückt. Deshalb wurde unter anderem mit dem PennHip- Röntgen eine spezielle Untersuchungstechnik entwickelt, um die Lockerheit der Hüfte beurteilen zu können.
In der Tiermedizin setzt sich inzwischen immer mehr die Tendenz zur Präventivmedizin durch, um Schäden nicht zu „reparieren“, sondern sie vor ihrer Ausprägung zu erkennen und zu verhindern. Während der Frühultraschall des Hüftgelenks – wie er beim Säugling durchgeführt wird – beim Hund keine ausreichende Aussagekraft hat, konnte Vezzoni [1] 1 eine gute Vorhersagbarkeit der Hüftentwicklung durch eine Kombination verschiedener klinischer und röntgenologischer Untersuchungsparameter bei vier Monate alten Hunden belegen. Damit kann in die Entwicklung frühzeitig eingegriffen werden, bevor es zu Knorpelschäden und Arthrosen kommt, die den weiteren Verlauf unwiderruflich bestimmen.

Verschiedene Therapieformen

Grundsätzlich muss die Behandlung der dysplastischen von der lockeren Hüfte unterschieden werden.

Die frühe Behandlung ...

Die Behandlung der lockeren Hüfte zielt darauf ab, das Gelenk lebenslang als gesundes Gelenk zu erhalten. Durch eine Drehung des Azetabulums kann das Hüftgelenk stabilisiert werden.


Die einfachste Möglichkeit bietet die Symphysiodese. Durch Zerstörung von etwa 60 % der Wachstumsfuge zwischen den Ossa pubis entwickelt sich eine frühzeitige Fusion der Schambeine, sodass der Beckenring und damit die Azetabuli im weiteren Wachstum gedreht werden. Der Eingriff ist wenig traumatisch und schnell durchführbar, muss jedoch zwischen dem vierten und fünften Lebensmonat erfolgen, um eine ausreichende Rotation zu erreichen. Danach reicht das verbleibende Wachstumspotenzial nicht mehr, um einen klinisch relevanten Effekt zu erzielen. Das Ausmaß der Rotation ist individuell vom Zeitpunkt und Wachstumspotenzial abhängig, was die Vorhersage des Behandlungserfolgs im Einzelfall etwas erschwert. Sind die Patienten älter oder ist es wichtig, den Winkel der Rotation vorhersagen zu können, kann die Beckenschwenkung (TPO und DPO) durchgeführt werden. Die Methode der 3-fach-Beckenosteotomie wurde 1962 erstmals in der Humanmedizin angewandt und 1992 von Slocum [2] beim Hund beschrieben. Bei enger Indikationsstellung konnten damit gute Erfolge erzielt werden, Komplikationen –insbesondere Lockerung der Schrauben im kranialen Ileum – waren jedoch häufig. 2006 wurde von Haudiquet [3] die 2-fach-Osteotomie (DPO) beschrieben, die die TPO aufgrund der viel selteneren Komplikationen und der deutlich höheren Stabilität als Standard abgelöst hat. Moderne Implantatsysteme für die DPO sind sehr stabil und erlauben eine ausschließliche Operation von lateral, sodass Schäden an der medial des Ilium gelegenen Arteria iliaca interna oder dem Nervus ischiadicus kaum noch vorkommen. Die DPO kann über kleine Zugänge durchgeführt werden, sodass das Weichteiltrauma der OP sehr begrenzt ist und die Hunde am nächsten Tag das Bein wieder voll belasten.




Wenn die Arthrosen da sind ...

Bei dysplastischen oder arthrotisch veränderten Gelenken ist das Ziel der Behandlung, eine Schmerzfreiheit bei möglichst hoher Funktionalität herzustellen.
Neben der Denervation, Goldakkupunktur oder Femurhalsresektion ist die Endoprothetik inzwischen ein fester Bestandteil der Therapie. Die Implantation der Endoprothesen erfolgt nach einem vollständig festgelegten Schema, sodass durch die sich immer wiederholenden Abläufe die Häufigkeit von intraoperativen Komplikationen stark gesenkt werden konnte. Bei „unkomplizierten“ Operationen liegt die Operationsdauer zwischen anderthalb und zwei Stunden, wodurch nicht nur die Infektionsgefahr, sondern auch die Narkosebelastung niedrig gehalten werden kann. Insbesondere bei älteren Patienten hat die verhältnismäßig kurze Operationsdauer dabei Bedeutung. Die Implantatsysteme haben heute humanmedizinischen Standard erreicht. Manche Hersteller – wie Kyon [4] – garantieren daher die lebenslange Funktion der Prothesen, weil Materialbrüche oder Abrieb durch die hohe Qualität weitestgehend ausgeschlossen werden können.
Entgegen der weitläufigen Meinung, dass das Einsetzen einer Endoprothese eine sehr invasive Operation mit viel Weichteiltrauma sei, ist das Gegenteil der Fall. Durch einen Zugang, der dem der Femurkopfhalsresektion gleicht, und eine kleinflächige, fast ausnahmslose stumpfe Präparation zwischen den Muskelgruppen kann das künstliche Hüftgelenk eingesetzt werden. Das geringe Weichteiltrauma spiegelt sich unter anderem darin wider, dass die operierten Hunde bereits am Folgetag das Bein belasten. In den meisten Fällen sind die Hunde bereits nach wenigen Tagen schmerzfreier als vor der Operation.
Komplikationen sind bei der Hüftgelenksprothese gefürchtet und halten viele Tierärzte und Besitzer davon ab, eine Endoprothese zu empfehlen oder einsetzen zu lassen. Auch hier sieht die Realität anders aus: Kyon gibt für die nicht zementierte „Züricher Hüfte“ eine Komplikationsrate von 10 % an. Etwa 90 % dieser Komplikationen können behoben werden, sodass lediglich 1 % der eingesetzten Hüften wieder explantiert werden müssen! Diese Häufigkeit findet sich auch bei anderen Routine -eingriffen wie der TTA oder TPLO, bei denen je nach Studie ebenfalls in 10 % der Patienten postoperative Komplikationen auftreten. Wird im schlechtesten Fall eine Explantation notwendig, wird der Femurhals auf die Länge einer Femurkopfhalsresektion gekürzt. Durch die eintretende Vernarbung sind die Pa tienten mittelfristig fast immer noch deutlich schmerzärmer als vor der Operation. Eine neue Entwicklung ist die Cupless-Endoprothese, die nur aus einem Femurstamm mit Hüftkopf besteht und ohne künstliche Pfanne auskommt. Durch die spezielle Form kann der Hüftkopf ohne Interponat im ausgefrästen Azetabulum schmerzfrei gleiten. Vorteile der Cupless-Endoprothese sind die noch schnellere Implantation und die geringeren Kosten. Der Nachteil ist die längere Rekonvaleszenz, da die Hunde bis zum lahmheitsfreien Gang zwischen wenigen Wochen bis zu drei bis vier Monaten brauchen können.


Literatur
[1] Vezzoni et al, Vet Comp Orthop Traumatol 2008 21 3: 267-279
[2] Slocum B, Devine T. Pelvic osteotomy for axial ro- tation of the acetabular segment in dogs with hip dysplasia. Vet Clin North Am Small Anim Pract 1992; 22: 645–646.
[3] Haudiquet PH, Guillon JF. Radiographic evaluation of double pelvic osteotomy versus triple pelvic os- teotomy in the dog: an in vitro experimental study. Proceedings of 13th ESVOT Congress; 2006 September 7–10; Munich, Germany. pgs. 239-240.
[4] KYON AG, Technoparkstrasse 1, CH-8005 Zurich

-> dr.lautersack@kleintierpraxis-ettlingen.de

Foto: istockphoto.com, cynoclub

HKP 1 / 2016

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2016.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.