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HKP-6-2015 > Probleme mit den ersten Zähnen

Probleme mit den ersten Zähnen

Tierzahnheilkundliche Untersuchungen bei Welpen

Sowohl bei Katzen als auch – und vor allem – bei Hunden treten im Welpenalter Zahnprobleme auf, die einer zügigen Behandlung bedürfen. Neben der korrekten Zahnstellung sollten Tierärzte bei Welpen vor allem auf entzündliche, traumabedingte und entwicklungsbedingte Krankheitsursachen achten.

Abweichende Anzahl der Zähne

Hypodontie, also das Fehlen von Zahnanlagen, stellt beim Hundewelpen einen relativ häufigen Befund dar. Bei zur Zucht verwendeten Hunden müssen gegebenenfalls Röntgenaufnahmen gemacht werden, da das Fehlen einer bestimmten Anzahl oder wichtiger Zähne einen Züchtungsausschluss bedeuten kann. Besonders kleine Hunderassen neigen zur Hypodontie mit gleichzeitig persistierenden Milchzähnen (Abb.1). In jedem Fall sollte das Fehlen von Zähnen und persistierenden Milchzähnen am besten durch intraorale Röntgenaufnahmen überprüft werden. Dadurch werden gleichzeitig auch retinierte oder impaktierte Zähne erkannt. Im Gegensatz zum impaktierten Zahn ist beim retinierten Zahn (Abb.2) kein Durchbruchshindernis erkennbar. Ein nicht durchgebrochener Zahn kann zur Bildung einer Zahnzyste (Abb.3) führen. Diese Zähne müssen entweder regelmäßig geröntgt oder extrahiert werden. Besonders häufig sehen wir dieses Phänomen bei brachycephalen Rassen wie dem Mops oder der Französische Bulldogge.


Abb.1: Persist.Milchzaehne und fehlende Zahnanlagen Unterkiefer Hund


Abb.2: Retinierter Caninus mit Anomalie


Abb.3: Zahnzyste


Abb.4: Hyperdontie

Hyperdontie, also eine Zahnüberzahl (Abb.4), sollte durch Röntgenaufnahmen begleitet werden, da die Unterscheidung von bleibenden Zähnen und Milchzähnen nicht in jedem Fall eindeutig ist. Überzählige Zähne führen häufig zu Zahnfehlstellungen, zu Entwicklungsstörungen benachbarter Zähne und hygienischen Problemen. Zahnanomalien können sowohl die Zahnwurzel als auch die Zahnkrone (Abb.5) betreffen. Während Zahnwurzelanomalien (Abb.6) häufig erst bei Extraktionen oder Wurzelbehandlungen klinisch relevant werden, sind Zahnkronenanomalien (Abb.7) sehr häufig mit Komplikationen verbunden. Diese müssen immer geröntgt und häufig extrahiert werden, da die teils fehlende Schmelzschicht zu Infektionen der Zähne führen kann.


Abb.5: Zahnkronenanomalie


Abb.6: Zahnwurzelanomalie dreiwurzliger P3


Abb.7: Zahnkronenanomalie

Zahnschmelzdefekte

Der bei Hunden und Katzen relativ dünne Zahnschmelz stellt die härteste Substanz im Körper dar. Defekte im Zahnschmelz können sowohl lokal (Abb.8) als auch generalisiert auftreten. Ist nur ein Zahn oder sind wenige Zähne mit nichtsymmetrischem Muster betroffen, so kann man von einer lokalen Ursache wie Trauma oder Entzündung ausgehen. Schmelzdefekte, die entwicklungsgleiche Zähne symmetrisch betreffen, haben meist eine systemische Ursache. Erkrankungen wie Staupe beispielsweise können, wenn sie während der Zahnschmelzbildung (zweite Lebenswoche bis dritter Monat p.p.) auftreten, zu typischen Veränderungen an den Zähnen führen.


Abb.8: Zahnschmelzdefekt lokal

Gaumenspalte

Bei Gaumenspalten (Abb.9), einer unvollständigen Ausbildung des harten und weichen Gaumens, handelt es sich in der Regel um eine fetale Entwicklungsstörung. Diese Patienten werden häufig im frühen Welpenalter mit Wachstumsstörung, Saugproblemen und Nasenausfluss vorgestellt. Deshalb gehört der Blick in den Rachenraum zu jeder Untersuchung eines Welpen. Die chirurgische Versorgung einer Gaumenspalte ist je nach Ausmaß relativ gut möglich. Sie erfordert viel Erfahrung und sollte nicht vor der zwölften Lebenswoche des Welpen durchgeführt werden. Jeder gescheiterte Eingriff führt zu einen deutlichen Verschlechterung der Prognose. Für die Planung der Operation und zum Ausschluss weiterer vergesellschafteter genetischer Defekte wie der Fehlbildung des Hörorgans ist die Computertomographie extrem hilfreich.


Abb.9: Gaumenspalte

Zahn- und Kieferfehlstellung

Die Untersuchung der korrekten Zahnstellung ist beim Welpen ein wichtiger Teil der Allgemein­untersuchung. Beim Milchzahngebiss sind vor allem die Canini in der Okklusion zu begutachten. Malokklusionen, also Abweichungen von der korrekten Zahn- oder Kieferstellung, kommen bei Hunden (Abb.10) häufiger als bei Katzen (Abb.11) vor. Skelettale Fehlstellungen (Abb.10 u.11) gelten tendenziell, außer bei nachgewiesenem Trauma, eher als vererbt. Die dentale Malokklusion gilt hingegen, außer bei bekannter familiärer Disposition (Abb.12), in der Regel als nicht erblich. Besonders der verkürzte Unterkiefer (Abb.10 u. 11); Brachygnathia inferior, auch Rückbiss oder mandibuläre Distokklusion genannt, führt häufig zu klinischen Problemen.


Abb.10: Kieferfehlstellung Hund


Abb.11: Kieferfehlstellung Katze


Abb.12: Dentale Malokklusion und persistierender Milchzahn

Persistierende Milchzähne

Besonders bei kleinen Hunderassen kann man Probleme beim Zahnwechsel beobachten. Per­-si­stierende Milchzähne müssen in der Regel ­extrahiert werden, weil sie zu hygienischen und kieferorthopädischen Problemen führen (Abb.18, 24,). Insbesondere bei persistierenden Canini kann es zur Fehlstellung der bleibenden Canini kommen. Persistierende Milchzähne ohne angelegten bleibenden Zahn (Abb.1) müssen nicht zwingend extrahiert werden, sollten aber regelmäßig geröntgt werden (Abbildungen 19 u. 20: persistierender Caninus, dadurch nach mesial verschobener bleibender Caninus, fehlende Anlage eines P2, persistierender Milchzahnvorläufer des P2 in Resorption). Milchcanini, die zur Traumatisierung des harten Gaumens führen (Abb.10 u. 13), müssen extrahiert werden, weil sie einerseits Schmerzen hervorrufen, lokale Infektionen auslösen können und eine individuelle Entwicklung von Unter- und Oberkiefer behindern. Der Extraktion sollte idealerweise eine intraorale Röntgenaufnahme vorausgehen. Die Extraktion muss schonend vorgenommen werden, um die noch nicht durchgebrochenen bleibenden Zähne in unmittelbarer Nachbarschaft nicht zu gefährden. Eine Kürzung der Milchcanini ist abzulehnen, da damit gleichzeitig der Wurzelkanal, die Pulpa, eröffnet wird. Schmerzen, eine Infektion des Kieferknochens und die Schädigung der nachfolgenden Zahnanlagen sind häufig die Folgen.


Abb.13: Trauma Harter Gaumen


Abb.14: Schiefe Ebene Katze

Bleibende Zähne

Kieferorthopädische Eingriffe haben in erster Linie die Aufgabe, eine schmerzfreie Funktion des Gebisses zu gewährleisten und nicht kosme­tischen Individualwünschen zu folgen. Patien­ten mit Malokklusionen müssen zum Zeitpunkt des Zahnwechsels unbedingt eingehend untersucht werden. Spätestens wenn fehlgestellte Unterkiefercanini den harten Gaumen berühren, muss eingegriffen werden. Während des Zahndurchbruchs sind die Canini kieferorthopädisch gut zu versorgen. Je nach Art der Fehlstellung sind verschiedene Korrekturmaßnahmen denkbar. Hierbei können der Einsatz „Schiefer Ebenen“ (Abb.14), Dehnschrauben (Abb.15), Kronenverlängerungen (Abb.16), Brackets mit Gummiligaturen oder zahntechnisch hergestellte Apparaturen eingesetzt werden. Teilweise werden mehrere kieferortho­pädische Maßnahmen kombiniert (Abb.17). Abhängig vom Grad der Fehlstellung verbleiben die Implantate meist Tage bis mehrere Wochen. Die Korrektur von Zahnfehlstellungen wird im Laufe des Alters von Monat zu Monat immer schwieriger, da erheblich mehr Kraft und Zeit aufgewendet werden muss, um einen Zahn zu bewegen. In diesen speziellen Fällen kann je nach Alter des Patienten eine fachmännisch durchgeführte Vitalamputation oder Wurzelbehandlung als Alternative zur Extraktion gewählt werden.


Abb.15: Dehnschraube


Abb.16: Kronenverlängerung


Abb.17: Kieferorthopädie

Trauma

Abgebrochene Zähne mit eröffnetem Wurzelkanal müssen grundsätzlich versorgt werden. Insbesondere Milchzähne müssen extrahiert werden, da es über die eröffnete Pulpa zur Infektion kommt (Abb.21). Die Entwicklung der nach­folgenden bleibenden Zähne kann dadurch erheblich gestört werden. Beim bleibenden frakturierten Zahn ist die Therapieentscheidung zwischen Extraktion oder Zahnerhaltung – abhängig vom Zahnalter und Lokalisation. Dies muss röntgentechnisch abgesichert werden.


Abb.18: Persistierende Milchzähne


Abb.19 u. 20: Persistierender Caninus, Hypodontie, Milchzahn in Resoption


Abb.21: Abgebrochener Milchzahn, Zahnfistel

Gingivitis und Mucositis

Hundewelpen sind seltener als Katzen von Gingivitis betroffen. Nicht ausgefallene Milchzähne (Abb.18) oder schlechte Mundhygiene vor allem bei kleinen Rassen können ursächlich sein. Bei der juvenilen Gingivitis der Katze, einem Phänomen, das bisweilen während des Zahnwechsels auftritt (Abb.22), kann ein vorsichtiges Abtragen der proliferativen Gingiva (Abb.23) zur Heilung führen. Dabei ist streng darauf zu achten, dass mindestens ein milli­meterbreiter Gingivasaum erhalten bleibt. Katzenwelpen mit umfangreicher Gingivitis und Mucositis sollten einem Test der Infektionskrankheiten wie FelV und FIV unterzogen werden. Früh auftretende und sehr ausgedehnte Erkrankungen des Zahnhalteapparates können in gravierenden Fällen eine zeitige Reihenextraktion notwendig machen und dadurch zu ­einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität führen.


Abb.22: Juvenile Gingivitis (Prä-OP)


Abb.23: Juvenile Gingivitis (Post-OP)


Abb.24: Persistierende Milchzähne, Zahn- und Kieferfehlstellung

take home

Hunde und Katzen leiden häufig unter Erkrankungen der Maulhöhle und der Zähne. Jeder Hunde- und Katzenwelpe sollte spätestens im Alter von zwölf Wochen und nochmals gegen Ende des Zahnwechsels eingehend tierzahnheilkundlich untersucht werden, um im Bedarfsfall eine rechtzeitige Therapie einleiten zu können.

Fotos: © Tierklinik Oberhaching

HKP 6 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2015.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.