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Wann ist es autoimmun oder immun-mediiert?

Krustige Katzen und borkige Hunde

Jeder kennt sie aus der Praxis – die Hauterkrankungen mit den seltsamen sowie fast nicht ­aussprechbaren Namen wie Pemphigus foliaceus oder Lupus erythematosus. Aber wann ist es autoimmun und wann handelt es sich eher um eine krustige oberflächliche Pyodermie, die ­wesentlich einfacher zu behandeln ist?

Dieser Artikel beschreibt die häufigsten autoimmunen und immun-mediierten Haut­erkrankungen, ihre Ursachen und Symptome, diagnostische Verfahren und die Therapieempfehlung. Die Entstehung einer immun-mediierten Erkrankung erfolgt durch endogene (Bsp.: Bakterien, Viren) oder exogene (Bsp.: Medikamente, Impfungen) Faktoren, die das Immunsystem in Alarmbereitschaft setzen und aktivieren. Das fremde Antigen initiiert einen entzündlichen Prozess, der in einem organ­spe­zifischen Defekt, in diesem Fall der Haut, endet. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Medikamentenreaktion oder auch eine Vaskulitis. Bei einer auto-immunen Reak­tion entstehen bestimme Antikörper gegen Strukturproteine der Haut, was zu einer Zerstörung der normalen Architektur führt. Autoimmune Erkrankungen sind eine ­Unterform von immun-mediierten Erkrankungen. Ihr Schweregrad hängt von Auf­gabe und Lage der Zielstruktur ab. Charakteristische Merkmale für die Erkrankungen sind zum einen eine unüblich symmetrische Verteilung der Läsionen, zum anderen kein Ansprechen auf eine adäquate antimikrobielle Therapie. Weiterhin sind häufig mittelalte Tiere betroffen und ein Kommen und Gehen der Hautveränderungen („Wax and Wane“) ist möglich. Am häufigsten beim Hund, bei der Katze fast ausschließlich zu sehen ist der Pemphigus foliaceus (PF). In absteigender Reihenfolge kommen beim Hund diskoidaler Lupus erythematosus (DLE), Vaskulitis und Pemphigus erythematosus vor. Sicherlich gibt es noch weitere auto-immune Hauterkrankungen, die aber aus Platzgründen nicht alle beschrieben werden können.


Abb.1 Verteilungsmuster der Desmogleine.

Der Pemphigus-Komplex

Für PF sind einige Ursachen bekannt. Beim Hund wurden als Auslöser die Antibiotika Cephalexin und Trimethoprim/Sulfonamid, bei der Katze Ampicillin und das Schmerzmittel Metamizol nachgewiesen. Chronische Hauterkrankungen und vor allen Dingen UV-Licht können ebenfalls einen PF aus­lösen. Leider ist die Ursache nicht immer erkennbar und es kommen auch spontane PF-Fälle vor. Die Pathophysiologie ist ­jedoch immer ähnlich und unterscheidet sich nur durch das angegriffene Strukturprotein. Der akantholytische Prozess entsteht durch Autoantikörper, die sich gegen intraepidermale Zellantigene, so genannte Desmogleine (Dsg), richten (Abb. 1). Beim PF sind es Autoantikörper, die sich gegen das oberflächlich liegende Dsg 1 richten, beim Pemphigus vulgaris (PV) bspw. werden sowohl Dsg 1 als auch das tiefer ­liegende Dsg 3 angegriffen, was zu einer wesentlich tieferen Ulzeration in der Haut führt. Eine ­Reaktion mit Zell-zu-Zell-Molekülen (Cadherinen) führt zur Separation der Epidermalzellen und Akantholyse. Diese akantholytischen Zellen sind bei einer zyto­­logischen Untersuchung unter dem ­Mikroskop zu erkennen und typisch für PF (Abb. 2). Der Verlust der intrazellulären Verbindung führt zur Bildung von Bläschen, ­Pusteln oder Bullae.


Abb.2 Massenweise neutrophile Granulozyten und weniger akantholytische Zellen (rund mit dunklem Zellkern).


Abb.3 Pemphigus foliaceus bei einem Galgo, konfluierende Krusten auf dem Stamm.

Verteilungsmuster der Pusteln und Krusten

Beim Hund bilden sich gerne Krusten auf dem Nasenrücken, an den Ohrmuscheln und periokulär entsteht ein Schmetterlingsmuster. Weiterhin können auch die Ballengrenzen und der Stamm (Abb. 3) betroffen sein. Bei der Katze sind die Veränderungen auch fazial (Abb. 4). Sehr häufig findet man ein käsig-schmieriges Sekret im Nagelbett und auch die Brustwarzen können betroffen sein. Juckreiz und Schmerzen sind beim PF sehr variabel. Bläschen und ­Pusteln verschmelzen gerne zu verkrustenden Flächen. Eine Ulzeration indiziert eine tiefer liegende Erkrankung (Bsp.: PV) und/oder eine sekundäre Infektion. Zusätzlich können die Tiere vergrößerte Lymphknoten haben, Ödeme, Depression und Fieber sind nicht selten. Bei betroffenen Ballen oder Nagelbetten zeigt sich außerdem eine Lahmheit.

Aber wie finde ich heraus, ob es sich um eine auto-immune oder immun-mediierte Erkrankung handelt? Den höchsten Stellenwert hat sicherlich eine ausführliche Anamnese. Wann traten die ersten Symptome auf? Hat es sich seitdem verändert? Wie fühlt sich das Tier? Fieber? Wurde das Tier vorbehandelt und wenn ja, wie war die Wirkung auf die Medikamente? Ist Juckreiz vorhanden? Danach erfolgt eine komplette allgemeine Untersuchung, bei der vor allen Dingen auch die Lymphknoten abgetastet und Temperatur gemessen werden sollte. Bei der speziellen Hautunter­suchung liegt das Augenmerk auf dem Verteilungsmuster der Veränderungen und der Beschaffenheit der Pusteln – alle intakt? Konfluierende Flächen? Nun sollten bei ­jedem Tier oberflächliche und tiefe Hautgeschabsel genommen werden, um Parasiten wie Sarcoptes und/oder Demodex auszuschließen. Unerlässlich ist weiterhin, eine Pilzkultur anzulegen, weil sich Dermatophytosen gerade bei der Katze auch krustig-schuppig präsentieren. Eines der wichtigsten diagnostischen Mittel ist die Zytologie. Hilfreich ist das Aufsuchen einer intakten Pustel und vorsichtige Öffnen mit einer Kanüle. Mit dem Objektträger werden nun direkt die Zellen aufgenommen und angefärbt. Bei einem PF besteht das typische Zellbild aus intakten neutrophilen Granulozyten und akantholytischen Zellen (Abb. 2). Um eine hundertprozentige Diag­nose zu erhalten, müssen jedoch mehrere Hautbiopsien entnommen werden, da auch chronische Pyodermien in der Zytologie akantholytische Zellen enthalten können. Hierfür sucht man sich am besten intakte Pusteln auf, die man im Ganzen entfernt und in Formalin einbettet. Auf keinen Fall sollte die Haut vorher desinfiziert oder Krusten entfernt werden, da der Histopathologe genau diese zur Diagnosestellung benötigt.


Abb.4 Pemphigus foliaceus, faziale Verteilung bei einer Maine-Coone.


Abb.1 DLE bei einem Australian Shepherd.

Therapieempfehlung

Mittel der Wahl sind Corticosteroide in hoher Dosierung. Zu Beginn eignet sich eine Induktionsphase von Prednisolon (Hund 1–2mg/kg 2x tgl.; Katze 2–3mg/kg 2x tgl.) oder Dexamethason (Hund 0,3–0,6mg/kg 1x tgl. / Katze 0,4–1mg/kg 1x tgl.). Ein Ansprechen auf die Therapie sieht man ein bis zwei Wochen später. Wenn es dem Tier schlechter geht oder keine Besserung der Symptomatik (Verringerung der Pusteln/Krusten und des Allgemeinbefindens) stattfindet, muss die Diagnose überdacht bzw. an Sekundärinfektionen und/oder Demodikose gedacht werden. Sehr wichtig ist ein sehr langsames Ausschleichen aus der Corticoidtherapie. Eine zu schnelle Reduktion kann zu frühen und sehr heftigen Rezidiven führen. Eine niedrige Erhaltungs­dosis von Prednisolon (Hund 0,5–2mg/kg jeden 2. Tag/Katze 1–4mg/kg jeden 2. Tag) oder Dexamethason (Hund 0,05–0,1mg/kg alle 2–3d / Katze 0,1–0,2mg/kg alle 2–3d) wird angestrebt und ist je nach PF-Ursache auch möglich. Trotzdem hat eine Therapie mit Cortison in diesen Dosierungen ihre typischen Nebenwirkungen. Kurzfristig zeigen sich Polydipsie/Polyurie, Polyphagie, Hecheln, Durchfall, auch eine Verhaltensänderung ist möglich. Generell vertragen Katzen Corticoide besser als Hunde. Die klassischen, langfristigen ­Nebenwirkungen sind Stammfettsucht, Leberverfettung, Alopezie, Calcinosis cutis, Demodikose, sekundäre Hautinfektionen, stille Zystitis, Diabetes und Pankreatitis. Unterstützend sind eine Hydrotherapie (Whirlpool) oder Tauchbäder, die Krusten lösen und sich lindernd auswirken. Fettarmes Futter kann einer Pankreatitis ­vorbeugen. Starke UV-Licht- Einstrahlung sollte unbedingt vermieden werden, vor allen Dingen bei einem nachgewiesenen Pemphigus erythematosus.

Ungefähr die Hälfte der betroffenen Tiere braucht zusätzlich andere immunmodulierende Medikamente, weil entweder die Nebenwirkungen der Corticosteroide zu massiv oder der Therapieerfolg ungenügend ist. Beim Hund (nicht bei der Katze anwenden!) wird zusätzlich Azathioprin (Hund 1–2mg/kg 1x tgl.) oder bei beiden Spezies Chlorambucil (Hund + Katze 0,1–0,2mg/kg 1x tgl. oder jeden 2. Tag) eingesetzt. Da beide Medikamente zu einer Knochenmarksdepression führen können, ist es wichtig, alle zwei Wochen die Hämatologie und klinische Chemie zu kontrollieren. Als alternative Therapie kann Ciclosporin A (5mg/kg 1x tgl.) versucht werden, für lokalisierte Stellen bietet sich Tacrolimus-Salbe 0,1% an.

Andere Autoimmunerkrankungen werden häufig mit ähnlich hohen Corticoid-Dosierungen behandelt. Beim diskoidalen Lupus erythematosus (Abb. 5) reicht meistens eine rein lokale Therapie mit Corti­coid- oder Ciclosporin A-haltigen Salben, Sonnenschutz und Vermeidung von UV-Licht. Sehr wichtig ist auch hier die Diagnose per Biopsie zu bestätigen, weil sich eine mukokutane Pyodermie sehr ähnlich äußert. Bei der Vaskulitis handelt es sich um einen immun-mediierten Prozess, dessen Ursachen sehr vielfältig sein können und häufig auch leider idiopathisch sind. Auch hier stellt sich die eindeutige Diagnose nur über eine Biopsie, wobei es für den Histopathologen häufig sehr schwer ist, zwischen echter Vaskulitis und physiologischer ­Migration von Leukozyten durch die Gefäßwand zu unterscheiden. Prednisolon ist auch hier Mittel der Wahl, allerdings sollte man immer versuchen, die Dosis so gering wie möglich zu halten. Unterstützend bieten sich essenzielle Fettsäuren an und zur verbesserten Gefäßdurchblutung Pento­xifyllin (Hund 10–15mg/kg 3x tgl. – Achtung: für den Hund ist nur Propentofyllin – Karsivanâ zugelassen).

take home

// Auf ausführliche Anamnese, Gesamtzustand des Tiers, Vorbehandlungen und Verteilungsmuster der Läsionen achten
// Nie ohne eindeutige Diagnose behandeln (Hautbiopsien)
// Behandlungen engmaschig kontrollieren (zu Beginn wöchentlich)
// Im Falles eines Rezidivs an sekundäre Infektionen und/oder Demo­dikose denken, ggf. Re-evaluation der Diagnose
// Langsam aus Corticoid-Gaben rausschleichen

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HKP 7 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2013.
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