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Pruritus beim Hund – was kann man tun?

Pruritus beim Hund – was kann man tun?

Wenn’s mal wieder juckt

Nahezu täglich wird in der Tierarztpraxis ein Hund oder eine Katze mit Juckreiz vorgestellt. Eine gezielte Anamnese und die genaue Benennung und Untersuchung der Hautveränderungen führen in den meisten Fällen zu einer sicheren Diagnose.

Die Anamnese – ein wichtiger Meilenstein

Da bei Erkrankungen des Organs Haut die Veränderungen so schön sichtbar und „greifbar“ sind, neigt man gelegentlich dazu, sich nur auf die veränderten Stellen zu konzentrieren. Um die infrage kommenden Differentialdiagnosen jedoch weitestgehend einzugrenzen, sollte die Anamnese vor dem ersten Blick auf das Tier und sehr ausführlich aufgenommen werden. Anhand von Beispielen soll im Folgenden erläutert werden, welche Fragen im Rahmen der Anamnese bei dem Verdacht auf bestimmte, mit Juckreiz einhergehende Erkrankungen unbedingt zu klären sind.


Alopezie, Erythem und Braunfärbung der Haut und Nagelfalze bei einem Hund mit einer Malassezienpododermatitis

Beispiel Sarcoptesräude

Bei ihr setzt der Juckreiz in der Regel sehr plötzlich ein. Der Juckreiz ist derart extrem, dass die Hunde sich kaum davon ablenken lassen und sich sogar beim Spaziergang kratzen. Gezielte Fragen in diese Richtung und auch weitere – wie z.B. an welchen Stellen sich der Hund kratzt (bei der Sarcoptesräude sind unter anderem die Außenseite der Ellbogen und der Tarsi pathognomisch) und ob der Besitzer oder Kontakttiere ebenfalls Symptome haben – sind erste Schritte zur Diagnose.


Alopezie, Erythem, Krusten und Flohkot am Rutenansatz eines Hundes mit einer Flohspeichelallergie

Beispiel Umweltallergie

Sie verhält sich symptomatisch ähnlich der Sarcoptesräude, beginnt aber zumeist mit leichtem, sich im Laufe der Zeit steigerndem Juckreiz. Sie beginnt bei Hunden in der Regel zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. Hier muss der Besitzer gezielt nach dem zeitlichen Auftreten des ersten Symptoms befragt werden, ebenso wie nach einer eventuellen ­Saisonalität der Symptome.

Beispiel Futtermittelallergie

Sie kann zu jedem Zeitpunkt im Leben eines Tieres auftreten. Ist der Hund beim Auftreten der ersten Symptome jedoch jünger als ein Jahr oder älter als drei Jahre, ist eine Futtermittelallergie wesentlich wahrscheinlicher als eine Umweltallergie. Da Futtermittelallergiker oftmals auch Veränderungen in der Häufigkeit des Kotabsatzes und dessen Konsistenz, ­Borborygmus oder Flatulenzen zeigen, können Fragen in diese Richtung ebenfalls nützlich sein.


Erythematöse Papeln am Unterbauch eines Hundes mit Sarcoptesräude

Beispiel flohallergische Dermatitis

Bei einem Verdacht auf eine flohallergische Dermatitis ist es sehr wichtig, dass die Besitzer gefragt werden, ob schon einmal ein Flohbefall vorlag, denn das wird gerne „verheimlicht“. In vielen Fällen stellt sich heraus, dass das Tier bisher nicht korrekt behandelt wurde.

Beispiel Demodikose

Sie ist eine Erkrankung, bei der in der Regel primär kein Juckreiz beschrieben ist. Es treten hier zu Beginn vereinzelt leicht erythematöse oder gräuliche alopezische Stellen auf, an denen häufig Komedonen zu finden sind. Juckreiz entsteht in der Regel erst, wenn die Läsionen sekundär bakteriell infiziert sind. Daher ist es hier sehr wichtig zu erfragen, ob die haarlosen Stellen schon vor Beginn des Juckreizes vorhanden waren.


Hypotrichose mit leicht erythematöser Haut im Gesicht bei einem Hund mit einer Pyodermie

Lokalisation des Juckreizes und der Hautveränderungen gibt wichtige Hinweise

Einige mit Juckreiz verbundene Hauterkrankungen können anhand der Lokalisation des Juckreizes relativ gut voneinander unterschieden werden. Das Kardinalsymptom der Flohspeichelallergie ist Juckreiz im hinteren Rückenbereich. Differentialdiagnostisch kommen bei Juckreiz im Rückenbereich in erster Linie die Cheyletiellose und eine Futtermittel­allergie infrage. Letztere ist von einer Umweltallergie oftmals schwer zu unterscheiden, allerdings ist der Rückenbereich bei der Umweltallergie so gut wie nie betroffen. Sowohl die Umweltallergie als auch die Futter­mittelallergie zeichnet sich durch Juckreiz im Gesichtsbereich, an den Ohren, den Pfoten, im Achselbereich und am Unterbauch aus. Die Umweltallergie ähnelt in ihrer Symptomatik wiederum der Sarcoptesräude. Bei ­Letzterer kratzt sich der Hund jedoch verstärkt an der Außenseite der ­Ell­bogen- und Tarsalgelenke – im Gegensatz zur Umweltallergie, bei der eher die Ellbeugen, die Achseln und der Inguinalbereich betroffen sind.

Die genaue Beschreibung und detaillierte Untersuchung der Haut­veränderungen ergibt in vielen Fällen die Diagnose

Treten als Hautveränderungen Erytheme in Erscheinung, ist deren Lokalisation für das weitere diagnostische Vorgehen entscheidend. Erytheme im Achsel- oder Leistenbereich deuten auf ein allergisches Geschehen hin. Fokale Erytheme, die mit weiß-gräulichen Schuppen behaftet sind, sprechen für das Vorliegen einer Dermatophytose. Für das Auftreten von ­Papeln, beispielsweise am Bauch, kann ein allergisches Geschehen ­ursächlich sein. Befinden sich die Papeln jedoch außerdem an den ­Außenseiten von Ellbogengelenk, Tarsus und an den Pinnae, ist das Vorliegen einer Sarcoptesräude wahrscheinlich. Bei der flohallergischen ­Dermatitis treten die Papeln am Rücken auf. Pusteln treten vor allem bei bakteriellen Entzündungen, der Demodikose, der Dermatophytose oder dem Pemphigus foliaceus auf. Bakterielle Entzündungen und gegebenenfalls auch der Pemphigus foliaceus lassen sich durch eine zytologische Untersuchung, die Demodikose durch tiefe Geschabsel ausschließen. Schuppenkränze entstehen aus eingetrockneten Pusteln oder Bläschen. Mithilfe der zytologischen Untersuchung sind in der Regel Bakterien und Entzündungszellen nachweisbar. Krusten auf der Haut entstehen durch das Eintrocknen von Blut und Entzündungssekret. Die zytologische ­Untersuchung der Haut­veränderung unterhalb der Kruste lässt oftmals Bakterien erkennen, die haupt- oder mitverantwortlich für den Juckreiz sind. Eine Lichenifikation der Haut, die zumeist mit einer Hyperpigmentierung einhergeht, weist auf einen bereits länger bestehenden Prozess hin. Die zytologische Untersuchung dieser Veränderungen mittels eines Abklatschpräparates verdeut­licht in vielen Fällen das Vorliegen einer ­Infektion mit Bakterien oder Hefepilzen.


Lichenifikation, Hyperpigmentierung und Erythem bei einer französichen Bull­dogge mit hoch­gradiger Pyodermie und Malassezien­dermatitis. Zugrunde liegt hier eine Atopie

Ursächliche Therapie ist nicht immer möglich

Da Bakterien sehr häufig Haupt- oder Mitverursacher von Juckreiz sind, ist die zytologische Untersuchung von Hautveränderungen sehr wichtig. Die gezielte antibiotische Therapie führt meist zu einem drastischen Rückgang des Juckreizes. Stellt sich bei der zytologischen Kontrollunter­suchung (nach ca. 10 bis 14 Tagen) heraus, dass weiterhin eine Infektion mit Bakterien vorhanden ist, sollte eine bakteriologische Untersuchung inklusive Antibiogramm durchgeführt werden. Die antibiotische Therapie ist immer über die Abheilung hinaus fortzuführen. Und zwar bei oberflächlichen Pyodermien über ­einen Zeitraum von bis zu einer Woche, bei tiefen Pyodermien hingegen für eine Dauer von bis zu drei Wochen. Kommt es nach der Ausheilung zu einem Rezidiv der Pyodermie, liegt in der Regel eine Grunderkrankung wie z.B. eine Umwelt- oder Futtermittelallergie oder auch ­eine endokrinologische Erkrankung vor. Eine Infektion mit Hefepilzen (Malassezien) löst ebenfalls sehr häufig Juckreiz aus und kann mithilfe einer zytologischen Untersuchung leicht diagnostiziert werden. Die topische Therapie mit einem miconazolhaltigen Shampoo oder die systemische Therapie mit Itraconazol oder ­Ketoconazol führt hierbei zu einer schnellen Linderung des Juckreizes.

Besteht bei einem Patienten mit Juckreiz der Verdacht auf ein para­sitäres Geschehen, ohne dass aber Milben oder Flöhe nachgewiesen werden können, sollte immer eine Verdachts­behandlung durchgeführt werden. Lässt der Juckreiz bei einem Verdacht auf Sarcoptes­milben oder Cheyletiellen nach der dreimaligen Gabe von Selamectin im Abstand von zwei ­Wochen nicht nach, können diese Erkrankungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die flohallergische Dermatitis spricht schon auf die einmalige Gabe spinosadhaltiger Medikamente sehr gut an. Bei dem Verdacht auf ein allergisches Geschehen sollte zunächst eine Futtermittelallergie mittels einer konsequenten Diät ausgeschlossen werden. Vor deren Beginn und in ihrem Verlauf muss sichergestellt sein, dass keine bakterielle oder hefepilzbedingte Infektion der Haut vorliegt. Führt eine konsequent durchgeführte Ausschlussdiät zu keiner Besserung, handelt es sich wahrscheinlich um eine Umweltallergie. Mithilfe eines Allergietests (IG-E Bestimmung im Serum oder Intrakutantest) können die für die Umwelt­allergie relevanten Allergene identifiziert und für eine ­anschließende ­Desensibilisierung genutzt werden. Die Desensibilisierung ist üblicherweise aber nur ein Baustein der Therapie, denn die Gabe von Omega-3-Fettsäuren, Antihistaminika, Sham­poo­behandlungen und gelegentlich die parallele Verabreichung von Kortikosteroiden, Ciclosporin A oder Oclacitinib komplettieren die Therapie.

take home

Neben einer detaillierten Anamnese ist die genaue Beschreibung und Untersuchung der Hautveränderungen ein entscheidender Schritt zur Diagnose. Bei vorhandenen Hautläsionen sollten Hautgeschabsel je nach Verdacht, zytologische Untersuchungen aber immer durchgeführt werden. Die gezielte Behandlung von Sekundärinfek­tio­nen führt meist zu einer deutlichen Linderung des Juckreizes. Bei rezidivierenden Veränderungen muss die zugrundeliegende Primärerkrankung diagnostiziert werden.

Foto: © istockphoto.com, stray_cat

HKP 4 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2015.
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