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Kranke Katzenaugen

Kranke Katzenaugen

Keratokonjunktivitis der Katzen durch Herpes

Als eines der häufigsten Erreger von Entzündungen der Bindehaut und der Hornhaut bei Katzen wird das feline Herpes-Virus (FHV-1 ) angesehen. Die wichtigsten Symptome sind Konjunktivitis, ulzerative Keratitis, Schnupfen mit Augen – und Nasenausfluss und follikuläre Laryngitis. Dr. Hannes Meißel berichtet über die Keratokonjunktivitis der Katze durch Herpes und zeigt auf, dass das klinische Bild der Erkrankung sehr stark variieren kann, da individuelle Immunität, Potenzierung durch andere Viren und bakterielle Infektionen die Ausprägung der Probleme beeinflussen.

Die Virusübertragung erfolgt durch Kontakt, meist aber durch Tröpfcheninfektionen nach Ausscheidung über Nasen- und Augensekret sowie über den Speichel. Katzen, die von der Erkrankung genesen, können über lange Zeit als Virusausscheider infrage kommen. Das Virusreservoir sind genesene Dauerausscheider sowie klinisch inapparent infizierte Tiere. Die Problematik der Erkrankung liegt darin, dass ca. 80 % der an FHV-1 erkrankten Katzen als latente Überträger mit einer 45 % igen Chance der Reaktivierung des Virus an der Verbreitung der Infektion beteiligt sind.
Nach intranasaler Inokulation verursachen die Herpes-Viren Lysis und fokale Nekrosen im Schleimhautepithel des oberen Respirationstraktes; Konjunktiva und Kornea sind gleichermaßen betroffen. In den meisten Fällen bleibt die Infektion hier lokalisiert, nur selten kommt es zur Mitbeteiligung der Lunge. Infektionen des Geschlechtstraktes werden immer bei generalisierten Infektionen beobachtet, da das Virus eine hohe Affinität für den trächtigen Uterus besitzt; dies führt zu Aborten und Infektionen der Feten in utero. Die Inkubationszeit beträgt 2 – 5 Tage; sie variiert ebenso wie die Dauer der Erkrankung (meist 2 Wochen) je nach inokulierter Virusmenge.
Bei der Herpes-Konjunktivitis kommt es nach einer Erstinfektion zu serösem Augenausfluss und bilateraler konjunktivaler Hyperämie; die zytopathischen Effekte variieren die klinische Symptomatik. In vielen Fällen muss die Primärinfektion keine bleibenden Schäden am Auge hinterlassen.

Man unterscheidet eine Ophthalmia neonatorum unter geschlossenen Lidern als Mischinfektion neben FHV-1 mit Chlamydien und Mykoplasmen, erkennbar als Schwellung der Lider mit Hervortreten eines mukopurulenten Exsudates im nasalen Augenwinkel: Das rasche Öffnen des Ankyloblepharons mittels stumpfer Separation der Lider und Einbringen eine Breitbandantibiotika-Salbe verhindert Symblepharon und Pseudopterygium.
Die neonatale Herpes-Konjunktivitis in der 2. bis 4. Lebenswoche mit verspäteter Öffnung der Lidspalte führt ohne rechtzeitige Behandlung zu Hornhautgeschwür und konsekutivem Symblepharon und/oder Pseudopterygium oder Hornhautperforation.
Unter Symblepharon versteht man die Verwachsung des Lids mit dem Bulbus, speziell aber von Lid- und Augapfelbindehaut oder von Binde- und Nickhaut nach ulzerativer Keratokonjunktivitis. Dabei schiebt sich eine vernarbende Bindehautduplikatur stets unter Miteinbeziehung des vorgefallenen Augenlides lochblendenartig in den verengten und verformten Lidspaltenbereich. Ein Pseudo- oder Narbenpterygium ist eine Bindehautduplikatur, die sich nach ulzerativen Binde- und Hornhautläsionen über den Hornhautdefekt schiebt und in ihrer Ausdehnung fest mit der Unterlage verwachsen ist.

Durch Stressfaktoren kann bei älteren Tieren, die bereits eine Infektion überstanden haben, eine Reaktivierung des Virus stattfinden: Die Katzen erkranken meist an einer bilateralen Konjunktivitis ohne Infektion des oberen Respirationstraktes. Blepharospasmus, Reduktion der Tränenproduktion und Verminderung der Sensibilität der Kornea treten begleitend auf; da die Katzen sehr sensible Lebewesen sind, kommen als Stressfaktoren viele, auch eher harmlose Änderungen infrage: Ein neues Tier wird vorübergehend oder bleibend in der Familie aufgenommen, ein neuer Lebenspartner oder Gäste stören den Alltag, Urlaub oder Umstellungen in der Wohnung irritieren die Katze, Tierarztbesuche wegen Impfung oder Narkose stressen die Katze, Lärm durch Handwerker im Haus oder Geruchsbelästigungen können die Katze erheblich stören.
Die Eosinophile Konjunktivitis wird mit FHV-1 in Verbindung gebracht, obwohl die Ursache noch nicht vollständig geklärt ist; sie ist möglicherweise eine immunvermittelte Spätform der Herpes-Konjunktivitis. Sie zeigt sich als höckrige Bindehautverdickung, pseudomembranöser Belag und Neigung zur Keratokonjunktivitis sicca. Bei der Herpes-Keratitis unterscheidet man zwischen der postnatalen und der juvenilen oder adulten Infektion.
Große und tiefe Hornhautdefekte findet man bei der postnatalen Manifestation der neonatalen und früh-juvenilen Mischinfektionen des oberen Respirationstraktes sowie der Binde- und Hornhaut. Diese Defekte werden zunächst mit einem pannusartigen Granulationsgewebe repariert, das später in ein vaskularisiertes Bindegewebe (Narbenpterygium) übergeht. Je nach Umfang des vorangegangenen Substanzverlustes bedeckt es teilweise oder vollständig die Hornhaut; die Lidspalte wird erheblich verkleinert und verformt.

Ähnlich wie bei der Konjunktivitis tritt die eigentliche Herpes-Keratitis ab dem 6. Monat nach bereits überstandenen Primärinfektion zumeist ohne respiratorische Symptome und gelegentlich ohne auffallende Bindehautrötung auf. Die charakteristischen multiplen oberflächlichen, punktförmigen oder dendritischen Hornhautdefekte sind mit freiem Auge schon oft erkennbar; Färbungen mit Fluorescein-Natrium oder Bengal- Rosa verbessern die Diagnostik. Gleichzeitig auftretende Erosionen können ohne Behandlung leicht zu einem Ulcus corneae führen; wahrscheinlich durch bakterielle Sekundärinfektionen kann sich eine Descemetozele mit Perforationsgefahr entwickeln.
Die chronische Keratokonjunktivitis kann auch in eine eosinophile Keratitis mit Tendenz zur Keratokonjunktivitis sicca übergehen oder in eine stromale Keratitis mit diffusem Hornhautödem, oberflächlicher Vaskularisierung und Neigung zur vernarbenden Fibrose, fettiger Hornhautdegeneration sowie zur Hyperkeratose der Hornhaut. Die eosinophile Keratitis kann durch autoimmune Entgleisung aus der Herpes- Keratitis hervorgehen. Typisch sind die weißen Plaques auf der Hornhaut und eine pannusartige Vaskularisation der Kornea. Zytologisch werden eosinophile Granulozyten und Mastzellen nachgewiesen.

Die schwarze Hornhautnekrose (Cornea nigra, Hornhautsequester) ist Ausdruck einer chronischen Irritation der Kornea, bei der zumindest teilweise Herpesviren nachgewiesen wurden. Diese Erkrankung, die speziell bei Katzen vorkommt, betrifft ein oder häufiger beide Augen, wobei beide Augen nicht zeitgleich betroffen sind. Da besonders brachyzephale Katzen – eventuell mit nasalem Entropium – erkranken, macht man korneale Mikrotraumata für das Entstehen der dunkel pigmentierten Läsion verantwortlich; auch Störungen im lokalen Mechanismus des Hornhautmetabolismus können beteiligt sein. Die Läsionen befinden sich meist im Zentrum der Kornea; Teile der Kornea sterben ab, die Nekrose nimmt an Umfang zu und geht in eine lackartig glänzende, trockene, schwarze Plaque über, die sich am Rande demarkiert und manchmal die Tendenz hat, sich von der Hornhaut zu lösen, was sehr selten auch tatsächlich stattfindet. Später kommt es zur oberflächlichen Vaskularisation und Ausbildung eines granulierenden Walls am Sequesterrand. Histopathologisch findet man im Sequester degeneriertes Kollagen und Fibroblasten mit einer angrenzenden Zone aus Lymphozyten, Plasmazellen, neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Riesenzellen. Die Farbe der Nekrose variiert von Hellbraun zu Schwarz; das Pigment entsteht nicht aus Melanin; sondern durch eine Stoffwechselstörung der Hornhaut durch Polymerisierung der oxidierten Formen von Tyrosin, DOPA, Epinephrin und Katecholaminen.

Für die Behandlung der Keratokonjunktivitis der Katzen durch Herpes stehen uns je nach Schwere und Form der Erkrankung unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Da bei der Entstehung Stress ein äußerst wichtiger Auslöser ist, soll man bei der Therapie darauf Rücksicht nehmen, die Katze durch den Aufwand der Behandlung nicht zusätzlich zu stressen. Gerade die Katzen mit ihrer Abneigung für nahezu jede Art von Medikamenten stellen den Besitzer vor große Probleme. Zum Glück gelingt es uns in letzter Zeit mit zwei relativ einfach zu applizierenden Medikamenten, wenn sie rechtzeitig eingesetzt werden, der Katze entscheidend zu helfen: ¼ Tablette Famciclovir
(z. B. Famvir) über mindestens 3 Wochen und täglich lebenslang Lysin in Form einer sehr bekömmlichen Paste (z. B. Enisyl – F von Vetoquinol). Bei manchen Katzen muss Famiclovir auch lebenslänglich gegeben werden. Beide Präparate werden sehr gut vertragen, lediglich bei sehr kleinen Katzen wurden leichte zentralnervale Störungen beobachtet, welche aber nach Absetzen des Medikamentes ohne Folgen sofort wieder verschwanden.

Zusätzlich – je nach Notwendigkeit – können lokal auch Virostatika wie Triherpine oder Trifluman in Tropfenform eingesetzt werden; vorübergehende Rötungen der Konjunktiva oder vermehrtes Blinzeln werden gelegentlich beobachtet. Antibiotika gegen Sekundärerreger, Tränenersatz wie Protagent und Interferon als felines rekombinantes
Interferon (Virbagen omega in NaCl 0,9 % 1:10 (500.00 U/ml)) können ergänzend eingesetzt werden. Trockenes Debridement mit einem Wattetupfer nach lokaler Anästhesie (z. B. Novain- Tropfen) und/oder Touchieren mit 3,5 % Solutio Jodi spirituosa kann den Heilungsprozess verbessern.
In besonders schwerwiegenden Fällen und bei der schwarzen Hornhautnekrose wird unter dem Operationsmikroskop eine superfizielle Keratektomie durchgeführt. Obwohl es klar ist, dass man die Viren nicht wegschneiden kann, gelingt es durch das Entfernen der Hornhautschichten, die Situation zu beruhigen und eine stabile, schmerzfreie Hornhaut zu erlangen. Das chirurgische Vorgehen bei Symblepharon und Narbenpterygium ist meist nicht erfolgversprechend; die Ergebnisse aller Bemühungen sind sehr frustrierend und führen meistens nur zu vorübergehenden Verbesserungen.

hannes.meissel@tierklinik-oberalm.at

HKP 5 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2009.
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