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Neu- und Altweltkameliden – eine wachsende Herausforderung für Tierärzte

Zuwachs aus Südamerika

In den letzen Jahren haben das Interesse an und die Haltung von Neuweltkamelen in vielen Ländern Europas sehr stark zugenommen. Während vor noch etwa zwei Dekaden Lamas, Alpakas, Guanakos und Vicunjas fast ausnahmslos in Zoos und Tierparks gehalten wurden, werden in der Zwischenzeit schätzungsweise 10.000 bis 15.000 Lamas und Alpakas in Deutschland sowie 3.000 bis 4.000 dieser Tiere in Österreich gehalten. Die Tiere werden dabei vielfältig genutzt, die Spanne reicht von reinen Hobbytieren zum Einsatz im Tourismus (z.B. Lamatrekking) über den Einsatz zu therapeutischen Zwecken (z.B. Therapie von demenzkranken oder autistischen Menschen) bis hin zu Zuchttieren und zur Wollproduktion für hochwertige Textilien.

Lamas und Alpakas sind die domestizierten Arten der Neuweltkameliden, die wie ihre wildlebenden Verwandten, die Guanakos und Vicunjas, aus Südamerika stammen. Wie der Name sagt, gehören diese Tierarten ebenso wie die Altweltkamele (Dromedar und Trampeltier) zu den Kamelen. Obwohl diese Tiere wiederkäuen, gehören sie nicht zu den Wiederkäuern (Ruminantia), sondern zu den Schwielensohlern (Tylopoden). Kamele zeichnen sich durch spezifische anatomische und physiologische Eigenschaften aus. Da sie also weder große Schafe oder Ziegen noch kleine Rinder oder Pferde sind, bedarf es spezifischer Kenntnisse, um die Tiere erfolgreich halten und züchten zu können. Ebenso bedarf es einer gewissen Spezialisierung als Tierärztin/Tierarzt, um die Halter und Züchter entsprechend beraten und die Tiere adäquat behandeln zu können.

Haltung

Obwohl Grundbedürfnisse bei der Haltung festgeschrieben sind, werden Lamas und Alpakas sehr unterschiedlich gehalten. Neben reinen Hobbyhaltungen ohne Zucht von zwei oder drei Tieren existiert eine Vielzahl von kleineren Lama- und Alpakaherden bis zu einer Größe von zehn Tieren, die von den Haltern ebenfalls als Hobbyherden geführt werden, jedoch bereits aktiv an der Zucht und an den Shows teilnehmen. Besonders in der jüngeren Vergangenheit wurde ein Trend zu größeren Herden beobachtet, sodass zwischenzeitlich auch Herden von mehreren hundert Tieren existieren. Diese Herden werden professionell geführt, sind in der Zucht und in Shows aktiv und eine Reihe von Haltern importieren zudem Tiere aus dem Ausland. So differierend wie die Haltungsformen, so unterschiedlich sind auch das Wissen und die Fähigkeiten der jeweiligen Halter oder Züchter. Neben Haltern oder Züchtern, die jahre- oder jahrzehntelange Erfahrungen mit der Haltung und Zucht von Neuwaltkameliden oder anderen landwirtschaftlichen Nutztieren besitzen, ist auch ein guter Teil an Haltern und Züchtern als Quereinsteiger zu betrachten, d.h., sie verfügen nicht über Erfahrungen oder einen landwirtschaftlichen Hintergrund.

Zucht

In vielen Ländern sind Kameliden bisher nicht in die offiziellen Viehzählungen eingeschlossen, d.h., die genaue Anzahl der Tiere ist häufig nicht exakt bekannt. Die Zucht wird von Zuchtvereinen organisiert, die auch für die Registrierung der in der Zucht verwendeten Tiere verantwortlich sind. Es gibt verschiedene Vereine, die sich nach Tierarten (reine Lama- bzw. Alpakaverbände), in ihren Zielen, regionalen Gesichtspunkten, den Interessen der Mitglieder (z.B. show- oder zuchtorientiert), den Zuchtzielen, der Organisation und Verwaltung der Zucht sowie in weiteren Kriterien unterscheiden.

Ausbildung und Forschung

Der Anstieg der Tierzahlen führte und führt auch weiterhin dazu, dass eine zunehmende Anzahl von Tierärztinnen und Tierärzten mit diesen Tierarten konfrontiert wird. Dem Rechnung tragend, haben die meisten tierärztlichen Bildungsstätten diese Tierarten inzwischen zu einem gewissen Maß in die Ausbildung einbezogen. Besonders die Kolleginnen und Kollegen, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, sind jedoch während ihres Studiums in der Regel nicht an diesen Tierarten ausgebildet worden. Um die vorhandenen Wissenslücken zu schließen, besteht inzwischen ein recht gutes Angebot an Fortbildungsveranstaltungen, von denen einige – wie z.B. der Neuweltkamelidenworkshop beim Leipziger Tierärztekongress oder die neuweltkamelidenspezifischen Veranstaltungen der DVG-Arbeitsgruppe Zoo- und Wildtiere – schon beinahe zur Tradition geworden sind. Ein weiterer Effekt der zunehmenden Tierzahlen stellt auch das zunehmende Interesse der landwirtschaftlichen und veterinärmedizinischen Forschung an diesen Tierarten dar.

Bestandsbetreuung

Neben der kurativen Tätigkeit gewinnt die Bestandsbetreuung bei Lamas und Alpakas zunehmend an Bedeutung, wobei die Anforderungen an die Tierärztinnen/Tierärzte aufgrund der verschiedenen Herdengrößen, Ausrichtung der Herden, der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Zuchtverbänden und den Kenntnissen der einzelnen Halter sehr verschieden sein können. Neben der Beratung hinsichtlich Haltung, Fütterung und Zucht sowie bei der Vorbereitung von Tieren für Shows spielt die Prophylaxe von Erkrankungen eine große Rolle. Besonders in den größer werdenden Herden stellt die Prophylaxe von parasitären Erkrankungen eine zunehmende Herausforderung für Halter und Veterinäre dar. Generell stehen keine für die Tierarten zugelassenen Medikamente oder Vakzinen zur Verfügung. Weiterhin gilt es zu beachten, dass Neuweltkameliden als Lebensmittel liefernde Tiere betrachtet werden müssen, was den Einsatz von Medikamenten reguliert. Neben spezifischem Wissen über die Tiere sind Kenntnisse über die Empfänglichkeit gegenüber einzelnen Erregern oder über die Wirksamkeit und Darreichungsform von Medikamenten unbedingt erforderlich. Einige wenige Kolleginnen und Kollegen nehmen zudem spezifische Aufgaben in der Zucht wie z.B. veterinärmedizinische Untersuchungen im Rahmen von Zuchtbucheintragungen wahr oder bieten spezielle Dienstleistungen wie Embryotransfer an.

HKP 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.