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Aktuelle Diagnosemöglichkeiten und rechtliche Aspekte beim Sommerekzem

Zum Haare raufen

Durch die zunehmend artgerechte Haltung von Pferden im Freien gewinnt das Sommerekzem immer mehr an Bedeutung. Das klinische Bild eines Sommerekzems zu erkennen bereitet meist keine Schwierigkeiten. Kniffliger wird es bei tierärztlichen Kaufuntersuchungen im Winter und sich hieraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten.

Sommerekzem

Bekannterweise ist das Sommerekzem eine Allergie auf Speichelinhaltstoffe bestimmter Insektenarten. Vor allem Gnitzen (Culicoides ssp.), aber auch Kriebelmücken (Simulium ssp.), Stechmücken (Culex ssp.) und Bremsen (Tabanus ssp.) können diese Allergie auslösen. Begrifflich zu unterscheiden ist das Sommerekzem von der Sommerräude. Sommerräude (oder auch Sommerbluten) wird durch den in der Haut lebenden Wurm Parafilaria multipapillosa hervorgerufen. Als Räude (lat. Scabies) bezeichnet man auch Milbenerkrankungen bei Tieren.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

In der Praxis wird die Diagnose Sommerekzem hauptsächlich anhand der typischen, saisonal auftretenden Symptomatik in Zusammenhang mit einer ausführlichen Anamnese gestellt. Das Hauptsymptom ist allergisch bedingter Juckreiz, der zu massivem Scheuern und zur Selbstverletzung von Haarkleid und Haut führt. Die Veränderungen sind typischerweise an Kopf, Mähnenkamm, Kruppe, Schweifrübe und Bauchnaht lokalisiert. Hierbei ist zu beachten, dass Insektenstiche bei jedem Pferd Bissirritationen hervorrufen, aber nicht alle Pferde eine allergische Reaktion bzw. Hypersensibilität entwickeln. Als krankhaft ist nur eine gesteigerte Immunreaktion zu sehen. Das heißt, dass auch gesunde Pferde im Sommer Juckreiz und einige abgescheuerte Haare aufweisen können, wenn sie unter starkem Insektendruck gehalten werden. Obwohl Gutachter und Gerichte sich einig sind, dass die klinischen Symptome eines an Sommerekzem erkrankten Pferdes auch im Winter meistens sichtbar sind (BGH, 2006), ist es möglich, dass ein Pferd, das im Sommer eine Ekzemerdecke trägt und/oder sehr gut gepflegt wird, trotz seiner Allergie kaum Veränderungen zeigt und somit auch im Winter keine Symptome des Sommerekzems erkannt werden können (Abb. 1 und 2). In der symptomfreien Zeit und in Streitfällen können verschiedene Allergietests hinzugezogen werden.

Testverfahren

In vivo-Intrakutantest

Beim Intrakutantest werden verschiedene Testsubstanzen in einem geschorenen Hautareal an der Halsseite intradermal appliziert und die Hautreaktionen in regelmäßigen Zeitabständen mit einer Positivkontrolle (Histamin) und einer Negativkontrolle (z.B. Na-Cl-Lösung) verglichen. In der Praxis wird dieser Test kaum durchgeführt, da er relativ aufwändig in der Durchführung ist und ein hohes Risiko falschpositiver und falschnegativer Ergebnisse aufweist. Zudem sind allein die Culicoides-Arten in den einzelnen geografischen Regionen so verschieden, dass nicht immer die passenden Antigene zur Verfügung stehen [1].

In vitro - Fc-Rezeptor-Test

Dieser Test (z.B. Allercept®, Heska) muss durchgeführt werden, wenn Allergenkontakt besteht, also im Sommer, wenn auch klinische Symptome vorhanden sind. Es wird allergenspezifisches IgE aus dem Serum nachgewiesen. Falschpositive Ergebnisse sind relativ häufig [2].

Equine CAST-Test

Beim Equine CAST-Test (z.B. Laboklin GmbH & Co.KG) werden basophile Granulozyten aus dem Vollblut isoliert und im Reagenzglas mit Allergenen, die für das Sommerekzem hauptverantwortlich sind, zusammengebracht. Gemessen wird dann mittels ELISA die Menge an Leukotrienen als Maß für die Sensibilisierung. Dieser Test kann saisonunabhängig durchgeführt werden. Es können sowohl falschpositive als auch falschnegative Ergebnisse vorkommen [3].

FIT-Test

Der funktionelle Invitro-Test (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover) ist der in forensischem Zusammenhang vornehmlich eingesetzte Allergietest. Auch bei diesem Test werden basophile Granulozyten aus dem Blut isoliert. Die Stärke der Basophilenreaktion wird dann anhand des freigesetzten Histamins in einem Radio-Immuno-Assay (RIA) quantifiziert. Der Test kann unabhängig von der Jahreszeit durchgeführt werden. In einer Untersuchung hatten 100 % der 26 Pferde mit Sommerekzemanamnese auch ein positives Testergebnis [4]. Zu bedenken ist jedoch, dass auch 40 % der Pferde ohne Sommerekzemsymptome ein positives Testergebnis aufwiesen, sodass der Test nur eine Sensibilisierung und nicht eine klinisch manifeste Allergie nachweist. Ob und wann diese Tiere überhaupt an einem Sommerekzem erkrankten, konnte in dieser Studie nicht geklärt werden.

Pferdekaufrecht

Durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sind die im BGB enthaltenen gesetzlichen Sonderregelungen des Viehhandels einschließlich der „Kaiserlichen Verordnung betreffend die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Viehhandel vom 27.3.1899“ ersatzlos gestrichen worden. Das ist mittlerweile wohl bekannt und Pferdekäufe, die Zivilprozesse nach sich ziehen, haben in den letzten zehn Jahren alltäglich Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigt und viele Einzelfallentscheidungen hervorgebracht. Beim heutigen Kaufrecht muss der Verkäufer grundsätzlich umdenken. Es ist jetzt in seinem Interesse, beim Käufer einen hohen Kenntnisstand von der tatsächlichen Beschaffenheit des Pferdes zu erzeugen. Kennt der Käufer vorhandene Mängel und kauft das Pferd trotzdem, so kann er sich später nicht mehr darauf berufen. Das bedeutet für den Tierarzt, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer ein verstärktes Interesse an einer detaillierten Beschreibung des Gesundheitszustandes des Pferdes haben. Es ist häufig eine Wunschvorstellung von Käufer und Verkäufer, dass eine tierärztliche Kaufuntersuchung jegliches Risiko in Zusammenhang mit dem Pferdekauf aufdeckt oder gar ausschließt. Dies ist selbstverständlich nicht möglich. Es ist also im Interesse des Tierarztes aufzuklären, dass es sich erstens „nur“ um eine Momentaufnahme des Gesundheitszustandes handelt und zweitens nur Aussagen zu den durchgeführten Untersuchungen gemacht werden können und nicht zu allen erdenklichen Fragestellungen.

Rechtslage Sommerekzem

Das Sommerekzem ist rechtlich gesehen ein Sachmangel [5]. Am häufigsten entstehen Rechtsstreitigkeiten, wenn ein Pferd ohne klinische Sommerekzemsymptome verkauft wurde und dann beim neuen Besitzer ein Sommerekzem entwickelt. Dann stellt sich die Frage, ob dieser Mangel bereits beim Kauf vorgelegen hat. Beim Verbrauchsgüterkauf (gewerblicher Verkäufer) wird davon ausgegangen, dass der Mangel bereits beim Kauf vorlag, wenn ein Pferd innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf klinische Symptome eines Sommerekzems entwickelt und über einen Bluttest eine Sensibilisierung nachgewiesen wird [6]. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Pferd nicht nur dann einen Sachmangel aufweist, wenn es bei Gefahrenübergang (also zum Zeitpunkt des Verkaufs) an Sommerekzem erkrankt ist, sondern auch, wenn zu diesem Zeitpunkt ausschließlich eine Sensibilisierung vorlag [6]. Diese kann ein Tierarzt ohne Blutuntersuchung natürlich nicht feststellen. Ein Lösungsansatz ist, dass der Verkäufer im Verbrauchsgüterkauf (zur Umgehung des Problems der Beweislastumkehr nach § 476 BGB) zum Zeitpunkt der Übergabe einen Bluttest durchführen lässt, um eine Insektensensibilisierung beim Verkauf auszuschließen [7]. Dies scheint bei Pferderassen mit hoher Sommerekzem-Prävalenz (z.B. Islandpferde) sinnvoll. Doch was passiert, wenn der Bluttest eines klinisch gesunden Pferdes positiv ausfällt? Ist das Pferd dann automatisch mangelhaft und dadurch minderwertig? Die Wahrscheinlichkeit eines positiven Testergebnisses bei einem symptomfreien Pferd ist selbst im FIT-Test mit 40 % relativ hoch und senkt verständlicherweise die Motivation der Verkäufer, solch einen Test routinemäßig durchführen zu lassen. Der Tierarzt sollte im eigenen Interesse aufklären, dass er allein durch eine klinische Untersuchung den Mangel einer Insektensensibilisierung nicht feststellen kann. Standardisierte Protokolle (z.B. von der Gesellschaft für Pferdemedizin), in deren Vertragsbedingungen fixiert ist, dass hinsichtlich des Sommerekzems keine endgültigen Aussagen getroffen werden können, sind empfehlenswert. Ob ein symptomfreies Pferd mit einer Insektensensibilisierung tatsächlich mangelhaft ist, während symptomfreie Pferde mit röntgenologischen Knochenveränderungen wie Spat [8] oder „kissingspines“ [9] als mangelfrei beurteilt werden, sei dahingestellt.

Literatur bei der Autorin

Foto: © Dr. Birte Reinhold

HKP 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.